Frühstudium: Schule allein war ihm zu langweilig

21.6.2016, 17:27 Uhr
Frühstudium: Schule allein war ihm zu langweilig

© Foto: Harald Sippel

Wer mit Tom Bothe über seine Erfahrungen an der Uni spricht, merkt schnell, wie begeistert der 18-Jährige ist. „Ich wollte etwas Neues kennenlernen und mich mit Dingen auseinandersetzen, die ich noch nicht kannte“, beschreibt er seine Motivation. Seit Oktober ist er an der Friedrich-Alexander-Universität im Studiengang Ökonomie eingeschrieben. Bemerkenswert ist das vor allem deshalb, weil er eigentlich noch Schüler ist.

Keine Seltenheit an der FAU. Jedes Wintersemester studieren etwa 30 Schülerinnen und Schüler aus der gymnasialen Oberstufe, also elfte und zwölfte Klasse, an der Universität. Wie alle anderen Studenten besuchen sie Vorlesungen und Seminare ihres Faches und legen am Semesterende eine Prüfung ab. Die Interessen sind breit gefächert, mit Ausnahme der NC-Fächer können Frühstudenten frei entscheiden, welches Fach sie studieren wollen. Für die Geisteswissenschaften entscheiden sich ebenso viele wie für die naturwissenschaftlichen Fächer.

Im Mai hat Tom Bothe gemeinsam mit seinen Klassenkameraden am Erlanger Ohm-Gymnasium das Abitur abgelegt. Wirklich ausgelastet fühlte er sich in der Schulzeit jedoch selten, bereits früh wollte er mehr und andere Dinge lernen als in der Schule vermittelt werden. Im Laufe des vergangenen Jahres wurde er auf das Frühstudium an der Uni Erlangen-Nürnberg aufmerksam – und entschloss sich, eine Bewerbung einzureichen.

Oft bessere Noten als die "normalen" Studenten

Kein leichtes Unterfangen: Ein mehrseitiger Fragebogen sowie ein Motivationsschreiben an den Fachbetreuer des jeweiligen Instituts sind Pflicht. Der Mitarbeiter wählt aus den Bewerbern dann diejenigen aus, die er für am besten geeignet hält. Gute Noten sind hilfreich, reichen aber allein nicht aus, sagt Jan-Peter Meyn, Professor für Didaktik der Physik und einer der Betreuer des Projekts Frühstudium an der Uni. „Wir wollen keine Überflieger, sondern ganz normale Schüler mit vielfältigen Interessen und sozialen Kompetenzen.“ Wenn jemand Physik studieren will, das Zeugnis in den Naturwissenschaften aber nicht nur Spitzennoten enthält, kann das trotzdem reichen. „Im Zweifelsfall rufen wir die Kandidaten einfach an und fragen nach der Motivation.“

Der Erfolg zeigt, dass das Auswahlverfahren funktioniert. Die meisten Frühstudenten bestehen die Prüfungen und können sich den Schein anrechnen lassen, falls sie sich nach dem Abitur tatsächlich entscheiden, das entsprechende Fach zu studieren. „Es passiert sogar immer wieder, dass Frühstudenten zu den besten ihres Jahrgangs gehören, also sogar besser abschneiden, als die meisten regulär eingeschriebenen Studierenden.“

Und selbst wenn es mit dem Wunschstudium einmal nicht klappt, die Möglichkeit, wissenschaftliche Einblicke in ihr Interessengebiet zu bekommen, wird von den Schülern sehr geschätzt. Als ein Frühstudent eine Veranstaltung zur Relativitätstheorie besuchen wollte, eigentlich gedacht für Physikstudenten im fünften Semester, erlaubten es die Professoren. „Auch wenn er die Klausur am Ende nicht bestanden hat, die Dankbarkeit über das neue Wissen und die erhaltene Chance überwog“, erzählt Meyn.

Tom Bothe hat seine erste Uniklausur mit Erfolg absolviert. Im Fach „Einführung in die Volkswirtschaftslehre“ schnitt er mit der Note 2,3 sogar sehr ordentlich ab. „Es ist schon ein paar Stufen schwerer als in der Schule, überfordert gefühlt habe ich mich aber nicht“, sagt er. „Ich habe Vorlesung und Übung regelmäßig besucht, dann ist es machbar.“

Junge Leute frühzeitig an die Uni binden

Im laufenden Sommersemester hat er sich für das Fach Geschichte entschieden, obwohl, oder gerade weil er später einmal Medizin studieren möchte. Er hofft, die Einblicke in andere Fächer werden ihn davor bewahren, ein Fachidiot zu werden. Lehrer und Klassenkameraden haben ihn bei seinem Vorhaben übrigens unterstützt. Auch die Tatsache, dass er im Unterricht fehlt, um die Vorlesung an der Uni zu besuchen, wurde akzeptiert.

Das ist entscheidend, denn ohne Zustimmung der Schule ist ein Frühstudium nicht möglich. Die meisten Vorlesungen finden vormittags statt. Trotz parallelem Studium, Bothes Fokus liegt nun erst einmal auf dem Abitur. Um seinen Traum vom Medizinstudium wahr werden zu lassen, müssen in den Abschlussprüfungen noch einmal sehr gute Note her. Empfehlen würde er das Frühstudium, trotz Zusatzbelastung, jederzeit: „Es ist toll, sich mal mit einem Fach akademisch auseinandersetzen zu können. Und eigentlich hat man während der Schulzeit so viel Zeit wie nie mehr sonst im Leben.“

Jan-Peter Meyn teilt das positive Fazit auch aus Sicht der Universität: „Wir tun etwas Sinnvolles für die jungen Leute und natürlich ist es für uns auch ein erster Schritt in der Nachwuchsakquise. Wir freuen uns, wenn Frühstudenten anschließend auch tatsächlich an der FAU studieren.“ Seit 2006 gibt es das Programm, ändern wird sich daran so schnell nichts. Es werden also noch viele Schüler ihre Begeisterung für die Uni entdecken können.

Weitere Informationen zu den Voraussetzungen und zur Bewerbung auf http://fruehstudium.fau.de

Streber oder Studenten aus Leidenschaft? Unser Blogbeitrag zum Frühstudium.

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