Kulturschock Nürnberg oder: Ein Dorfkind in der Großstadt

9.3.2017, 16:11 Uhr
Helke (18, rechts) stammt aus dem hohen Norden Deutschlands und ist zum Studieren in die Metropolregion gekommen. In Nürnberg wohnt sie zusammen mit zwei anderen Studienanfängerinnen in einer WG.

© privat Helke (18, rechts) stammt aus dem hohen Norden Deutschlands und ist zum Studieren in die Metropolregion gekommen. In Nürnberg wohnt sie zusammen mit zwei anderen Studienanfängerinnen in einer WG.

Inzwischen habe ich mir eine Standardantwort angewöhnt: "Gut, ich habe mich dort schnell eingelebt." Das stimmt, denn inzwischen ist all das, was mir am Anfang noch komisch vorkam, normal geworden.

Als ich umzog, erwartete mich ein doppelter Kulturschock: zum einen vom Dorf in die Großstadt, zum anderen von der norddeutschen Küste in den Süden nach Franken. Das stundenlange Warten auf einen Bus, der zumindest ins Nachbardorf fährt, ist vorbei, alle paar Minuten fährt ja eine U-Bahn. Der Weg in meine Wohnung ist zwar auch nicht mehr so weit, dafür habe ich noch vier Stockwerke hochzulaufen.

Und die Sprache hier ist so komisch! Wenn ich ein Geschäft betrete und freundlich mit "Moin!" grüße, werde ich schief angeschaut. Und wenn ich beim Bäcker einen Berliner kaufen möchte, fragt mich die Verkäuferin freundlich, ob ich einen Krapfen meine.

Sieben Stunden Zugfahrt

Außerdem ist es natürlich erstmal ein komisches Gefühl, alleine so weit weg von zuhause zu sein. Rund 700 Kilometer trennen mich von Familie und Freunden, aber dank WhatsApp, Skype und Facebook sind solche Entfernungen kein großes Problem. Wenn ich allerdings mal für ein Wochenende nach Hause in den Norden möchte, liegen auch ohne Verspätung etwa sieben Stunden Zugfahrt vor mir.

Trotzdem ist es mir recht schnell gelungen, mich in Nürnberg einzuleben. Meine Wohnung teile ich mir mit zwei anderen Studentinnen, die ebenfalls neu in Nürnberg sind. Gemeinsame Fernsehabende und Donuts-Essen sorgten recht schnell für eine entspannte WG-Atmosphäre.

In der Uni knüpft man natürlich auch schnell Kontakte. Aber da ich Theater- und Medienwissenschaft sowie Germanistik in Erlangen studiere, wohnen die meisten meiner Kommilitonen nicht in Nürnberg. Dafür lernt man beim Sport, wie zum Beispiel Badminton, auch schnell Leute kennen, mit denen man sich treffen kann. Auch sonstige Aktivitäten wie Praktika oder Nebenjobs sind in Nürnberg zu finden.

Wenn man wie ich aus einem kleinen Dorf kommt, ist man von den Möglichkeiten der Großstadt überwältigt. Natürlich schaut man sich zuerst die Sehenswürdigkeiten und Touristenattraktionen an, da kommt man ohnehin nicht drum rum. Aber auch, nachdem man sich die Lorenzkirche angesehen hat und einmal zur Kaiserburg hochgelaufen ist, verliert die Stadt nicht ihren Charme.

Ich gehe gerne in der Altstadt bummeln, um aus dem Unitrott rauszukommen. Dass Nürnberg das größte Multiplexkino Deutschlands hat, wusste ich bis zur Vorpremiere von "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" auch nicht.

Bars und Theater

Trotzdem gehe ich noch immer lieber ins Theater, aber auch da gibt es unzählige Möglichkeiten. So verging das erste halbe Jahr in vollkommener Faszination, die kaum Zeit ließ, um über so etwas wie Heimweh überhaupt nachzudenken.

Da, wo ich herkomme, gibt es nicht viel Auswahl, was man als Jugendlicher machen kann. Bars gibt es in unserer Kleinstadt keine, und die nächste Disco ist kilometerweit entfernt. In dem einen Kino, das es gibt, laufen die neuen Filme mit mindestens dreiwöchiger Verspätung an.

Dafür haben wir das Meer fast vor der Haustür. Wenn ich jetzt dort bin, ist es komisch, sich nicht einfach mit Freunden treffen zu können – erstmal müssen wir gucken, ob einer von uns gerade ein Auto zur Verfügung hat.

Wenn wir mit unserer alten Clique einen Ausflug nach Hamburg machen, freuen sich die anderen über die Shoppingmöglichkeiten und das Großstadtflair. Aber für mich ist das schon nichts Besonderes mehr.

Wenn ich am Anfang des Semesters bei meinen Eltern war, erzählte ich noch: "Sonntag fahre ich wieder nach Nürnberg." Inzwischen sage ich schon ganz unbewusst: "Nächsten Sonntag geht es für mich wieder nach Hause." Genau diesen Tapetenwechsel werde ich die nächsten Jahre auch genießen. Das Einzige, was ich in Nürnberg wirklich vermisse, ist der Strand.

 

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