Regen, Gletscher, Erdbeben

14.7.2016, 17:01 Uhr
Regen, Gletscher, Erdbeben

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Nicolas Cullen trägt ein Hemd mit großen türkisfarbenen Blüten und sieht so gar nicht nach einem Glaziologen, sprich Gletscherforscher, aus. Ein warmer Sommertag in Erlangen – und nicht auf einem Gletscher.

Wenn er da unterwegs ist, schützt er sich so vor Kälte und UV-Strahlen, dass er kaum zu erkennen ist. Er trägt dann Mütze, Handschuhe, eine Sonnenbrille mit Seitenschutz und hat die typisch weiß gecremten Lippen. Dazu kommt eine komplette Bergausrüstung.

Normalerweise forscht und lehrt der promovierte Wissenschaftler an der University Otago in Dunedin, einer Stadt auf der Südinsel von Neuseeland. Zur Zeit ist Cullen Humboldt-Stipendiat am Institut für Geographie an der FAU. Hier beschäftigt er sich mit verschiedenen Aspekten der Klimaforschung.

Sein Schwerpunkt liegt dabei auf den Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und den Eis- und Schneeflächen in den höheren Lagen der südlichen neuseeländischen Alpen. „Sie sind bis zu 3000 Meter hoch; über 3000 Gletscher sind dort registriert. Ganz typisch sind die jährlich starken Niederschläge von 10 000 Litern pro Quadratmeter“, erklärt Cullen. Zum Vergleich: Nürnberg ist im Jahr mit 644 Litern pro Quadratmetern dabei.

„Diese hohen Niederschläge sind auch die Grundlage für die zahlreichen Gletscher“, erklärt er. Dennoch: Die Gletscher schmelzen auch in Neuseeland. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Gletscherschwund sogar beschleunigt. „Aber es gab auch immer wieder Jahre mit Gletschermassenzuwachs“, erklärt Cullen.

Das liege an dem Wetterphänomen El Nino, einem Mechanismus, der die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Ozean im pazifischen Raum bestimmt und Auswirkungen auf den gesamten Globus hat. „Im neuseeländischen Fall profitieren die Gletscher von El Nino, weil er Kälte aus der Antarktis mitbringt.“ Am Erlanger Institut für Geographie wird gerade ein Rechenmodell zum El-Nino-Phänomen erstellt; Cullen passt da perfekt hinein. „Ich bringe dafür die Daten aus meiner Feldforschung aus den neuseeländischen Alpen mit. Wir hoffen, dass wir den Einfluss von El Nino auf der Nord- mit dem auf der Südhalbkugel vergleichen können.“

Um an diese Daten zu gelangen, war und ist Feldforschung direkt vor Ort an den Gletschern notwendig. Ist das gefährlich? „Wir begeben uns kaum in Gefahr“, meint Cullen, „wir kennen unsere Gletscher sehr gut und wissen ganz genau, wo Gletscherspalten sind. Auch die Lawinengefahr können wir gut abschätzen. Außerdem sind wir immer gesichert. Da stürzen wir eher mit dem Helikopter ab, der uns zu den Gletschern bringt.“

Ein wenig hat Cullen sich schon in Deutschland eingelebt. Er bewohnt ein Appartement in Nürnberg, ist aber auch häufig in Passau. „Meine Schwiegereltern wohnen dort. Wir, also meine Frau, unsere kleine Tochter und ich, besuchen sie oft.“

Wenn sie nach Passau reisen, dann meist mit dem Zug. „Ich habe festgestellt, dass ich in Deutschland ungern mit dem Auto unterwegs bin“, sagt Cullen, „ehrlich gesagt, ist mir das Tempo zu hoch. Ich bin wohl eher ein Verkehrshindernis.“

Überhaupt ginge es daheim gelassener zu, „laid-back“, wie sie in Neuseeland sagen. Das hat aber auch den Nachteil, dass vieles langsamer läuft. An Deutschland bewundert Cullen daher, wie schnell Dinge erlegt werden.

Daneben schätzt er die vielen kleinen Bäckereien und Metzgereien, genauso wie die unterschiedlichen Restaurants. „Kleine Läden gibt es in Neuseeland kaum, die sind alle in den großen Supermärkten zusammengefasst. Und was die Restaurants angeht, da gibt es eine ganz deutliche Dominanz des asiatischen Essens. Das liegt eben an der Nähe zu Asien.“

Und: Deutschland ist ein ruhiges Land, „besonders, was die Plattentektonik angeht“. Ganz anders in Neuseeland: Erdbeben gehören hier zum Alltag. Mit ungefähr 15 000 registrierten Fällen pro Jahr zählt es zu den erdbebenreichsten Ländern der Welt.

„2011 gab es in Christchurch ein ziemlich starkes Beben. Das war wirklich schlimm. Es gab viele Tote und Gebäudeschäden. Der Großteil meiner Verwandten wohnt dort, Gott sei Dank ist ihnen nichts passiert, aber ihre Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht!“, sagt er nachdenklich. Dennoch liebt er sein Land. Er vermisst das Meer und die vielen Strandpartys ebenso wie einen richtig starken Kaffee. Und: „seine“ neuseeländischen Gletscher.

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