Sehnsüchtiger Blick zum Sternenhimmel

21.7.2016, 16:03 Uhr
Sehnsüchtiger Blick zum Sternenhimmel

© Foto: Julia Beeck

Um den Hals von Marylin Latour baumelt ein gläsernes Medaillon mit goldenen Sternchen. „Den Anhänger“, sagt sie, „habe ich voriges Weihnachten von meiner Mutter geschenkt bekommen. Sie weiß, dass mich Sterne schon sehr lange faszinieren.“

Noch genau erinnert sich Marylin, wie sie als Kind in Kanada zusammen mit Freundinnen nachts den Sternenhimmel betrachtete. „Wir saßen oft im Winter in bitterster Kälte auf selbst gebauten Schneehügeln. Mit durchfrorenen Händen hielten wir eine Taschenlampe auf die Sternenkarten und versuchten, Sternbilder und Sterne zu identifizieren.“

Während der Schulzeit wuchs Marylins Interesse, mehr über Himmelskörper und den Weltraum zu erfahren. Ihr naturwissenschaftliches Talent ließ sie nach dem Schulabschluss Physik und Astrophysik an der Universität in Montreal studieren.

Während ihrer Promotion machte sie ihr kanadischer Doktorvater auf eine Forschungsstelle an der Dr.-Karl-Remeis-Sternwarte in Bamberg aufmerksam; die Bewerbungsgespräche verliefen sehr positiv.

„Ich war zwar schon ein paar Mal in Europa gewesen, aber immer als Touristin“, sagt die 30-Jährige. „Die Entscheidung, zur Sternwarte nach Bamberg zu gehen, war also ein großer Schritt für mich.“ Nach Abschluss der Doktorarbeit wollte sie länger dort bleiben, bewarb sich um ein Humboldt-Stipendium – und war erfolgfreich.

Marylins Forschungsthema sind zwei Sterne im Kugelsternhaufen Omega Centauri im Sternbild Zentaur. „Leider sind die Sterne nur durch ein Teleskop auf der südlichen Hemisphäre zu sehen. Sie sind sehr alt und etwa 15 800 Lichtjahre von der Erde entfernt.“

Die Sterne weisen pulsierende Helligkeitsschwankungen auf. Das macht sie so interessant. Marylin möchte Informationen über ihre Temperatur und ihre chemische Zusammensetzung erhalten.

Doch „speziell für meine Forschungsfrage ist eine Beobachtung der Sterne nur aus dem Weltraum, also außerhalb der Atmosphäre unserer Erde möglich“. Mit Hilfe des Hubble-Teleskopes hat sie mittlerweile die erforderlichen Daten über „ihre“ Sterne erhalten. Jetzt gilt es, aus diesen Daten so viele Forschungsaussagen wie möglich zu formulieren.

Sehnsüchtiger Blick zum Sternenhimmel

© Foto: Julia Beeck

Marylin fühlt sich sehr wohl in Deutschland. Zum Beispiel schätzt sie die kurzen Wege. „In Montreal war ich immer etwa eine Stunde mit Bus und Bahn zur Arbeit unterwegs. Hier brauche ich gerade mal zehn Minuten mit dem Fahrrad.“

Überrascht war für sie anfangs über einiges in Deutschland: „Das Freizeichen beim Telefonieren hat mich irritiert – ich dachte, ich hätte mich verwählt. Merkwürdig fand sie auch die Namensschilder an den Häusern: „Ich vermutete darin zuerst eine hübsche Dekoration – denn in Kanada gibt es nur Hausnummern.“

Und auch über die Lebensmittelpreise hat sie sich gewundert. „In Deutschland sind Lebensmittel sehr viel günstiger als in Kanada. Dort zahlt man gut das Doppelte für Gemüse, Obst oder Milchprodukte.“

Die französischsprachige Kanadierin spricht meist englisch. „Das ist schließlich Wissenschaftssprache; an der Sternwarte verständigen wir uns fast nur auf Englisch.“

Was Marilyn erst in Deutschland klar wurde: „Dass die Sternwarte in Bamberg zur Universität Erlangen-Nürnberg gehört“. Umso mehr bedauert sie es, dass die Astrophysiker ausgelagert sind. Daher finde leider nur wenig Austausch statt. Das Physik-Departement ist ja in Erlangen.

Deutschland und besonders Franken gefallen Marylin, die Städte seien so grün. Allein mit dem typischen fränkischen Essen à la Schäuferle mit Kloß steht sie auf Kriegsfuß. „Das ist doch alles ein wenig schwer und für meine Begriffe zu salzig. Aber die Bratwürstchen sind lecker!“

Gerne erinnert sich die Humboldt-Stipendiatin an eine Kanutour auf der Wiesent. Dabei war sie von der ständigen „Zivilisations-Präsenz“ überrascht. „Wir paddelten sogar eine Zeitlang neben einer Straße.“

Von Kanada sei sie anderes gewöhnt; da paddelte man im wahrsten Sinne des Wortes durch die Wildnis. „Die Essensvorräte werden in einem Sack an einem hohen Ast festgebunden. Sonst kommen Bären. Außerdem passiert es immer wieder, dass man morgens auf ein schlafendes Stachelschwein in einer Feuerstelle trifft.“

Was sie sich wünscht? Bei der Antwort lässt sich Marylin Zeit und nimmt ihr Medaillon in die Hand „Für eine Astrophysikerin gibt es nicht viele Jobs, ich hoffe, aber auch in Zukunft in der Forschung arbeiten zu können. Außerdem würde ich gerne mal zum Paranal-Observatorium in die Atacama-Wüste nach Chile fahren. Dann könnte ich endlich das Sternbild des Zentaur mit meinen beiden Sterne sehen.“

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