Guido Maria Kretschmer – und Busen, die bis zur Taille hängen

21.7.2016, 18:14 Uhr
Guido Maria Kretschmer – und Busen, die bis zur Taille hängen

© Foto: Michael Matejka

Das Buch soll Frauen träumen und schmunzeln lassen. Eins macht es aber auf jeden Fall: Es lässt Männer verzweifelt aufstöhnen. Ein leises „Guido Mar . . . “– mehr braucht es nicht, um die Frauenwelt Deutschlands kollektiv in Ekstase zu versetzen: Feuchte Augen und ein verliebtes „Ohh“ sind die Folge.

Und dabei handelt es sich nicht etwa um ein Teenie-Idol, sondern tatsächlich um einen fast moppeligen, nicht gerade maskulinen Mode-Designer. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, wieso Frauen einen Modeguru verehren, der nichts Besseres zu tun hat, als seine Kandidatinnen in der Fernsehsendung „Shopping Queen“ mit spöttischen Kommentaren zu kränken – und das auch noch in ekelhafter Dieter-Bohlen-Manier.

Denn Sprüche wie: „Die hat nun auch nicht an der Vogue geleckt“ oder „Die sieht auch ein bisschen aus, wie ein Walross, das gestrandet ist“ sind beim VOX-Format Tagesgeschäft.

Darf man seinen Fans glauben, ist es das, was ihn so charmant macht. Als männlicher Leser fühlt man sich da eher, wie ein Zuschauer in einem Entführungs-Drama, in dem das Opfer das Stockholm-Syndrom entwickelt und beginnt, mit seinem Entführer zu sympathisieren.

Das Buch entpuppt sich schnell als Mischung aus Mode-Ratgeber – natürlich ausschließlich für Frauen – und willkürlich aneinandergereihten Anekdoten aus dem Leben des Modezaren. Der Designer stellt verschiedene Kleidungsstücke vor. Von Leggings bis Lagenlook ist fast alles vertreten. Zu jedem Teil gibt es eine Empfehlung, wer’s tragen kann, und wer lieber die Finger davon lassen sollte.

Dafür erfindet der Designer eigene Frauenkategorien – die man nur richtig versteht, wenn man sein erstes Buch „Anziehungskraft“ kennt, in dem er die erstmals zum Besten gibt. Denn die Kugelfische, Alles-Oben-Frauen oder kleinen Elfen erklärt er im aktuellen Buch nicht mehr, seine Fans sollten damit vertraut sein.

Wirklich auf den Punkt bringt er seine Ratschläge nie: „Erdmädchen und alle Mädels mit extrem kräftigen Oberschenkeln sind nicht die optimalen Partner für Hosenanzüge und sollten darauf achten, dass sie unten nicht zu massiv wirken.“ Heißt das jetzt, ein Buddha-Girl darf keinen Hosenanzug tragen? Oder muss sie nur einen bestimmten Schnitt beachten?

Unklar. Selbstredend kennt der Designer zu jedem Fetzen auch eine passende, hoch emotionale Kurzgeschichte. So haut er gleich im ersten Kapitel verbal ordentlich auf eine Kundin ein, die nicht nach seiner Pfeife tanzen will: „Püppi war sicher 185 cm groß und mit einem extrem flachen Po, aber einer nicht zu unterschätzenden Brust ausgestattet. Die Oberweite hatte immer freie Fahrt gehabt, da Püppi nie einen BH trug. Wenn ein gewaltiger Busen einfach hängen darf, dann hängt er, in Püppis Fall bis fast unter die Taille.“

Schmeichelhaft geht anders. Die nächsten Kapitel werden nicht besser: Es folgen abstruse, angeblich wahre Geschichten von krebskranken Mädchen, einem steckengebliebenen Aufzug und einer spirituellen Selbstfindung in Indien.

Säuselnde Ergüsse

Eine Portion Gender-Wahnsinn gibt es obendrauf bei der Beschreibung eines Kunden: „Er hatte drei Kinder und eine Frau, die er sehr liebte, genauso wie schwingende Kleider und Leggings, scherzte er einmal. Er wollte keine Perücke, keinen roten Lippenstift, er war ein Mann mit dem Wunsch, durch unseren Laden zu stöckeln, und wollte Normalität. Nichts weiter, außer selbstverständlich weibliche Mode tragen zu dürfen.“

Bei Kretschmers säuselnden Ergüssen hat man beim Lesens das Gefühl, an einem Tropf mit pappsüßer Limonade zu hängen und gleichzeitig mit Zuckerwatte vollgestopft zu werden. Genau das ist es wohl, was die Frauen an ihm so lieben: seine blumige Art, Dinge nicht auf den Punkt zu bringen.

Mit Tränen, Tragik und aufgesetzten Emotionen lockt er seine weiblichen Opfer in die Kauffalle. Die wenigsten Damen werden wirklich Freude mit dem Buch haben. Dazu sind die Geschichten zu beliebig und die Tipps schlicht unnütz. Dieser Griff ins Kleider- äh, Bücherregal ist dann doch eher ein Griff ins Klo.

 

Guido Maria Kretschmer: Eine Bluse macht noch keinen Sommer; Edel Books, 978-3-8419-0326-6, 17,95 Euro

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