Lisa schießt sich in die Nationalmannschaft

7.12.2016, 09:00 Uhr
Lisa schießt sich in die Nationalmannschaft

© Andreas Goldmann

Lisa ist 1,56 Meter groß, ihr Recurve-Bogen misst 1,60 Meter. Und trotzdem hat die 17-Jährige ihr Sportgerät voll unter Kontrolle. Wenn sie den Bogen hochhebt, den Pfeil einlegt und die Sehne zum Schuss spannt, ist in Lisas Körper nicht die kleinste Bewegung zu sehen. Kein Wackeln, kein Zucken, nichts.

Und das ist auch gut so. „Jeder Schuss sollte möglichst gleich sein, bis hin zur Auszugslänge der Sehne“, erklärt Lisa. Schon ein kleines Zucken mit dem Arm kann dem Pfeil einen Drall mitgeben – und schon landet er nicht mehr im anvisierten Ziel. Erst recht, seit Lisa im Herbst 17 wurde und in die nächste Wettkampfklasse gerutscht ist. Seither schießt sie im Freien auf einer Distanz von 70 Metern, vorher waren es 60.

Papa ist der Trainer

„Jetzt muss ich noch genauer schießen, denn jeder kleine Fehler wirkt sich noch stärker aus.“ Deshalb hat ihr Papa, der gleichzeitig ihr Trainer ist, immer ein genaues Auge auf Lisa. „Er sieht auch Fehler im Millimeter-Bereich, die ich gar nicht bemerke.“

Zum Bogenschießen sind die beiden aus purem Zufall gekommen. Lisa lacht, wenn sie die Geschichte erzählt. Mal wieder. „Ich war mit meinem Papa auf einem Trödelmarkt. Dort hatte jemand lauter Sportsachen angeboten, unter anderem einen Bogen. Wir kamen mit ihm ins Gespräch und er lud uns zu einem Probetraining ein.“

Damals war Lisa sieben. Die ersten Stunden – bei denen sie im Wald auf Kunststofftiere schoss – machten so viel Spaß, dass sie hängenblieb. Ihr Papa auch. Der machte irgendwann die Trainerausbildung. Und Lisa gab ihr zweites Hobby, Handball, für das Bogenschießen auf.

Inzwischen ist fast die ganze Familie in dem Sport aktiv. Lisas Schwester hat ihn ausprobiert, ihr Bruder trainiert mit ihr bei der KPSG Zirndorf. Nur die Mama steht nicht mit auf dem Bogenplatz. „Dafür ist sie meine Motivationstrainerin“, sagt Lisa. „Sie baut mich nach Misserfolgen daheim auf.“

Beim Wettkampf selbst mag Lisa niemanden dabei haben. Das stört sie nur. Immerhin dauert ein normaler Wettkampf-Tag von 8 bis 19 Uhr, ein Ranglisten-Turnier geht über zwei Tage. In der Vorrunde gilt es für die Teilnehmer, mit 72 Pfeilen möglichst viele Punkte zu erzielen; danach treten jeweils zwei Schützinnen im K.o.-Modus gegeneinander an. „Da ist Konzentration enorm wichtig“, sagt Lisa. „Und Ausdauer, damit man die langen Matches übersteht.“

Aus der Ruhe bringt Lisa also so schnell nichts. Es sei denn, es ist EM. „Das Team-Finale wurde im Live-Stream übertragen. Da weißt du: Jetzt gucken alle zu, auch daheim. Da war ich krass aufgeregt“, erzählt Lisa. Und trotzdem: Mit ihren Mitstreiterinnen holte sie Silber und schoss dabei deutschen Rekord. Im Einzelwettkampf schied sie nur knapp gegen die spätere Europameisterin aus.

Lernen im Zug

Für diesen Erfolg tut Lisa viel. Vier- bis fünfmal pro Woche geht sie auf den Bogenplatz bzw. jetzt im Winter in die Halle. Seit zwei Jahren gehört sie zum Nationalkader; meist schießt sie nun zwischen 400 und 600 Pfeilen pro Woche, so sind die Trainingsvorgaben. Auch die Wochenenden sind mit Sport gefüllt: Wettkämpfe, Trainingslager, Arbeitsdienst auf dem Bogenplatz. Als Nächstes möchte sie die WM 2017 in Argentinien erreichen, sagt Lisa – und fügt dann schmunzelnd an: „Das Höchste für jeden Bogenschützen ist natürlich Olympia.“

Wann kümmert sich die Elftklässlerin vom Bonhoeffer-Gymnasium in Oberasbach eigentlich um die Schule? „Wenn ich unterwegs bin, lasse ich mir die Schulsachen aufs Handy schicken“, erzählt Lisa. „Ich lerne auf Zugfahrten oder abends vorm Schlafen.“ Gestresst klingt sie dabei gar nicht. Aber auch unter Druck einen kühlen Kopf zu bewahren, das kennt sie ja vom Sport.
 

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