Ein Schaf im Gang und zum Tode verurteilte Pflanzen

27.3.2017, 16:43 Uhr
Beliebte Quizfrage: In welcher österreichischen Hauptstadt steht der Wiener Stephansdom?

© privat Beliebte Quizfrage: In welcher österreichischen Hauptstadt steht der Wiener Stephansdom?

Also ab nach Wien zum Praktikum und rein in die gemischte Fünfer-WG. Die wichtigste Grundausstattung: Putzlappen und viel Kleidung, denn man weiß nie, wie lange Waschmaschine und Wäscheständer am Stück belegt sind.

Mein erster Eindruck von der Wohnung war gleich mal tierischer Art: Sobald man die Haustür öffnet, starrt einen nämlich ein riesiges Steinschaf an. Das ist Egon, das Hausschaf, wie mir eine der Mitbewohnerinnen erklärte. An Egon stoße ich mir des Öfteren die Zehen an, weil er genau zwischen meinem Zimmer und dem Lichtschalter im Gang platziert ist.

Bei der Verteilung der Haushaltspflichten meldete ich mich freiwillig für den Putzdienst im Bad. Erstens hängt mein Wohlfühlfaktor entscheidend davon ab, wie die sanitären Einrichtungen aussehen und zweitens hatte der Raum eine gründliche Reinigung am nötigsten.

Ich machte Ecken sauber, die noch nie einen Staubsauger gesehen hatten, und wischte die Zahnpastaspuren der vergangenen Monate vom Ablagebrett vor dem Spiegel. Nun ist es deutlich sauberer. Und man erkennt auch wieder was im Spiegel.

Einblicke in die Wohnung: Egon, das Hausschaf, ist aus Stein und steht im Weg.

Einblicke in die Wohnung: Egon, das Hausschaf, ist aus Stein und steht im Weg. © Foto: privat

Die Grundausstattung des Bades ist ein Traum, es gibt eine Dusche und eine Badewanne, eine eigene Waschmaschine und sogar Luxus wie beheizbare Handtuchhalter. Überhaupt ist die gesamte Wohnung richtig schön, ein Altbau mit tollem Holzfußboden, hohen Decken und viel Platz. Die nächste U-Bahn-Haltestelle ist in Sichtweite, und es ist trotzdem schön ruhig, was für mich als Dorfkind natürlich ein großer Pluspunkt ist.

Auch meine Mitbewohner sind nett und hilfsbereit, keine Frage. Sie feiern nicht jeden Tag ausufernde Partys und spülen ihr Geschirr zeitnah nach dem Benutzen. Sie sind halt alle ein bisschen grün angehaucht, was mir Bücher wie "Naturkosmetik selbst gemacht" oder "Inspirierende Zen-Muster zeichnen" auf dem Fensterbrett in meinem Zimmer zeigen.

Die Hauptmieterin, von der ich das Zimmer zwischengemietet habe, tobt sich also gerne vielseitig kreativ aus – wenn sie nicht – wie jetzt gerade – durch Südamerika reist. Vegetarier sind sie sie größtenteils auch in der WG, ganz klar, aber zumindest nicht von dem Schlag, dass ihre Pfannen kein Fleisch berühren dürfen. Sihalt eher locker und haben keine Angst vor Bakterien.

Wer braucht schon einen Kleiderschrank? Ein Gestell aus Ästen und ein paar Holzkisten reichen doch.

Wer braucht schon einen Kleiderschrank? Ein Gestell aus Ästen und ein paar Holzkisten reichen doch. © Foto: privat

Statt eines Kleiderschranks habe ich in meinem Zimmer nur eine selbst gezimmerte Kleiderstange aus Ästen sowie Holzkisten, in denen ich meine Kleidung lagere. Beim Aufräumen der gewaschenen Wäsche ist es also wichtig, darauf zu achten, dass die schöne Unterwäsche immer oben liegt, schließlich kann sie jeder bewundern, der mein Zimmer betritt.

Die eigentliche Mieterin meines Zimmers hat außerdem ungelogen 16 Pflanzen gut verteilt stehen lassen und sich mit mir die denkbar schlechteste Zwischenmieterin dafür ausgesucht. Denn Pflanzen sterben sozusagen schon, wenn sie mich sehen, weil sie wissen, dass sie bei meiner Pflege nicht lange zu leben haben.

Den ersten Tag nach meiner Ankunft verbrachte ich erstmal damit, das Zimmer von Wasserspuren aus der Gießkanne zu reinigen, und alle Pflanzen so zu platzieren, dass man sich gefahrenfrei aufs Sofa setzen kann und Platz auf dem Schreibtisch hat.

Mein Fazit zum WG-Leben: Kann man machen, muss man aber nicht. Es ist genau das Richtige für einen begrenzten Zeitraum in einer Großstadt, wenn man dort niemanden kennt und einigermaßen günstig wohnen möchte. Mittlerweile habe ich auch alle meine Mitbewohner halbnackt bis nackt gesehen, und darauf hätte ich durchaus verzichten können.

Auf Dauer finde ich es deshalb doch besser, wenn ich im Waschbecken nicht Haare von vier verschiedenen Personen vorfinde und im Kühlschrank nicht alles wie beim Strategiespiel Tetris stapeln muss, um meine Nahrungsmittel unterzubringen.

Und weiß ich auch meinen klassischen Kleiderschrank zu Hause – mit solchen altmodischen Dingen wie Türen und Fächern – wieder zu schätzen. Zwei der Pflanzen haben meine Anwesenheit nicht überlebt, obwohl ich sogar regelmäßig mit ihnen gesprochen habe. Was für ein Glück, dass das Grünzeug in der Zeile "Die Räumlichkeiten sind wie folgt möbliert" im Mietvertrag nicht extra aufgelistet wurde.

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