Mit Bauklötzchen ins Berufsleben starten?
8.2.2017, 10:00 Uhr„Mein Name ist Jörg, und ihr dürft mich gerne duzen – das machen wir in der Firma auch so.“ So stellt sich ein dunkelhaariger junger Mann mit sonorer Stimme vor. Er arbeitet bei der Software-Firma Cosmo Consult und steht an einem Tisch in der Karl-Diehl-Halle in Röthenbach an der Pegnitz. Um ihn herum warten sechs Jungs und hören konzentriert seinen Anweisungen zu. Sie sollen gleich einen Roboter mit Raupenantrieb so programmieren, dass er zwei kleine Reifen aus dem Weg räumt.
Es ist die Orientierungsphase der Q11 des Geschwister-Scholl-Gymnasiums (GSG) in Röthenbach an der Pegnitz, nächstes Jahr steht das Abi an, danach, also sehr bald, die ersten Schritte ins Berufsleben. Doch wohin soll’s gehen?
Feuern lernen bei Aldi
„Ich weiß noch nicht genau, was ich nach der Schule mal machen will“, sagt Elftklässler Julian, seine Kumpels nicken. Eine grobe Richtung haben manche im Kopf, mehr nicht.
Das soll sich ändern. Deswegen findet am GSG in diesem Jahr zum ersten Mal ein „Talentetreff“ statt: Unternehmen aus der Region stellen ihre Ausbildungsangebote vor, die Schüler lernen die Betriebe in kleinen Workshops kennen. Danach besteht die Möglichkeit, sich für ein Schnupperpraktikum zu bewerben – und vielleicht irgendwann für einen Ausbildungsplatz.
Am Tisch mit den Robotern macht eine Gruppe schnell Fortschritte: Schon nach wenigen Minuten rollt das Fahrzeug exakt die richtige Strecke nach vorne, räumt einen Reifen aus dem Weg und fährt zum nächsten. „Die machen das sehr gut“, kommentiert Jörg anerkennend die Erfolge der Jungsgruppe. Mädels haben sich an seinem Tisch heute noch nicht blicken lassen, bedauert er. Auch bei den Bewerbungen seien die immer noch deutlich in der Minderheit.
An den anderen Stationen sind die Geschlechter gemischt, egal ob bei Aldi, den Bauingenieuren von B&O Wohnungswirtschaft oder der Kinderpflegestation des Deutschen Erwachsenenbildungswerks, wo Jungs und Mädels Babypuppen wickeln und baden. Der einzige Tisch, der den ganzen Vormittag leer bleibt, ist der einer Bank. „Der Ruf der Banker ist inzwischen wohl zu schlecht“, vermutet Reinhard Bauer, dessen Institut die Veranstaltung organisiert hat.
An jeder Station bekommen die Schüler Informationen über Ausbildung und Beruf. Zudem sollen sie kleine Aufgaben erledigen. Bei Aldi sollen sie etwa einen Mitarbeiter feuern. „Stellt euch vor, ihr seid Regionalverkaufsleiter und müsst entscheiden, ob Herrn Huber gekündigt werden soll“, geben zwei junge Referentinnen die Aufgabe vor.
Die linke Seite des Tisches soll für, die rechte gegen Herrn Huber argumentieren. Routiniert fangen vier Jungs (kontra) und drei Mädels (pro) zu diskutieren an – Rollenspiele machen sie in der Schule offenbar genug. Am Ende darf Herr Huber bleiben.
„Es geht darum, den Schülern die Angst zu nehmen, sich auf einen Praktikumsplatz zu bewerben“, erklärt Mittelstufenbetreuerin Elisabeth Schleinkofer-Kirsch die Motivation für das Projekt. „Die Orientierungslosigkeit ist groß bei den jungen Menschen“, ergänzt ihre Kollegin Heike Koch.
Zusammen haben die beiden den Talentetreff von Schulseite aus organisiert. Sie hoffen, dass die Veranstaltung den Schülern bei der anstehenden Berufswahl hilft. Für die meisten kommt die zu bald, finden die Pädagoginnen. „Viele nehmen sich nach der Schule ein Jahr frei, weil sie noch nicht wissen, was sie mal machen wollen“, sagt Heike Koch.
Zu viel Stress
Für manche ist der Druck zu hoch: Direkt nach dem Aldi-Workshop fasst sich eine Schülerin, die vorher noch munter mitdiskutiert hat, mit beiden Händen an den Kopf, verbirgt ihr Gesicht. Kurze Zeit später liegt sie auf dem Boden, ein Sanitäter wird gerufen, einige Mitschüler stehen bestürzt um das Mädchen herum. „Es war zu stressig in letzter Zeit, jetzt hat der Körper dicht gemacht“, interpretiert ihre Freundin Laura später den Zusammenbruch. Die Q11 hat gerade die Klausurenphase hinter sich.
Manchen entspricht der zielstrebige Weg in den Beruf aber auch. „Ich verschwende nicht so gern meine Zeit“, erklärt Christina, eine dunkelhaarige junge Frau mit akkurat nach hinten gebundenen Haaren. Sie hat direkt nach dem Abi mit ihrem dualen Studium bei Aldi begonnen.
Ob die Jugendlichen sich nach der Veranstaltung auf Praktika bewerben werden? „Eher nicht“, antworten die meisten — schließlich würde das Praktikum in die Ferien fallen. Manchen waren die Informationen auch zu dürftig: Puppen wickeln und Brücken aus Holzklötzen bauen hilft eben nur mäßig bei der Berufswahl.
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