Ganz entspannt vor die Klasse treten

18.12.2017, 16:58 Uhr
Ganz entspannt vor die Klasse treten

© Foto: Anestis Aslanidis

Sanfte Klänge einer CD mit Entspannungsmusik erfüllen den Seminarraum im Bildungshaus St. Paul an der Dutzendteichstraße in Nürnberg. Das Licht ist gedimmt, auf dem Boden liegen im Kreis angeordnet sieben Isomatten. An den Enden stehen die angehenden Lehrerinnen. Sie haben ihre Augen geschlossen, während sie langsam und bewusst ein- und wieder ausatmen, die Arme hängen ganz entspannt seitlich am Körper herunter. Der Einstieg in einen ganz "gewöhnlichen" Entspannungskurs? Nein – das hier ist ein Uni-Seminar.

Franziska Trefzer studiert Grundschullehramt im dritten Semester an der Uni Erlangen-Nürnberg; sie erklärt: "Das hier ist etwas ganz anderes als die üblichen Kurse. Wir lernen Techniken, um in stressigen Phasen zur Ruhe zu kommen – egal ob während des Studiums, im Referendariat oder im späteren Lehrerberuf." Die Uni bietet erstmals das zweisemestrige Projekt "Gesundheit und Erziehung" an, das aus dem Innovationsfonds Lehre gefördert wird.

Übungen für Herz und Geist

Werner Haußmann, einer der Initiatoren, weiß, dass sich sowohl Lehramtsstudenten als auch Referendare oft gestresst fühlen und mit Burnout zu kämpfen haben: "Ihnen wollen
wir mit Hilfe der angebotenen Kurse etwas an die Hand, ins Herz und in den Geist geben, das sie sowohl in
der Theorie als auch vor allem in der Praxis stärkt."

Solche Angebote werden dringend gebraucht, wie auch die Ergebnisse einer Studie der Goethe-Universität Frankfurt zeigen: 60 Prozent der Lehrer, die unter Burnout leiden, haben sich schon während des Studiums den Anforderungen nicht gewachsen gefühlt. Auch die Untersuchung "Burnout risk among first-year teacher students: The roles of personality and motivation" bestätigen, dass Lehramtsstudierende sich zunehmend überfordert fühlen und für sie ein erhöhtes Burnout-Risiko besteht. "Gerade die Prüfungen zu Beginn des Studiums sind echt hart, da brechen bereits die ersten Studierenden ab", erzählt Sophie Labes, die Grundschullehramt studiert und im fünften Semester ist. Johanna Förster, im dritten Semester, möchte sich durch die Kurse selbst daran erinnern, dass "nicht nur die Leistung wichtig ist". Sie will "mehr über Resilienz im Alltag erfahren und so jetzt, im Referendariat und auch im späteren Lehrerberuf, eine gesunde ,Work-Life-Balance‘ erreichen".

Ziel des Projekts ist, die Achtsamkeit der Teilnehmer gegenüber sich selbst und ihrem Umfeld zu steigern. Angeboten werden Meditations- und Entspannungstechniken, Kurse zur Gesundheitspsychologie und Stressbewältigung sowie Seminare zur Selbstwahrnehmung und -reflexion. "Es ist wichtig, dass man schon als Lehramtsstudierender den richtigen Umgang mit sich und den jeweiligen Anforderungen übt", sagt Werner Haußmann. "Vor dem Referendariat einen zweitägigen Schnellkurs im Entspannungsyoga zu besuchen, wird nicht funktionieren." Vielmehr soll mit der "Haltungsbildung und Resilienzförderung noch während des Studiums begonnen werden."

Junge Menschen müssen erst lernen runterzufahren

Gerda Fürstenhöfer bietet in diesem Semester den Entspannungskurs an. Der ausgebildeten Qigong-Lehrerin fällt auf, dass "gerade junge Menschen sich nicht so leicht auf diese Art der Entspannung einlassen können". Es sei wichtig, dass jeder "seine eigene Methode findet, um runterzufahren".

Solche Angebote seien nicht selbstverständlich, weiß Sophie Labes aus eigener Erfahrung: "Viele Studierende, die mit mir im Wohnheim wohnen, hätten das auch gerne." Auch im Vergleich mit anderen Universitäten in der Region hat Erlangen-Nürnberg eine Vorreiterrolle inne. Martin Schuster ist Referendar im zweiten Jahr an einer Berufsschule. Während seines Lehramtsstudiums in Bamberg hat er einen fünf- oder sechsstündigen Kurs zum Thema Lehrergesundheit absolviert. "Intensiv haben wir da nichts an die Hand bekommen und genau da fehlt es jetzt", sagt er.

In Nürnberg machen derzeit rund 40 Studenten bei dem Angebot mit. Haußmann ist zufrieden: "Dafür, dass erst zwei Wochen vor Semesterbeginn bekanntwurde, dass das Projekt stattfindet, finde ich die Nachfrage ziemlich gut." Den Förderzuschlag hat das Team erst zum Ende des Sommersemesters bekommen. "In der knappen Zeit die Veranstaltungen und die
passenden Lehrenden zu organisieren, war eine Herausforderung", sagt Haußmann. Schon jetzt, noch während des laufenden Pilotprojekts,
sind er und seine Kollegen auf der Suche nach Sponsoren, die es "durch ihre finanzielle Unterstützung ermöglichen sollen, das Projekt auch in Zukunft und vor allem neben Nürnberg auch in Erlangen anzubieten".

Keine Kommentare