So entsteht Blattgold

10.8.2015, 08:00 Uhr
So entsteht Blattgold

© Raphael Kneipp

Bumm, bumm, bumm. Fast im Sekundentakt, wie das Ticken einer Uhr, fällt der Hammer auf ein kleinesQuadrat. Erfahren schlägt Dieter Drotleff mit dem neun Kilogramm schweren Hammer auf ein kleines Päckchen. Darin befindet sich etwas ganz Edles: Blattgold.

Dieter Drotleff ist Goldschläger. Er macht aus einem Stück Gold ganz dünne Blätter, mit denen man Kunstwerke verzieren kann. „Ein Blatt ist etwa ein 14 000stel Millimeter dünn“, sagt Drotleff. Das heißt: Würde man 14 000 Blätter aufeinanderlegen, wäre dieser Stapel gerade mal einen Millimeter dick.

Im Mittelalter gab es in vielen Städten in Bayern Goldschläger, auch in Nürnberg. Nach einem Handwerkeraufstand mussten sie die Stadt verlassen und fanden in Schwabach, 15 Kilometer südlich, eine neue Heimat. Die klimatischen Bedingungen waren gut: Die Luft war feucht genug zum Goldschlagen. Seit dem 16. Jahrhundert gibt es dieses Handwerk in Schwabach. Vor ungefähr 100 Jahren haben in 130 Betrieben noch 1200 Personen gearbeitet. Heute gibt es in Schwabach und Umgebung nur noch fünf Goldschläger-Betriebe.

Reine Männersache

Dieter Drotleff ist mit 62 Jahren der älteste noch aktive Goldschläger in Deutschland. Vor 47 Jahren hat er den Beruf erlernt. Nur Männer durften eine Ausbildung zum Goldschläger machen. Im Schwabacher Stadtmuseum zeigt er, wie früher Gold geschlagen wurde.

Zuerst wird das Gold in einem 1300 Grad heißem Ofen eingeschmolzen. Möchte man den Farbton verändern, kommt noch ein bisschen Silber oder Kupfer hinzu. Die Edelmetall-Legierung lässt man abkühlen, um sie danach mit kegelförmigen Walzen zu bearbeiten. Dadurch entsteht ein langes, schmales Band. Daraus schneidet der Goldschläger quadratische Stücke.

Die Quadrate werden erwärmt und zwischen spezielle feuerfeste Papiere gelegt. Mit einem Stück Leder werden die Papiere zu einem Päckchen gebunden, damit sie nicht auseinanderfallen. Nun wird das Gold mit Hammern geschlagen, die ein Gewicht von bis zu zwölf Kilogramm haben können.

Das Päckchen liegt dabei auf einem robusten Stein, der auf sandigem Boden steht. Dieter Drotleff schlägt auf verschiedene Stellen des Päckchens, damit das Gold überall gleichmäßig dünn ist.

Der Fries im Schwabacher Rathaus erinnert an die Blattgoldindustrie der Stadt.

Der Fries im Schwabacher Rathaus erinnert an die Blattgoldindustrie der Stadt. © Raphael Kneipp

Danach werden erneut Quadrate geschnitten und in anderes Papier umgepackt. Das ist die Aufgabe der Frauen, die das dünne Gold ganz vorsichtig mit einer Holzzange anpacken mussten. Die Zange sieht ein bisschen aus wie Essstäbchen und ist aus besonders trockenem Holz, damit das Gold nicht kleben bleibt. Das neue Päckchen wird wieder geschlagen, die Goldblätter werden immer dünner.

Sie sind aber immer noch nicht dünn genug. Die Blätter werden erneut umgepackt, zwischen jedes kommt eine spezielle Folie. Zum dritten und letzten Mal werden sie jetzt mit dem Hammer bearbeitet.

Mehr als zwei Stunden, über 2800 Mal, schlägt der Goldschläger auf das Päckchen, dann hat es die gewünschte Dünne von einem 14000stel Millimeter erreicht. Es wird in ein Heft aus Seidenpapier eingelegt, damit es geschützt ist.

Ersatz durch Maschinen

Über Jahrhunderte haben nur Menschen das Handwerk ausgeübt. Lange hat es gedauert, bis Ingenieure eine Maschine entwickelt haben, die das auch kann. Seit 1970 sind die Maschinen am Werk. Was gleich geblieben ist, ist die Größe des Blattes, auch „Achtzgerle“ genannt: Die Einheitsgröße beträgt 80 x 80 Millimeter. Es wird nach ganz Europa geliefert, denn Schwabach ist heute die einzige Stadt in Europa, in der Blattgold hergestellt wird. Vieles davon wird ins Ausland verschickt.

Wozu der Aufwand? Gold ist ziemlich teuer, ein Kilogramm kostet etwa 32 300 Euro. Würde man eine Statue komplett aus Gold machen, wäre diese sehr wertvoll und würde vielleicht gestohlen werden. Ein Stück Blattgold kostet hingegen nur etwa einen Euro. So lassen sich große Flächen einfach und günstig vergolden. Wie das geht, durften wir selber ausprobieren.

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