Mehr als Popo-Wackeln: Pole Dance

5.4.2017, 10:00 Uhr
Mehr als Popo-Wackeln: Pole Dance

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"Die Hände invert, den Körper hochziehen und das Bein outside, dann den Fuß flex und das Bein über den Kopf ziehen", ordnet Alice Meszaros an. Die schlanke, blonde Frau steht in knapper Hose und bauchfreiem Oberteil vor einer Metallstange. An dieser turnt ein muskulöses Mädchen in kurzer Sporthose die Übung vor. Am Ende hängt es kopfüber an der Stange, nur ein angewinkeltes Bein gibt ihm Halt. Das andere zieht es sich fast bis an seinen Hinterkopf.

Das muskulöse Mädchen heißt Susi Lewey und ist deutsche Meisterin im Pole Dance. Erst vor zwei Jahren hat sie mit dem Tanz an der Stange begonnen, im vergangenen Jahr nahm sie das erste Mal an der Deutschen Pole-Sport-Meisterschaft "Miss und Mister Pole Dance Germany" teil (ja, auch Männer machen Pole Dance). Trotz ihrer bis dahin kurzen Karriere gewann Susi prompt den Titel bei den Junioren.

Training im Stangenwald

Jeden Donnerstag trainiert die 17-Jährige zusammen mit mehreren anderen Mädels unter der Aufsicht von Kursleiterin Alice in einem Raum im Fitnessstudio von Susis Papa. Zwischen Fußboden und Decke erstrecken sich zwei Reihen chrombeschichteter Metallstangen. Die Spiegel, die an zwei Seiten die Wände bedecken, reflektieren die silbernen Pfeiler zu einem ganzen Stangenwald.

"Susi ist sehr selbstständig", lobt Alice ihren Schützling, "sie hat ihre Choreo fast alleine gemacht." Genau wie bei anderen Tanzrichtungen geht es beim Pole Dance darum, verschiedene Figuren zur Musik zu zeigen, und das möglichst dynamisch und ästhetisch.

Die einzelnen Elemente werden in einer Choreografie zu Musik gezeigt, die Schwierigkeit wird von Kraftaufwand und benötigter Flexibilität bestimmt. "Ich hänge mich gerne in die Kniekehle rein oder mache Sachen mit Spagat", nennt Susi ihre Lieblingsfiguren.

Besser als Krafttraining

Tanzen wollte Susi schon immer. Weil sie nicht die passenden Kurse fand, landete sie erst mal beim Krafttraining. Dann bot Alice, die selbst auf Wettkämpfen tanzt, den Pole-Dance-Kurs im Fitnessstudio an. "Man macht extrem schnell Fortschritte", erklärt Susi, was sie am Tanzen an der Stange begeistert. Und: "Mir macht es einfach Spaß, richtig hart zu trainieren."

Das kommt Susi beim Pole Dance zugute. Denn hier geht es nicht nur darum, elegante Bewegungen zu machen – man braucht richtig Muckis. "Ich bin jetzt fitter und beweglicher als zu der Zeit, als ich nur Krafttraining gemacht habe", sagt Susi. Bei Übungen wie der Flagge, wo der Körper im rechten Winkel zur Stange wie eine Flagge zur Seite steht, braucht sie den ganzen Körper: Arme und Schultern stemmen sich gegen die Schwerkraft, der Körper muss fest sein wie ein Brett.

Je knapper der Stoff, desto besser der Halt

Neben Kraft braucht Susi auch ein gutes Maß an Leidensfähigkeit. Beziehungsweise ihre Haut. Denn die ist der Kitt, der die 17-Jährige an der Stange kleben lässt. "Am Anfang tut das richtig weh. Dann lernt man Übungen, die noch schmerzhafter sind, und gewöhnt sich langsam daran", beschreibt sie.

Wenn sie an der Stange nach oben klettert, kopfüber herunterhängt oder sich um ihr angewinkeltes Knie dreht, zerrt das Metall an den nackten Beinen. Deswegen haben die Sportler beim Pole Dance auch so wenig an: Je weniger Stoff, desto mehr Reibungsfläche.

Mit dem Hintern wackeln ist verboten

Bei den Wettkämpfen wird allerdings penibel darauf geachtet, dass die Auftritte nicht mit Einlagen in Table-Dance-Bars in Verbindung gebracht werden. "Die Hose muss den ganzen Po bedecken, man darf nicht mit dem Hintern wackeln, sich nicht anfassen und auch nicht lasziv den Kopf schwenken", erzählen Susi und Trainerin Alice.

Bisher hatte Susi kaum mit Vorurteilen gegenüber ihrem Sport zu kämpfen. "Es gab nur wenige Leute, die das mit Striptease verbinden", erzählt die Schülerin. Stattdessen müsse sie den Leuten eher erklären, dass hinter dem Tanz an der Stange mehr steckt als Popo-Wackeln.

An weiteren Wettkämpfen will Susi erst einmal nicht teilnehmen. "Ich fühle mich nicht so bereit dafür", sagt sie. Bei den Erwachsenen herrscht deutlich mehr Konkurrenz als bei den Junioren, wo der recht junge Sport noch nicht so verbreitet ist. In Susis Altersklasse starteten vergangenes Jahr nur vier andere Sportlerinnen.

Außerdem braucht Susis Schulter aufgrund der hohen Belastung immer wieder Pausen. Dazu steht dieses Jahr auch noch das Abi an. Für Susi ist das aber in Ordnung: "Ich will lieber tanzen als eine Figur nach der anderen machen", erklärt sie.

Viele Wettkämpfe seien nur ein Abspulen von Übungen, Individualität und Choreografie treten in den Hintergrund. Für sie steht der Tanz im Vordergrund. Und die Freude am Training: "Am liebsten trainiere ich mit anderen zusammen. Dann kann man sich gegenseitig motivieren."

Kennt ihr auch jemanden, der in seiner Sportart oder seinem Hobby spitzenmäßig ist? Dann schreibt uns eine Mail an nn-xtra@pressenetz.de

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