Ich liebe mein Land – aber dort herrscht Krieg

21.8.2016, 17:56 Uhr
Ich liebe mein Land – aber dort herrscht Krieg

Diese Sprache. Immer wieder diese verflixte, schwere, unbekannte Sprache. Damit hadern sie alle am meisten, die Jungs und Mädels der Übergangsklasse 8/9Üa. Und obwohl sie erst seit wenigen Wochen oder Monaten in Deutschland sind, finden sie trotzdem Worte. Für ihre Gedanken, Ideen, Hoffnungen und Fragen.

"Der erste Monat war ein bisschen hart in Deutschland. Für mich war die Sprache schwer, weil sie so anders ist. Aber mir gefällt die Sprache, sie klingt schön und die Menschen gefallen mir. Trotzdem: Warum haben alle eine andere Sprache? Warum sprechen wir nicht eine Sprache?" Diese Fragen lassen Albiona nicht mehr los. Seit kurzem sind sie in dem Buch "Forschungsreise" verewigt – ein Buch, das Albiona selbst gar nicht mehr in den Händen hielt. Denn sie stammt aus dem Kosovo und wurde inzwischen abgeschoben.

Ich liebe mein Land – aber dort herrscht Krieg

© Edgar Pfrogner

Das ist Alltag in den Übergangsklassen: Immer wieder kommen neue Schüler hinzu, immer wieder gehen welche. Aber für alle geht es darum, sich mit der deutschen Sprache anzufreunden. "Deshalb beginnen wir mit biografischer Arbeit", erzählt Lehrerin Carolin Buinevicius. "Wir entwickeln Ich-Fragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Warum bin ich hier?"

Die ersten Sätze und Texte, die die Flüchtlinge und Migranten schreiben, drehen sich genau darum. Mit oft erstaunlichem Ergebnis: "Die Texte sind so toll; ich habe beim Lesen manchmal geweint", gesteht die Lehrerin. Deshalb fasste sie den Entschluss, diese Texte zu veröffentlichen. So entstand im Frühjahr das Buch "Forschungsreise".

Dank der Hilfe von Sponsoren wurden 750 Exemplare davon gedruckt. Ein Teil davon ging kostenlos an Nürnberger Schulen, damit Gleichaltrige sich mit den kurzen Texten und Gedichten der Migranten beschäftigen. Auch in der Nürnberger Stadtbibliothek ist das Buch zu haben – wo die jungen Autoren es sogar in einer eigenen Lesung vorgestellt haben.

Viel Mut hat das die Jungs und Mädchen gekostet. Aber es hat sich mehr als gelohnt. "Das Buch hat mich ganz anders gemacht", erzählt zum Beispiel Raji, 15, aus Italien. "Meine Verwandten haben immer nur negativ über mich gesprochen. Aber jetzt haben auch sie gemerkt: Ich kann das schaffen."

Und Kenda, 15, aus Syrien erzählt, dass sie sich besser fühlt, wenn sie ihre Gedanken aufschreibt – und sie mit anderen teilt. Denn alle in der Übergangsklasse haben ähnliche Wünsche, Sehnsüchte und Ängste. Deshalb sagt Kenda: "Es war gut zu sehen, dass ich nicht das traurigste Mädchen auf der Welt bin."

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