Künstliche Organe statt Tierversuche

3.3.2015, 21:32 Uhr
Eine Ratte im Labor der Uni Erlangen-Nürnberg.

Eine Ratte im Labor der Uni Erlangen-Nürnberg.

NZ: Frau Schäfer-Korting, es gibt Tierversuche in der Medizin, in der Lebensmittel- und in der Kosmetikindustrie – welche ließen sich vermeiden?

Monika Schäfer-Korting: Ich arbeite an rekonstruierten menschlichen Organen und zwar vor allem an Hautmodellen. Auf die Kosmetikindustrie ist der Druck am größten, keine Tiere mehr für Tests einzusetzen, deswegen ist die Forschung auf diesem Gebiet am weitesten fortgeschritten. Die Erkenntnisse, die dadurch gewonnen werden, können aber auch übertragen werden, denn nicht nur die gesunde Haut, die die Kosmetikindustrie gerne hat, ist interessant, sondern auch die kranke Haut wie bei Neurodermitis oder Hauttumoren.

NZ: Welchen Vorteil hat die Haut aus dem Labor gegenüber Tiertests?

Schäfer-Korting: Mit Hilfe des kranken Organs können wir testen, wie Arzneimittel wirken und wie es ist, wenn eine Person besonders empfindlich auf schädliche Substanzen reagiert. Das geht im Modell wesentlich besser als im Tierversuch, denn die Haut des Menschen unterscheidet sich fundamental von der Haut der Maus beispielsweise. Mäuse haben nur zwei Zellschichten und wir haben ganz viele. Das Schwein ist dem Menschen zwar ähnlicher, aber Krankheiten lassen sich mit ihm trotzdem wesentlich schlechter nachstellen als mit unserer Modellhaut. Wir können die erwünschte Wirkung und die unerwünschten Nebenwirkungen von Arzneistoffen testen und schneller auf den Menschen übertragen.

NZ: Wie viele Tierversuche könnte die Methode ersetzen?

Monika Schäfer-Korting

Monika Schäfer-Korting

Schäfer-Korting: Forschung braucht Zeit, aber ich bin davon überzeugt, dass unsere Method in zehn bis 20 Jahren sogar in der Grundlagenforschung angewandt werden können. Dann haben wir tatsächlich die Möglichkeit, Tierversuche in großem Maßstab zu ersetzen, denn 46 Prozent des Tierverbrauchs in der Europäischen Union sind der Grundlagenforschung zuzuschreiben, elf Prozent der Pharmaforschung und acht Prozent der Toxikologie.

NZ: 2006 endete ein Medikamententest an Probanden in Großbritannien beinahe tödlich. Was war da passiert?

Schäfer-Korting: Bei diesem Vorfall hat sich gezeigt, wie sehr sich Mensch und Tier unterscheiden. Der Antikörper war in Würzburg entwickelt worden und zuvor an allen Spezies bis hin zum Affen getestet worden – jedes Mal schaltete er wie beabsichtigt das Immunsystem aus. Dann haben sie ihn in London das erste Mal sechs Menschen gegeben und es gab fast Todesfälle. Die Probanden haben überlebt, aber mit Folgeschäden. Es war grauenvoll. Daran sieht man, wie verschieden die Immunreaktion ist. Man erkennt immer mehr Schalter, die in verschiedene Richtungen schalten. Deswegen brauche ich für Tests die humane Zelle in ihrem Zellverband, dann kann ich besser sein.

NZ: Sie leiten in Berlin das weltweit erste Graduiertenkolleg zu dem Thema. Woran arbeiten die Doktoranden?

Schäfer-Korting: Das Ziel ist es, die zehn bis zwölf wichtigsten Organe im Labor zu verbinden, um sozusagen die Zellstruktur eines Mini-Menschen nachzubauen. Daran ließe sich beispielsweise sehen, wie Leber und Lunge reagieren, wenn ein Stoff die Niere schädigt. Gerade sind wir bei einem Zweierverbund, mit jeweils zwei Millimeter großen Organen.

NZ: Tierschützer wollen Versuche an Tieren ganz verbieten. Was würden Sie ihnen entgegnen?

Schäfer-Korting: Menschen lieben ihre Haustiere und auch die Zahl der Vegetarier und Veganer nimmt immer mehr zu. Trotzdem finde ich, dass das höchste Schutzgut der Mensch ist und man niemanden gefährden darf, wenn neue Medikamente oder Pflanzenschutzmittel auf den Markt kommen.

Monika Schäfer-Korting spricht am kommenden Dienstag, 10. März, um 16.15 Uhr am Institut für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, in der Wasserturmstr. 3/5 in Erlangen.

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