Endlich in Europa – und dann?

21.4.2016, 16:06 Uhr
Endlich in Europa – und dann?

© Foto: AFP

Anass stammt aus Syrien: Er hatte vier Semester Englische Literatur an der Universität in Damaskus studiert, bevor er in seinem vom Bügerkrieg gequälten Land keinerlei Zukunft mehr sah.

Nach seiner Flucht nach Deutschland, in der Sammelunterkunft, war Anass – wie alle anderen dort auch – zunächst zur Untätigkeit verdammt. Solange sein sogenannter Status nicht geklärt ist, darf ein Flüchtling im Grunde gar nichts – außer warten.

Vier Monate hat es gedauert, bis Anass als Asylbewerber anerkannt war. Und er nutzte diese Zeit, um sich selbstständig die nötigen Bücher zu besorgen und Deutsch zu lernen.

Als Anass dann an einem offiziellen Integrationskurs teilnehmen durfte, konnte er schon so gut Deutsch, dass „er sofort in unser Programm für Geflüchtete aufgenommen werden konnte, das Sprachkurse auf recht hohem Niveau anbietet“, sagt Eva Knöferl.

Sie ist Sprecherin von „FAU Integra“, dem „Forum für Integration und interkulturellen Dialog“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: „Wir verstehen uns als die zentrale Vernetzungsstelle für alle Aktivitäten der FAU in Bezug auf Geflüchtete.“

Ein Beispiel für diese Aktivitäten ist das Angebot „Studienorientierung für Geflüchtete“. „Seit vorigem Juli haben wir etwa tausend Gespräche mit Asylbewerbern, Flüchtlingen, Asylbetreuern und Sozialdiensten geführt“, berichtet Brigitte Perlick, Leiterin des FAU-Referats für Internationale Angelegenheiten. „Dabei wurde geklärt, ob die geflüchteten Studierwilligen die Voraussetzungen für ein Studium an der FAU erfüllen (siehe auch Interview unten). Wenn das nicht der Fall war, haben wir ihnen alternative Bildungsmöglichkeiten aufgezeigt.“

Der nächste Schritt sind Deutschkurse. Ungefähr 300 studierfähige Flüchtlinge sind bisher in solchen Kursen unterrichtet worden, derzeit werden etwa 120 Betroffene durch die FAU betreut. „Wir sind zuversichtlich“, meint Brigitte Perlick, „dass sie im nächsten oder übernächsten Semester ihr Studium aufnehmen können.“

Anass zum Beispiel: Er macht derzeit schon ein Schnupperstudium, und wenn er die Deutsch-Prüfung besteht, darf er im kommenden Wintersemester sein in Damaskus abgebrochenes Studium weiterführen. Ergänzend zu den Deutschkursen betreut „Integra“ das Tandem-Projekt: Einheimische Studenten unterstützen Flüchtlinge nicht nur beim Deutsch lernen, sondern sind auch viel mit ihnen unterwegs, damit sie die Besonderheiten des Alltags im fremden Deutschland kennenlernen.

Entstanden ist „Integra“ im Umfeld des interdisziplinären Master-Studiengangs „Ethik der Textkulturen“, wie Eva Köferl erläutert: „Eine Gruppe von Dozenten hat sich zusammengesetzt und überlegt, wie man das Thema Ethik aus dem akademischen Elfenbeinturm herausholen und zu etwas praktisch Wirksamem machen kann. Da sind wir dann schnell auf die Betreuung von Geflüchteten gekommen.“

Finanziell unterstützt wird „Integra“ aus Mitteln des Elite-Studiengangs, der von Prof. Christine Lubkoll geleitet wird. Neben den rein praktischen Aspekten wie dem Tandem-Projekt steht eine weitere Aufgabe auf dem „Integra“-Programm: die wissenschaftliche Reflexion über Migration, Integration und kulturelle Vielfalt anzustoßen und zu vernetzen.

„An einer Universität wie der unseren gibt es mannigfaltiges Fachwissen zu den verschiedensten Aspekten der sogenannten Flüchtlingskrise, das der Gesellschaft helfen kann, die aktuelle Entwicklung besser zu verstehen“, sagt Prof. Günter Leugering, Vizepräsident für Internationale Angelegenheiten an der FAU. Als Signal dafür gibt es in diesem Sommersemester eine öffentliche Ringvorlesung mit dem Titel „Die Flüchtlingsfrage – interdisziplinäre Perspektiven“.

Das genaue Programm steht auf www.integra.fau.de/ringvorlesung

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