Nur am Sonntag haben die Schülerinnen frei

14.4.2017, 18:45 Uhr
Nur am Sonntag haben die Schülerinnen frei

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Lautes Singen schallt über das Schulgelände. Einige Schülerinnen tanzen im Freien. Im Computerraum sitzt der Journalismus-Club und schreibt an einer neuen Schulzeitung. Der Mathe-Club bereitet sich auf einen Wettbewerb gegen eine konkurrierende Schule vor. Und dann sind da noch Schülerinnen, die in der Sonne sitzen und hoffen, von den Lehrern unbemerkt einige freie Minuten genießen zu können.

Ein gewöhnlicher Nachmittag an einer deutschen Schule, könnte man meinen. Allerdings passen einige Dinge nicht so ganz ins Bild: Das Singen wird von einer kleinen Trommel begleitet, die Lieder klingen eindeutig afrikanisch. Die Mitglieder des Journalismus-Clubs können bei aufkommenden Fragen nicht schnell mal googeln – denn es gibt kein Internet. Und überhaupt: Rennen da gerade Affen über den Schulhof, um die Reste des Mittagessens zu stibitzen?

Zu Beginn meiner Zeit an der Diani Maendeleo Academy (DMA) in Mwabungo an der Südküste Kenias war es noch etwas Besonderes, wilde Affen auf dem Schulhof herumrennen zu sehen. Und es war ernüchternd, wie viel man selbst nachdenken soll, wenn man am Arbeitsplatz kein Internet hat – dabei konnte man schon froh sein, wenn der Strom mal einen ganzen Tag ununterbrochen da war.

Nach einigen Wochen hatte ich mich jedoch daran gewöhnt. Für die Schülerinnen ist es Alltag. Ebenso wie viele andere Dinge, die einem als deutscher Besucher in Kenia neu und spannend vorkommen.

Ich hatte das Glück, einige dieser Dinge hautnah erfahren zu können – und zwar während meines dreimonatigen Praktikums bei dem deutschen gemeinnützigen Verein Girls’ Hope. Dieser wurde von einer gebürtigen Nürnbergerin gegründet und unterstützt die Diani Maendeleo Academy, eine kenianische Secondary School für Mädchen.

Der Verein sucht nach Sponsoren, die den Mädchen den Besuch der Schule finanziell ermöglichen. In Kenia geht die Secondary School von der 9. bis zur 12. Klasse. Der Abschluss entspricht in etwa dem deutschen Abitur. Allerdings sind die Secondary Schools wie auch die staatlichen kostenpflichtig und für viele kenianische Familien unbezahlbar. Mädchen, die in der kenianischen Gesellschaft benachteiligt werden, bleibt schulische Bildung oft verwehrt.

Englisch sprechen in der Freizeit

138 Mädchen besuchen aktuell die DMA und erleben dort einen ähnlichen Schulalltag wie auch deutsche Schüler. Einige Unterschiede gibt es allerdings: Die Kinder und Jugendlichen tragen eine Schuluniform. Sogar eine spezielle Schulfrisur gibt es. Außerdem findet der gesamte Unterricht auf Englisch statt, und auch in den Pausen und im Schulbus sollen die Schülerinnen statt ihrer Muttersprachen Englisch sprechen.

Zudem leben viele Schülerinnen nicht bei ihren Eltern, sondern direkt an der Schule im Internat. Das ist notwendig, weil die Umstände zu Hause bei ihren Familien nicht gut sind, um sich auf die Schule konzentrieren zu können. Viele Mädchen teilen sich ein kleines Zimmer mit ihren Geschwistern. Häufig haben Familien vier oder mehr Kinder.

Außerdem haben viele Familien weder richtige Möbel noch Strom. Wenn die Mädchen abends aus der Schule kommen und es dunkel ist, können sie keine Hausaufgaben mehr machen. Bei Schularbeiten helfen können die meisten Eltern auch nicht, da sie nie zur Schule gegangen sind.

Ich war sehr überrascht, als ich den Stundenplan der Schülerinnen sah. Die Schulwoche geht von Montag bis Samstag, und die Schultage kommen einem doch sehr lang vor. Denn die Mädchen sind von 5.30 Uhr bis 21 Uhr auf den Beinen und haben in dieser Zeit Unterricht, Lerngruppen, Hausaufgaben, Sport, Schulclubs und einen individuellen Lernplan.

Nur am Sonntag haben die Schülerinnen frei. Neugierig, was sie an diesem Tag so machen, habe ich sie besucht. Überraschend war es erst, sie alle in ihrer normalen Kleidung zu sehen. Sonntagnachmittags dürfen die Mädchen Musik hören oder einen Film ansehen. Der Speiseraum der Schule wurde in eine Disco umfunktioniert, und die Mädchen bestanden darauf, mir in der nachmittäglichen Hitze afrikanische Tanzschritte zu ihren Lieblingsliedern beizubringen.

Ferien ab November

Wie wahrscheinlich alle Schüler auf der Welt freuen sich die Mädchen an der DMA auf ihre Ferien. Die längste freie Zeit haben sie von November bis Januar, wenn in Kenia Sommer ist. In dieser Zeit wollten wir zwei Wochen lang einen Workshop veranstalten mit außergewöhnlichen Unterrichtsformen und Ausflügen.

Leider wurde nichts daraus. Die kenianische Regierung verbietet nämlich das Unterrichten während der Ferienzeit und beschloss, hart dagegen vorzugehen. An mehreren anderen Schulen wurden Lehrer verhaftet, die Schüler während der Sommerferien unterrichteten. Aus Angst vor den Kontrollen beschlossen wir, die Schülerinnen nach Hause zu schicken.

Doch trotz oder gerade wegen so mancher Turbulenzen im kenianischen Bildungssystem gehen die Schülerinnen der DMA gerne zur Schule. Für sie ist der Schulbesuch ein Privileg. Viele der Mädchen kommen aus Familien, die unter dem absoluten Existenzminimum leben und sich die Schulgebühren nie leisten könnten. Ohne ihr Stipendium an der DMA hätten sie wenig Chancen auf ein selbstbestimmtes und freies Leben.

Weitere Informationen und Geschichten über die Diani Maendelo Academy findet ihr online unter www.girlshope.de

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