"Der Teamgeist hat mich überwältigt"

11.7.2017, 08:53 Uhr

© Fotos: Amelie Astel

Ich erinnere mich noch ganz genau an meinen ersten Schultag: Ich bin die Erste, die da ist, und kann mich gut umschauen. Das Gebäude ist nicht besonders groß, was ziemlich ungewohnt für mich ist. Auf beiden Seiten der Gänge sind Schließfächer, sogenannte lockers. Jeder Schüler hat eins für seine Sachen.

Langsam trudeln die ersten Mitschüler ein, und zwei Mädchen zeigen mir den Weg zu meinem Klassenzimmer. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, was mich erwartet, aber ich wusste bereits: Dieses Jahr wird wie kein anderes!

Mit dem Stipendium "Parlamentarisches Patenschafts-Programm", kurz PPP, habe ich zehn Monate in den USA gelebt. Diese verbrachte ich bei einer Gastfamilie in Muskegon, Michigan. Ich erlebte überwiegend Positives, doch es gibt auch ein paar Erfahrungen, die ich lieber nicht gemacht hätte.

Teamgeist, Musical und Mädelsabend

Gleich am ersten Tag nach meiner Ankunft trat ich dem Schwimmteam bei. Amerikanische Schulen bieten viele Aktivitäten außerhalb des Unterrichts an, die das soziale Leben eines Schülers ausmachen – hauptsächlich Sport. Diese Beschäftigung geht ungefähr drei Monate lang, findet aber meistens jeden Tag für ein bis zwei Stunden statt.

Ich beteiligte mich außerdem am Schul-Musical und in der Leichtathletikgruppe. Der Teamgeist und die Unterstützung in der Gruppe haben mich überwältigt.

Mein wahrscheinlich bestes Erlebnis hatte ich während unseres Schwimmcamps: Bei einem Mittagessen machte ein Campleiter Musik an, und als das Lied "Love Story" von Taylor Swift kam, standen ein paar Mädchen auf und fingen ganz spontan an zu tanzen.

Auch mich zogen sie auf die Tanzfläche. Am Ende des Songs sang das ganze Team lauthals mit und tanzte dabei. Von da an hatte ich erst richtig verstanden, was mit "Teamspirit" gemeint war. Ich fühlte mich richtig wohl und wusste, dass ich diese Seite des Sports am meisten vermissen würde.

Ein anderes, besonderes Erlebnis war ein Sleepover mit allen Mädchen meiner Klasse. Wir lackierten uns die Nägel, aßen Pizza und schauten einen Horrorfilm. Das mag jetzt nicht so beeindruckend sein, aber ich war froh, diese typisch amerikanische Übernachtungsparty miterleben zu dürfen.

Thanksgiving war ein weiteres Highlight meines Austauschjahres. An dem Erntedankfest kommt die ganze Familie zu einem gemeinsamen Abendessen zusammen. Von diesem Tag an habe ich mich wirklich wie ein Familienmitglied gefühlt.

Meine Gastfamilie ist ziemlich groß, und es war toll, mehr über andere Angehörige zu erfahren, und zu sehen was eine amerikanische Familie ausmacht: Vielfältigkeit. Jede Person, die ich an Thanksgiving getroffen hatte, war anders. Die USA sind ein Land der Vielfalt. Kulturen der ganzen Welt vereinen sich hier. Das konnte man auch an meiner Gastfamilie sehen.

Mit dem PPP war ich außerdem noch eine Woche in Washington D.C.. Dort traf ich einige Freunde, die ich auf der Vorbereitungswoche in Berlin kennengelernt hatte. Wir lernten viel über die Geschichte Amerikas. Es kam mir vor, als wäre die gesamte Geschichte der US-Politik in dieser einen Stadt zusammengefasst.

Kaum Ferien, schlechtes Essen

Am meisten beeindruckte mich das Lincoln Memorial, das ich vorher oft im Fernsehen gesehen hatte. Hier wurden bedeutende Reden gehalten, zum Beispiel von Martin Luther King.

Was ich in den USA nicht so gut finde: Die Schüler haben während des Schuljahrs nicht viel Ferien. Nur an Weihnachten sind zwei Wochen frei, und dann gibt es noch die "Spring Break" für eine Woche. Dafür haben die Amerikaner einen sehr langen Sommer.

Auch das Mittagessen an der Schule gefiel mir nicht. Es gibt zwar ein paar Gerichte zur Auswahl, in Deutschland würde man das allerdings nicht als Mahlzeit bezeichnen: Pizza und andere ungesunde Sachen sind normal. Der Salat ist ziemlich klein und unansprechend. Außerdem wartet man sehr lange, wenn man etwas zu spät zum Essen kommt. Fast alle Schüler bevorzugen es daher, ihr Essen von zu Hause mitzubringen.

Als Fazit kann ich sagen, dass meine Erlebnisse in den USA ups und downs hatten. Aber trotz einiger schlechter Tage würde ich dieses Jahr niemals hergeben. Es ist wirklich eine Bereicherung: neue Sprachkenntnisse, eine neue Kultur, unvergessliche Momente – und ich habe Freunde fürs Leben gefunden!


Ihr wollt ein Jahr in den USA leben und dort zur Schule gehen? Der Deutsche Bundestag bietet dafür zwei Möglichkeiten an. Mit dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP) können zum einen Schüler wie Amelie, die zwischen 15 und 17 Jahre alt sind, ein Schuljahr in die amerikanische Gesellschaft eintauchen und Land und Kultur intensiv kennenlernen.

Für junge Berufstätige bis 24 Jahre gibt es zudem die Kombination aus College-Besuch und Praktikum. Die Austauschprogramme werden vom Deutschen Bundestag seit 35 Jahren gefördert. Die deutschen Abgeordneten und Mitglieder des US-Kongresses übernehmen für die Dauer des Aufenthalts die Patenschaft für die deutschen und amerikanischen Teilnehmer.

Auch junge Amerikaner verbringen mit dem "Congress Bundestag Youth Exchange"-Programm ein Austauschjahr in Deutschland. Sie leben hier in Gastfamilien, gehen zur Schule oder machen ein Praktikum.

Die Stipendien des PPP decken übrigens die Kosten für die Vor- und Nachbereitung, den Schulbesuch, die Unterbringung in Gastfamilien sowie für Reisen und Versicherungen ab.

Wer am Austauschprogramm interessiert ist, hat jetzt die Chance, sich für das Schuljahr 2018/19 zu bewerben. Das Bewerbungsformular sowie weitere Informationen zu den Programmen findet ihr auf der Website www.bundestag.de/ppp – Bewerbungsschluss ist der 15. September.

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