Medizinstudium – wie sich die Zeiten ändern

29.5.2015, 10:00 Uhr
Medizinstudium – wie sich die Zeiten ändern

© Foto: Michael Matejka

Paracelsus Medizinische Universität (PMU) in Salzburg – der Laden ist klein, aber fein. Nur 50 Auserwählte jährlich können sich für knapp 14 000 Euro Studiengebühr im Jahr an Europas zweiter privaten Medizin-Uni (nach Witten-Herdecke) zu Ärzten ausbilden lassen.

Namensgeber ist Paracelsus (1493 bis 1541), ein Pionier der modernen Heilkunde. Vorbild und Partner-Universität der PMU ist die renommierte Mayo Medical School in Minnesota/ USA. Und als Kredit-Bürge wie als Forschungsfinanzier fungiert Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz.

Seit vorigem Jahr hat die PMU einen zweiten Standort, und zwar in Nürnberg, genauer gesagt: am Städtischen Klinikum. Dort haben im Herbst 2014 die ersten 50 Kandidaten ihr privates Medizin-Studium begonnen, nach denselben Regeln wie in Salzburg.

„Das Studium bei uns unterscheidet sich in einigen Punkten vom Medizinstudium an vielen öffentlichen Universitäten“, erläutert Prof. Wolfgang Söllner, der für den Standort Nürnberg zuständige Vizerektor der PMU. „Zum Beispiel lehren wir neben dem international vorgegebenen Stoff auch zahlreiche Inhalte, die in eine traditionelle Medizinerausbildung bisher kaum Eingang gefunden haben“ – wie etwa Gesundheitsökonomie, Aging und Geriatrie sowie kommunikative und soziale Kompetenzen.

Examen wie in den USA

„Bereits am Ende des ersten Jahres lernen die Studierenden, Gespräche mit Patienten zu führen. Dieser Kontakt nimmt im Verlauf des Studiums stetig zu“, erläutert Söllner das sogenannte Bedside Teaching.

Als Abschlussprüfung absolvieren die angehenden Mediziner die United States Medical Licensing Examination (USMLE). Der PMU-Unterricht selbst findet überwiegend in Kleingruppen statt. Das Lernen ist „nicht vertikal, sondern horizontal organisiert“, sagt Söllner. Semesterferien im üblichen Sinne gibt es an der PMU nicht, das Studium ist deshalb auf fünf intensive Studienjahre komprimiert.

Den größten Teil der naturwissenschaftlichen Grundausbildung in Fächern wie Physik, Biochemie und Genetik tragen Professoren und Lehrbeauftragte der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg. Die Lehre in den klinischen Fächern wie Innere Medizin und Chirurgie importiert die PMU direkt vom Städtischen Klinikum. Viele Chefärzte sind daher gleichzeitig Lehrstuhlinhaber der PMU. Die verbliebene Lücke in Form der nichtklinischen medizinischen Fächer – die weder TH noch Klinkum ausfüllen können – schließt die PMU in Nürnberg selbst. Die dazu nötigen Einrichtungen werden gerade aufgebaut – parallel zum Curriculum der Studenten im 1. Studienjahr.

In Kürze soll es eine Abteilung für Physiologie geben, die Ausbildung in Anatomie läuft bereits seit diesem Frühjahr. Als Professorin für Anatomie hat die PMU Gundula Schulze-Tanzil von der Charité in Berlin nach Nürnberg geholt.

Gerade die Lehre in Anatomie unterscheidet sich wesentlich von dem üblichen Programm an staatlichen Medizin-Fakultäten. „Bei uns haben die Studierenden erstmal ein Jahr lang ausschließlich theoretischen Unterricht“, erklärt Prof. Felix Eckstein, Leiter des PMU-Instituts für Anatomie. „Erst im 2. Studienjahr, wenn sie den menschlichen Körper ganz genau kennen und exakt wissen, was sie zu tun haben, lassen wir sie die Organe und Gewebe wirklich präparieren.“

Forschung an Biomaterialien

Dazu kommt: Gerade in Anatomie lernen die Studierenden neben den gebräuchlichen deutschen und lateinischen auch die englischen Fachbegriffe kennen. „Damit sind sie nicht nur für die US-Prüfung gerüstet“, sagt Eckstein, „sondern auch für die Teilnahme an internationalen Kongressen und für die Erstellung von Publikationen in Fachzeitschriften.“

Die Aufgaben von Prof. Gundula Schulze-Tanzil umfassen bei weitem nicht nur die Lehre, sondern auch die Forschung. Forschung in der Anatomie? Wie der menschliche Körper aussieht, hat bereits Leonardo da Vinci Ende des 15. Jahhunderts gewusst und gezeichnet.

Wie der Körper funktioniert, also der Bereich Physiologie, ist im 20. Jahrhundert ausführlich erforscht worden. Was soll es da noch Neues geben? „Die alten Grenzen zwischen Anatomie, Physiologie und Zellbiologie gibt es nicht mehr“, erklärt Eckstein. „Wir betreiben heute alle Molekularbiologie.“

Schwerpunkte von Prof. Schulze-Tanzil sind dabei Entzündungen in Sehnen und Gelenken. Vor allem beschäftigt sie sich mit Biomaterialien als Ersatz für krankes menschliches Gewebe. „Unser Ziel ist die Rekonstruktion von Zellknorpel.“

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