Keine Gnade mit den Unterrichtsstörern

26.1.2015, 10:00 Uhr
Keine Gnade mit den Unterrichtsstörern

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Vor einem Gericht zu stehen, ist nicht gerade erfreulich. Richtig unangenehm wird es für den Angeklagten aber erst, wenn es sich bei den Richtern um die eigenen Mitschüler handelt. Das kann Jugendlichen an der Mittelschule Kiderlinstraße in Fürth durchaus passieren.

Fragt man Kevin Schmidt, der dort in die 10. Klasse des M-Zweigs geht, nach seinem kuriosesten Fall, hat er sofort eine Antwort parat: die fliegende Gabel.

Ein Schüler hatte zuerst einen Lehrer beleidigt, später schmiss er dann eine Gabel in der Klasse herum. Dafür kam er vor den Kiderlin-Court.

Das Gericht setzt sich aus drei bis vier Schülerschöffen und mehreren Lehrern zusammen. Sie entscheiden, welche Strafe der Schüler für sein Verhalten bekommt oder ob er gar die Schule verlassen muss, was bisher nur einmal der Fall war. „Da waren wir uns alle einig“, sagt Kevin.

Aber nicht jeder Querulant landet gleich vor den Schülerschöffen. Denn vor Gericht landen nur die harten Fälle: die Schüler, die mehrmals keine Einsicht gezeigt haben.

Was gelernt?

Beim ersten schlechten Benehmen wird der Jugendliche in den Trainingsraum geschickt. Dort muss er sich selbst die Fragen stellen, warum er sich so verhalten hat und wie er sich ändern kann. Seine Antworten gibt er – ordentlich aufgeschrieben – bei Ingrid Wenk ab. Sie ist Jugendarbeiterin in der Kiderlin-Schule und zuständig für das Schulgericht.

Hat der Störenfried daraus nichts gelernt, so landet er bei seinem nächsten Vergehen erneut im Trainingsraum und muss sich wieder dieselben Fragen stellen. Auch seine Eltern werden diesmal informiert. Denn sollte er sich noch einmal daneben benehmen, steht der Schüler sofort vor dem Schulgericht.

Das Gericht ist auch nötig, meint Kevin, der seit vergangenem Jahr dabei ist und in diesem Schuljahr schon die nächste Generation der Schülerschöffen ausgebildet hat. „Ich war ja früher selbst schon im Trainingsraum. Bei vielen Schülern ging das dann nach dem Prinzip Zettel ausfüllen und wieder gehen. Das hat keinen Erfolg gezeigt.“ Durch den Kiderlin-Court überlegten es sich die meisten schon zweimal, ob sie sich im Unterricht nicht doch besser benehmen sollten.

Charles Chidubem ist seit diesem Jahr als Schöffe dabei. Er sieht einen großen Vorteil darin, dass auch Schüler als Richter beteiligt sind: „Wir wissen viel besser, was in den Köpfen der Jugendlichen vorgeht. Lehrer können das oft gar nicht so nachvollziehen.“ Für den einen oder anderen Schöffen ist seine Arbeit beim Schulgericht sogar eine Vorbereitung auf das spätere Berufsleben.

„Ich will nach meinem Quali gerne zur Polizei“, sagt Jasmin Bitek. Den Berufswunsch habe sie schon vorher gehabt; als dann in den Klassen nach Schöffen gesucht wurde, war sie sofort dabei. In der Ausbildung zur Schöffin lernte sie mit den anderen, wie sie die Fälle angeht.

Zehntklässler Kevin Schmidt zeigte ihr anhand eines Eisbergs die Schwierigkeit der Konfliktlösung: „Der Eisberg steht für das falsche Verhalten. Von ihm ist aber nur die oberste Spitze zu sehen.“

Hart bleiben

Das heißt: Der Grund für das falsche Verhalten liegt vielleicht viel tiefer. Wenn ein Schüler immer wieder seine Hausaufgaben vergisst, dann müsse man sich fragen: Hat der Schüler vielleicht gar keinen Schreibtisch zu Hause, an dem er sie machen kann? Hat er vielleicht andere Probleme, die größer sind als eine vergessene Hausaufgabe?

In der Ausbildung lernen die Kiderlin-Schüler aber auch, hart zu bleiben, selbst wenn ein Freund vor ihnen steht. „Mich hat einer einmal angebettelt, dass ich nicht so streng sein soll. Aber da kann ich nichts machen. Er ist ja selbst schuld an seinem Verhalten“, sagt der Schöffe Cüneyt Celik.

Kevin fügt noch hinzu: „Es war aber noch nie so, dass wir von einem Mitschüler eingeschüchtert wurden. Eher haben die anderen Respekt und auch ein bisschen Angst vor uns.“ Die Härte der Schüler gegenüber Unterrichtsstörern macht sich auch darin bemerkbar, dass bis jetzt niemand zweimal vor dem Gericht stand.

Der Erfolg des Kiderlin-Courts zeigt sich aber auch noch auf andere Weise. In diesem Schuljahr warten die Schöffen nämlich noch auf ihren ersten Fall. Voriges Jahr waren es insgesamt sechs Fälle. Ingrid Wenk meint dazu lachend: „Eigentlich ist es schon fast ein bisschen langweilig.“

Verwandte Themen


Keine Kommentare