Die Prothesen sollen passen wie gedruckt

8.12.2016, 17:30 Uhr
Die Prothesen sollen passen wie gedruckt

Herzlichen Glückwunsch zu dem Preis, Herr Zagel! Prothesen aus dem 3D-Drucker, wie soll das funktionieren?

Christian Zagel: Ein Beispiel: Einem Menschen wird das Bein amputiert. Der Arzt macht dann mit dem Smartphone Fotos vom Beinstumpf. Auf diesen Bildern ist außerdem ein Referenzobjekt, etwa eine Münze, von der man die genaue Größe weiß. Aus den Fotos wird am Rechner ein 3D-Modell, im Krankenhaus kann man dann ein Negativ davon ausdrucken: den Prothesenschaft. Denkbar wäre auch eine mobile Einheit in einem geländegängigen Fahrzeug, mit der die Prothese direkt vor Ort ausgedruckt werden kann.

 

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen?

Zagel: Ich habe 2012 gemeinsam mit meinem Kollegen Jochen Süßmuth einen Bodyscanner entwickelt, der dafür gedacht war, Kleidergrößen zu empfehlen. Außerdem war ich zu dieser Zeit im Urlaub in Thailand, wo es eine Auffangstation für Elefanten gab, die auf Minen getreten waren.

Ich hatte zunächst die Idee, den Scanner dafür einzusetzen, Prothesen für Elefanten oder auch andere Tiere herzustellen. Dann erschien es mir aber naheliegender, dasselbe für Menschen zu machen. Das Ziel ist, mittels Druck-, Scan- und Recycling-Technologie so günstig wie möglich Prothesen herzustellen.

 

Und aus welchem Material?

Zagel: Das Material ist im Moment noch spezieller Plastikmüll, nämlich Polyactide oder kurz: PLA. Das ist ein kompostierbarer Biokunststoff, der derzeit im Kommen ist und in den USA oft für Einweggeschirr oder -becher benutzt wird. Wir wollen auch andere Kunststoffe ausprobieren, aber nicht alle sind tauglich. Manche lassen sich nicht schmelzen, und gesundheitsschädliche Stoffe gehen natürlich auch nicht. Wir testen gerade Silikon, um die Innenseite der Prothesen bequemer zu machen.

 

Wie weit sind Sie mit der Umsetzung Ihrer Idee?

Zagel: Wir haben viele Materialtests gemacht, haben Prototypen von einem Prothesenschaft gedruckt und unterschiedliche Maschinen getestet. Kollegen vom Lehrstuhl Graphische Datenverarbeitung in Erlangen entwickeln den Handy-Scan, Wissenschaftler von der Fachhochschule Lübeck kümmern sich darum, das Ganze benutzertauglich zu machen. Es soll so einfach wie möglich zu bedienen sein, am besten ganz ohne Text. Denn wir wollen uns nicht auf eine Sprache festlegen müssen. Demnächst wollen wir unsere Prothesen an richtigen Menschen testen, ob Tragekomfort, Tauglichkeit und Belastbarkeit passen.

Wo liegen bisher die Probleme?

Zagel: Die 3D-Drucker sind noch recht unzuverlässig, Fehldrucke passieren häufig. Es dauert etwa 40 Stunden, um so einen Stumpfschaft zu drucken. Wenn es dann nicht klappt, nervt das schon. Aber ich gehe fest davon aus, dass die Technik sich in den nächsten Jahren stark weiterentwickelt, ähnlich wie das mit Computern und Handys passiert ist. Wenn günstige und zuverlässige 3D-Drucker auf dem Markt sind, haben wir schon die wichtige Vorarbeit geleistet.

 

Wie finanzieren Sie Ihr Projekt?

Zagel: Für die Machbarkeitsstudie habe ich in den vergangenen eineinhalb Jahren Geld von der Staedtler-Stiftung bekommen. Derzeit fehlt es an Mitteln für Mitarbeiter und Technik. Für die Zukunft kann ich mir eine Crowdfunding-Kampagne vorstellen. Im Endeffekt bin ich auf Spendengelder angewiesen. Aber ich bekomme sehr positives Feedback. Etwas für die armen Gegenden dieser Welt zu tun und dabei noch Kunststoff zu recyceln, das kommt gut an.

 

Wie wichtig ist Ihnen der humanitäre Aspekt Ihrer Arbeit?

Zagel: Es ist mein Anspruch, Menschen aus Krisengebieten, die sich nichts leisten können, ein besseres Leben zu ermöglichen.

 

 

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