Fremde Welten inspirieren die irdische Physik

15.5.2017, 17:39 Uhr
Wer ins Weltall blicken möchte – sollte zunächst mal die Kuppel der Sternwarte öffnen: Prof. Jörn Wilms von der Uni Erlangen-Nürnberg.

© Beeck Wer ins Weltall blicken möchte – sollte zunächst mal die Kuppel der Sternwarte öffnen: Prof. Jörn Wilms von der Uni Erlangen-Nürnberg.

Über 5000 Bücher besitzt Jörn Wilms. Alles Science-Fiction-Romane – und natürlich hat er sie alle gelesen. "In meinem Wohnzimmer steht ein ziemlich wuchtiges Regal. Da passt jede Menge rein", sagt er lachend.

Jede Woche kommen zwei bis drei neue Bücher dazu. "Ich bin ein schneller Leser", erzählt Wilms, "und ich lese morgens, abends, sogar manchmal beim Frühstück!".

Faszinierend findet er die imaginären Welten, die in diesen Romanen erschaffen werden. Wichtig ist ihm dabei, dass die Geschichten wissenschaftlich passen und sinnvoll weitergedacht werden. Wilms nennt das "glaubwürdige Extrapolation". Und Science-Fiction-Literatur, die in diesem Sinne gut ist, meint er, habe ihm auch schon oft geholfen, "astrophysikalische Modelle greifbarer zu machen und abstrakte Daten plastischer zu sehen".

Seit elf Jahren ist Jörn Wilms Professor für Astronomie am Astronomischen Institut der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Universität Erlangen-Nürnberg. Angesiedelt ist das Institut an der Dr.-Remeis-Sternwarte in Bamberg. Am schönsten Institut der gesamten FAU, wie er persönlich findet, ist Wilms Leiter der Röntgenastronomie.

Seine Aufgabe: die Jagd nach Schwarzen Löchern und Neutronensternen. "Beide weisen eine hohe Dichte auf", erläutert der Professor, "sie zeigen extreme physikalische Zustände und geben Röntgenstrahlung in den Weltraum ab. Und nach genau dieser Strahlung suchen wir."

Seine Jagdwerkzeuge sind Satelliten im Weltall. Denn unsere Erdatmosphäre schirmt uns vor diesen Röntgenstrahlen ab. "Gott sei Dank", meint Wilms, "denn allein die Röntgenstrahlung der Sonne würde uns alle umbringen. Für die Forschung bedeutet das jedoch, dass wir nur extraterrestrisch, also mittels Satelliten, nach diesen Röntgenstrahlen fahnden können."

Weil diese wissenschaftliche Forschung recht teuer ist, funktioniert sie nur über internationale Kooperationen. Daher ist Wilms viel unterwegs. "Gestern bin ich aus Frankreich zurückgekommen, nächste Woche geht es in die USA." Jetlag kenne er nicht. Er könne sich immer recht schnell auf die jeweilige Zeitzone einstellen.

Und dann berichtet er von einem russisch-deutschen Experiment, das im März 2018 starten wird. Ein Röntgensatellit soll vier Jahre lang den Himmel nach Schwarzen Löchern durchsuchen. Und 2028 möchte der Astrophysiker mit seinem Team bei einem Röntgen-Großprojekt der Europäischen Weltraumorganisation ESA dabei sein. Auch hier soll es darum gehen, Schwarze Löcher aufzuspüren.

Aber weshalb ist die Suche nach Schwarzen Löchern überhaupt relevant? Für die Antwort lehnt sich Wilms in seinem Stuhl zurück, breitet die Arme aus und erklärt mit großen Gesten: Es geht darum, das Universum zu verstehen. Und dazu müssen wir seine Bestandteile genau kennen und nachvollziehen können, wie Schwarze Löcher entstehen und wie sie ihre Umgebung beeinflussen. Nur so erhalten wir ein ganzheitliches Bild des beobachtbaren Universums."

Wenn Wilms von den anstehenden Experimenten im Weltraum berichtet, von Neutronensternen und Schwarzen Löchern, dann tut er das mit so großer Begeisterung, dass eines deutlich wird: Die Astronomie ist mehr als ein Beruf, sie ist sein Leben.

Das sei ihm schon als Kind bewusst gewesen, sagt er: "Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die Voyager-Sonden am Jupiter vorbeiflogen. Damals gab es in einem Magazin eine Bilderstrecke von den Jupitermonden. Die hat mich unendlich beeindruckt, und schon da war mir klar: Ich möchte Astronom werden."

Der kleine Jörn sparte sein gesamtes Taschengeld, verzichtete auf Süßigkeiten und legte Weihnachts- und Geburtstagsgeld zusammen, um sich ein Teleskop zu kaufen. In der 8. Klasse programmierte er bereits Vorhersagen, um die Sternenbedeckung des Mondes berechnen zu können.

1988 wurde er Bundessieger bei "Jugend forscht" im Bereich Geo- und Raumwissenschaft. Dass er später Astrophysik studierte, lag auf der Hand. Ständige Begleiter während dieser gesamten Zeit waren seine Science-Fiction-Romane.

Besonders an einen kann er sich noch gut erinnern: "Schwere Welten" von Hal Clement. "Das Buch hat mich schwer beeindruckt. In dem Roman geht es um das Leben auf einem Neutronenstern mit hoher Gravitation. Die Bewohner sind eher raupenähnlich und gedrungen. Und alle haben eine unglaubliche Höhenangst. Kein Wunder. Denn fällt man bei der starken Gravitation irgendwo runter, ist man sofort tot. Da wird der Maulwurfshügel zur Todeszone", erzählt er. Bei Wilms’ Begeisterung für dieses Buch ist klar: Es hat einen Ehrenplatz in seiner Sammlung.

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