Nürnberger entwickeln eisfreie Oberflächen

3.3.2015, 21:32 Uhr
Nürnberger entwickeln eisfreie Oberflächen

© Foto: dpa

Wohin mit all den Pizzen, eingefrorenen Resten und dem Tiefkühlgemüse, wenn draußen 30 Grad herrschen? Die Kühltruhe muss abtauen, das Wasser raus und die Oberfläche trocknen. Erst dann kann alles Essen wieder rein – das macht viel Arbeit und keinen Spaß. Das warme Wetter ist überhaupt erst schuld daran, dass die Kühltruhe zufriert. „Industrielle Kühlhäuser müssen im Sommer sogar alle zwei bis drei Wochen abgetaut werden“, sagt Chemiker Kornprobst. Dieser Stillstand kostet Zeit und Geld. „Deswegen wollen wir die Oberfläche so verändern, dass das Vereisen verringert oder sogar komplett vermieden wird.“ Kühlschränke und Klimaanlagen funktionieren dank eines Wärmetauschers, der dem Innenraum Wärme entzieht und nach außen abgibt. Die warme feuchte Luft strömt dabei über Aluminiumplatten, auf denen sich Raureif bildet und im Laufe der Zeit zu einer richtigen Eisschicht festfriert. Aus demselben Grund entsteht am Morgen Raureif oder Nebel auf einer Wiese, wenn die Erde noch kalt ist, aber die ersten Sonnenstrahlen die Luft schon aufwärmen. Die Wassertröpfchen kristallisieren dann an den Grashalmen.

Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen, deshalb setzen Kühltruhen vor allem im Sommer eine Eisschicht an, ausgerechnet dann, wenn es am schwierigsten ist, die Lebensmittel woanders unterzubringen. „Je dicker das Eis ist, desto höher ist auch der Energieverbrauch der Anlage“, erklärt Großmann, Ingenieur und Leiter des Projekts an der Fakultät Maschinenbau und Versorgungstechnik.

Imprägnierte Insektenflügel

Eine eisfreie Lösung ist deswegen vor allem für große Anlage interessant – aber auch schwierig zu bauen. „Anti-Frost-Kühlschränke gibt es schon“, sagt Kornprobst. Darin gibt es eine Stelle, an der sich Flüssigkeit sammelt und absichtlich gefroren wird. In regelmäßigen Abständen taut das Gerät automatisch ab und das Kondenswasser fließt kontrolliert ab. „Für einen großen Raum ist das aber energetisch nicht machbar.“ In einem Kühlschrank herrschen zwischen zwei und acht Grad Celsius. In einer Kühltruhe sind es rund 20 Grad minus und in einer Anlage, in der die Chemieindustrie flüssigen Stickstoff lagert, sind es sogar minus 196 Grad Celsius.

Nürnberger entwickeln eisfreie Oberflächen

© Foto: Michael Matejka

Für die Lösung des Problems verfolgen die Wissenschaftler drei Ansätze. „Wir machen die Oberfläche wasserabweisend, wie mit einem Imprägnierspray“, sagt Kornprobst. Wasserabweisend heißt aber nicht automatisch eisabweisend. Außerdem verändern die Forscher die chemische Struktur des Aluminiums, damit die Wasserteilchen keine Stelle finden, an der sie sich festhalten können. Und sie kombinieren beide Methoden. „Wir orientieren uns unter anderem an Insektenflügeln, wie denen der Zikaden“, sagt Kornprobst. Auch die Tiere dürfen nicht einfrieren. „Aber man kann nicht alles vorhersehen, wir müssen sehr viel ausprobieren.“

Weil dafür in den Firmen weder die nötige Zeit, noch das Wissen und die Laborausstattung vorhanden sind, fördert das Kompetenzzentrum Mittelstand das Forschungsprojekt an der Hochschule mit 270 000 Euro. „Alle Mitglieder aus der bayerischen Metall- und Elektroindustrie profitieren dann von den Ergebnissen“, sagt Großmann. „Wir müssen ein Beschichtungssystem finden, das kostengünstiger ist als das Auftauen und in einem industriellen Maßstab anwendbar.“ Zwei Jahre haben sie dafür Zeit, dann soll es einen ersten Wärmetauscher als Prototypen geben. „Die Anwendbarkeit steht im Vordergrund, wir schließen uns nicht zwei Jahre lang im Labor ein, sondern tauschen uns alle sechs Monate mit den Industriepartnern aus.“

Jeder hat andere Ansprüche: Im Kühlhaus herrscht jahrelang eine möglichst konstante Temperatur. Eine Klimaanlage im Auto muss im Winter heizen und im Sommer kühlen, dafür läuft sie selten mehrere Stunden am Stück. Bayerische Unternehmen verkaufen Klimageräte in die ganze Welt, so dass die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens auch vom landestypischen Wetter und den Energiepreisen abhängt. Langfristig könnte die Technik auch der Luftfahrt oder sogar den heimischen Kühltruhen zugutekommen. „Beim Flugzeug wird die Oberfläche noch stärker beansprucht, durch Regen, regelmäßiges Saubermachen und das Herumlaufen auf den Flügeln“, sagt Kornprobst. Erfahrung haben die Wissenschaftler aus einem Projekt, das ganz anders und doch genau gleich ist: Sie arbeiten an einem Schlot für Kachelöfen und Biomasseanlagen, in dem sich kein Ruß ablagert.

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