Lesen und lesen lassen

7.11.2016, 15:42 Uhr
Lesen und lesen lassen

© Fotos: Eduard Weigert

Lesen ist ja so altmodisch. Heutzutage sind Jugendliche doch nur noch im Internet, hocken vor Konsolen oder jagen Pokémon. Denkste! Einen 500-Seiten-Wälzer hat sich Anouk vorgenommen, und das liegt nicht nur daran, dass sie heute während der Schulzeit lesen darf: „Ich lese öfters so dicke Bücher.“

Deshalb findet die 15-Jährige das Lesefest „natürlich besser als Schule“. Noch dazu hat sie es sehr bequem in ihrer Hängematte. Auf Stühlen, Sofas und in selbst gebauten Kuschelecken lesen bunt gemischt von der 5. bis zur 10. Klasse die anderen Schüler, die im Workshop „Leseratten ahoi!“ dabei sind. Im Hintergrund läuft leise Musik aus dem CD-Player. Anouk fasst es so zusammen: „Schöne Musik, gute Freunde und ein spannendes Buch.“ Ja, so macht Schule Spaß.

Einige Zimmer weiter geht es nicht so ruhig zu. Hier wird gerappt. Elias (10), Elias (12) und Roman (10) haben ein Gedichtebuch als Vorlage genommen, die Texte selbst abgeändert und angepasst und dann auf einen HipHop Beat aufgenommen.

Ziemlich cool klingt das, genauso wie der zweite Song der Truppe, der an einen Song der HipHop-Gruppe „Beginner“ angelehnt ist. Nur das Erik (12) nicht rappt „ . . . wir packen Hamburg auf die Karte“, sondern natürlich „ . . . wir packen Nürnberg auf die Karte“. Repräsentieren kann er also schon. Zwar liest er gerne, aber nicht so oft. Eriks Hobbys sind Rappen, Singen oder Minecraft zocken.

Alternative Handlung

Dass Schüler, die sonst eher keine Lust auf Lesen haben, in die Welt der Sprache eintauchen, darum geht es Schulleiterin Ruth Johnke. Deshalb durften die Jugendlichen auch mitreden. Der Rap-Workshop sei zum Beispiel deren Idee gewesen.

Es soll für jeden etwas dabei sein, deshalb gibt es insgesamt 36 verschiedene Möglichkeiten, sich ans Thema Lesen anzunähern. Kreativität und handwerkliches Geschick erfordert „Ich gestalte mein Lieblingsbuch neu“, wo von neuem Cover, Bildern zum Text oder sogar alternativer Handlung alles geht, was Spaß macht. Andere Gruppen lesen im benachbarten Altenheim vor, entwerfen einen Stempel für die Schulbibliothek, stellen Papier her oder zeichnen ihren eigenen Comic.

Lesen und lesen lassen

Beim Kalligraphie-Workshop sind dagegen Kunstfertigkeit und Sorgfalt gefragt. Emily ist unzufrieden. Die 13-Jährige hat mit ihren Mitschülern eine besondere Schrift gelernt, in der sie das Käthe-Kollwitz-Zitat „Ich will wirken in dieser Zeit“ zu Papier gebracht haben. Aber Emily fehlt eine zündende Idee für eine Randverzierung.

Leonie (14) hat damit kein Problem. Sie malt schon fleißig an ihrem Rand, der in Form von Dreiecken und Vierecken das Zitat schmückt. Dieses soll „den Leuten Hoffnung und Mut geben“, erklärt Leonie – die Lehrerin hat ein bisschen was erzählt zu Käthe Kollwitz. Wenn alles fertig ist, werden die Kalligraphien aufgehängt, an einer Galerie im Schulflur, wo jeder die Kunstwerke bewundern kann.

Auf Wolke sieben

Zurück bei den Leseratten, die den lieben langen Tag nichts tun als Lesen: Tanja und Paula (beide 14) liegen auf der „Wolke“, zwei große Kissen, die auf einem Tisch am Fenster liegen. Wirklich eine tolle Aussicht! Und noch bequemer als die Hängematte, findet Tanja: „Auf Dauer hat mir da der Rücken wehgetan.“

Sie liest „Die Päpstin“. „Ich habe zuerst den Film gesehen, aber Bücher sollen ja immer besser sein als die Filme“, sagt sie. Stimmt’s auch bei der Päpstin? „Bisher schon, aber ich bin noch nicht so weit.“ Macht nichts, Tanja hat ja noch Zeit.

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