Ein Film über das Ausgrenzen sorgt für Gänsehaut

22.7.2015, 17:47 Uhr
Ein Film über das Ausgrenzen sorgt für Gänsehaut

© Illustration: Bronislav Hava

Muhamet ist ganz aufgeregt. Mitschüler, Eltern, Lehrer – ganz viele Menschen werden den Film sehen, berichtet er strahlend. Ob nach den Vorführungen beim Schulfest und im Erlanger Rathaus vielleicht sogar jemand ein Autogramm von ihm will?

Muhamet hat aber auch bemerkt, dass es bei der Premiere des Films im Klassenzimmer der 4 a nicht jedem gut ging. Eine Mitschülerin hat sich zum Beispiel die ganze Zeit ein Kissen vors Gesicht gehalten, als sie zu sehen war.

23 Minuten ist der Film lang, den Regisseurin Alla Werr mit den Kindern gedreht hat. Alla macht schon lange Filme. Sie filmt zum Beispiel bei Hochzeiten, bei Konzerten und in Unternehmen und verdient damit ihr Geld.

Vielleicht weil sie selbst aus Russland kommt, kann Alla gut verstehen, wie es sich anfühlt, fremd zu sein. Die Kinder in dem Film haben neun verschiedene Nationalitäten; sie wurden zum Beispiel in der Türkei oder in Vietnam geboren.

Manche sehen auch anders aus als viele deutsche Kinder, haben zum Beispiel mandelförmige Augen oder tragen immer ein Kopftuch. Manche Kinder finden das komisch und wollen deshalb nicht mit ihnen spielen.

Manche sagen sogar gemeine Sachen. Viele der Brucker Grundschüler haben das schon einmal erlebt. Deshalb müssen sie auch gar keine Rolle spielen, sondern können einfach sie selbst sein, wenn sie vor der Kamera stehen.

Für viele war das am Anfang trotzdem komisch. „Ich habe noch nie einen Film gemacht“, sagt zum Beispiel Muhamet. Aber es habe ihm sehr viel Spaß gemacht. „Mir hat es vor allem gefallen, als wir zusammen gesungen haben“, berichtet der Neunjährige. „Wir standen Rücken an Rücken, und ich habe richtig Gänsehaut gekriegt.“ Seine Lehrerin, Antje Ullmann, stimmt ihm zu: „Für die Klassengemeinschaft ist so ein Film wunderschön. Weil man jeden braucht.“

Schon vor Weihnachten im vorigen Jahr haben die Grundschüler angefangen, über Grenzen nachzudenken. Den Erwachsenen waren dazu vor allem die vielen Gegensätze eingefallen, die es in dem Multikulti-Stadtteil Bruck gibt: Arm und Reich zum Beispiel oder Alt und Neu.

Doch die Kinder beschäftigte vor allem das Ausgrenzen Gleichaltriger. Und so geht es in „Grenzen(los) in Bruck“ vor allem darum, aber auch darum, wie man Grenzen überwindet.

Schließlich sollte das Drehbuch auf Aussagen und Texten der Kinder beruhen, erklärt Alla Werr. Sie hat geholfen, diese Erfahrungen in tolle Bilder umzusetzen: Sie filmte die Kinder zum Beispiel mit rot-weißem Absperrband im Klassenzimmer, ließ sie tanzen, hüpfen, rennen und rappen.

„Es gab schöne Momente und traurige“, berichtet eine Schülerin. „Das hat auch mit der Musik zu tun.“ Ihr Klassenkamerad Philipp sagt: „Mir hat es am besten gefallen, wie wir alle gemeinsam zu den Drehorten gegangen sind und dort niemand ausgeschlossen war.“

Ob der Film auch etwas in ihrem Alltag verändert hat? Die Ganztagesschüler nicken. Und Philipp meint: „Da habe ich gelernt, dass ich auch die, die ich nicht so gerne mag, mal mitspielen lassen kann.“

Ein Mutmach-Stück

Sarah ist durch den Film mutiger geworden. „Ich habe jetzt zum Beispiel mal mit den Jungs Tischtennis gespielt“, berichtet die Neunjährige stolz. „Vorher habe ich mich nicht getraut, sie zu fragen, ob ich mitmachen kann.“ Trotz seiner manchmal düsteren Bilder strahlt „Grenzen(los) in Bruck“ aber auch Zuversicht aus.

Mit viel Liebe blickt der Film auf die Kinder, die sich ihren Stadtteil bildlich erobern. Viele der Grundschüler haben – so wie Sarah – durch den Dreh an Selbstbewusstsein gewonnen. Die Regisseurin Alla Werr ist voll des Lobes für die Schüler: „Ihr seid meine Movie-Stars.“

Keine Kommentare