Minus Industrie = plus Wissenschaft

30.11.2015, 17:08 Uhr
Minus Industrie = plus Wissenschaft

© Foto: Eduard Weigert

Herr Klumpp-Leonhardt, aus dem Umfeld der Tagung war zu hören, die Stadt habe sich sehr darum bemüht, das Forum Wissenschaftskommunikation – das übrigens noch nie in Bayern stattgefunden hatte – nach Nürnberg zu holen.

Olaf Klumpp-Leonhardt: Ja, das ist korrekt. Und wir sind auch sehr stolz darauf, dass unsere Bewerbung erfolgreich war. Ich hatte die Tagung vergangenes Jahr besucht, als sie in Potsdam stattfand, und war davon so begeistert, dass ich mir vorgenommen habe: Das nächste Mal soll das Forum Wissenschaftskommunikation in Nürnberg stattfinden.

Aber der Bürger hat doch sicher nur wenig davon, wenn sich Wissenschaftler, Mitarbeiter von Presse- und Öffentlichkeitsarbeitstellen, Journalisten sowie Vertreter von Science Centern, Hochschulen und Forschungseinrichtungen über ihren Job austauschen. Warum war Ihnen das denn so wichtig?

Klumpp-Leonhardt: Zum einen bringt diese Tagung mit 500 Experten sicher einen Image-Gewinn für unsere Stadt. Aber viel wichtiger ist uns ein ganz anderer Aspekt. Die Tagung passt genau in unser integriertes Stadtentwicklungskonzept, die Hochschulen und die Forschung viel stärker als bisher in den Fokus zu nehmen.

Wie kann man sich dieses Konzept vorstellen?

Klumpp-Leonhardt: Die Stadtverwaltung will den Aus- und Umbau des Hochschul- und Forschungsstandortes Nürnberg in den kommenden Jahren gezielt unterstützen und mitgestalten. Dabei zielen wir auf eine intensive Abstimmung mit den beteiligten Akteuren ab. Wir wollen Wissenschaft als Teil der Stadtgesellschaft offensiv entwickeln.

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Klumpp-Leonhardt: Mit der Ankündigung, „Auf AEG“ einen neuen Hochschulcampus mit bis zu 7 000 Studierenden aufzubauen, ist ein wichtiger Entwicklungspfad für die kommenden Jahrzehnte definiert. Gerade durch die Wissenschaftsmeile, die entlang der Fürther Straße entsteht, soll die Wissenschaft stärker ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft rücken.

Und machen die Hochschulen da mit?

Klumpp-Leonhardt: An den Hochschulen wächst ein neues Selbstverständnis, dass man außer Lehre und Forschung noch eine weitere Aufgabe hat, die man „third mission“ nennt. Das bedeutet, die Hochschulen werden zunehmend gesellschaftlich aktiv, sie fragen sich, was sie für die Stadt tun und auf welchen Feldern sie aktiv werden können. Und da versteht sich die gesamte Stadtverwaltung als Brückenkopf hin zur Bevölkerung.

Was sind denn Beispiele, wo die Hochschulen in die Stadt hineinwirken?

Klumpp-Leonhardt: Ein ganz wichtiges Thema ist die berufliche Weiterbildung der Bürger. Die Hochschulen bieten vermehrt Studiengänge an, die man berufsbegleitend studieren kann. Die Zulassung von beruflich Qualifitierten, also Leuten ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung, ist ein weiterer wichtiger Punkt.

Gibt es denn auch konkrete Beispiele der Zusammenarbeit der Stadt mit Studierenden?

Klumpp-Leonhardt: Für den bereits erwähnten neuen Campus „Auf AEG“ haben Architektur-Studierende der Technischen Hochschulen in einem Ideenwettbewerb bereits tolle Vorschläge erarbeitet. Die Stadt vergibt jedes Jahr Förderpreise an Absolventen des Faches Soziale Arbeit an der Technischen Hochschule und an der Evangelischen Hochschule. In den städtischen Museen sind jede Menge Praktikanten unterwegs. In diesem Zusammenhang nicht zu vergessen ist das neu eingeführte Semesterticket, für das sich gerade die Stadt Nürnberg stark gemacht hat, obwohl es für uns einen erheblichen finanziellen Kraftakt darstellt.

Gibt es weitere Pläne und Ideen?

Klumpp-Leonhardt: Eine ganze Menge. Ich kann mir zum Beispiel einen Online-Kalender für Wissenschaft und Forschung in der Stadt vorstellen, genauso wie es einen Kulturkalender gibt. Es könnte Sonntagsvorträge geben oder regelmäßige Science Slams. Wie sollten generell anstreben, dass Wissenschaft genauso als ein Faktor von Freizeitgestaltung und Unterhaltung wahrgenommen wird wie Kultur und Sport.

Nun ist ja eine intensivere Verzahnung von Hochschulen und Stadt beileibe keine neues Thema, sondern das Problem geistert schon seit Jahrzehnten durch die Köpfe, ohne dass sich viel bewegt hat. Woran liegt das, und was soll sich jetzt ändern?

Klumpp-Leonhardt: Ein wesentlicher Grund, warum wir bisher nicht entscheidend vorangekommen sind, ist die Tatsache, dass Hochschulpolitik keine kommunale Aufgabe, sondern Ländersache ist. Was uns jetzt sehr hilft, ist die zunehmende Bedeutung der Hochschulen angesichts des Niedergangs der Industrie. Wenn eine Stadt andere Ressourcen nutzen muss, bekommt die Wissenschaften automatisch größeres Gewicht.

Und was hat das alles jetzt mit der Tagung zu tun?

Klumpp-Leonhardt: Es ist eine Tagung, die genau unser Thema behandelt: Wir kommuniziere ich Wissenschaft? Wenn so viele Experten aus diesem Bereich hier sind, dann erwarte ich, dass sowohl wir, die Stadt, als auch die Hochschule eine ganze Menge tanken können, was wir dann mitnehmen und umsetzen.

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