Freunde, auf die sogar der Postbote neidisch ist

22.8.2012, 09:00 Uhr
Freunde, auf die sogar der Postbote neidisch ist

© Ralph Meidl

Alles begann ganz unspektakulär im Kroatien-Urlaub vor neun Jahren. Mir ging der Lesestoff aus. Frustriert beobachtete ich die anderen Urlauber am Strand und stellte fest, dass ein etwa gleichaltriges Mädchen Bücher derselben Buchreihe dabei hatte. Zögerlich sprach ich sie an – wir verstanden uns auf Anhieb super und beschlossen, unsere Bücher auszutauschen.

Als wir wieder daheim waren, begannen wir, uns Briefe zu schreiben. Und erstaunlicherweise tun wir das immer noch. Julia wohnt 100 Kilometer entfernt in Rötz (nahe der tschechischen Grenze), und wir treffen uns häufig. In dringenden Fällen schreiben wir eine E-Mail oder SMS, aber der Brief ist und bleibt unser Hauptkommunikationsmittel.

Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: Von Briefumschlägen aus Tapetenresten bis zu Papier in Herzform haben wir alles getestet. Sogar der Postbote fragte schon, wer in meiner Familie „diese vielen bunten Briefe“ bekommt. Er klang fast ein bisschen neidisch.

Mit zunehmenden Sprachkenntnissen hat sich auch der Radius erweitert, aus dem meine Brieffreunde kommen. Die meisten sind aus europäischen Ländern. Richtig kompliziert wurde es, als alle alt genug für Auslandsaufenthalte waren. Die Brieffreundin aus Schweden war plötzlich in den USA, die aus Estland wurde Au-pair in Finnland, und meine finnische Freundin war Au-pair in Spanien.

Momentan habe ich etwa 15 Brieffreunde. Aber da manche plötzlich nicht mehr schreiben (was mich jedes Mal frustriert!), schwankt die Anzahl ständig. Genauso schnell kommen aber neue dazu! Meist suche ich sie über Webseiten wie www.interpals.net

Viele Leute fragen mich immer kopfschüttelnd, was mir das Briefschreiben „bringt“. Ich finde diese Frage schwachsinnig, denn ich frage sie ja auch nicht, was ihnen Fernsehschauen bringt.

Live-Bericht von Maria aus Athen

Ich finde es einfach interessanter, über die schwierige Situation in Griechenland von jemandem zu erfahren, der in Athen lebt, als aus einem Tagesschau-Bericht! So hat Maria mir berichtet, dass es auch an der Uni drunter und drüber geht und sie nicht weiß, ob sie überhaupt Klausuren schreiben kann. Außerdem überdenkt man sein eigenes Verhalten, wenn die finnische Brieffreundin schreibt, dass sie während ihres Semesters in Hamburg nur mit völlig egoistischen Kommilitonen zu tun hatte.

Ich sehe meine Brieffreunde als ganz normale Freunde. Wir schicken uns Postkarten aus dem Urlaub, Fotos von Abschlussfeiern und sogar mal einen Teebeutel unserer Lieblingsteesorte. Wir analysieren Beziehungsprobleme, geben uns Buchtipps und gratulieren zu Geburtstagen. Wie ganz normale Freunde.

Natürlich weiß ich, dass andere Jugendliche mein Hobby als altmodisch und „uncool“ ansehen. Aber wenn altmodisch bedeutet, dass ich ohne Rechtschreibprogramm einen grammatikalisch richtigen Brief schreiben kann, bin ich das gern.

Vor kurzem habe ich mir nun eine Brieffreundin aus Spanien gesucht, um mein eingerostetes Spanisch aufzufrischen. Ich bin jedes Mal stolz, wenn ein halbwegs richtiger Brief an sie fertig ist. Das ist das Schöne an Brieffreundschaften: Sie sind zeitaufwendig – aber wenn man es richtig anstellt, begleiten sie einen ein Leben lang.


Ihr seid auch passionierte Briefeschreiber und wollt uns von euren Erfahrungen berichten? Dann postet uns hier unter diesem Artikel einen Kommentar!

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