So jung und schon im Bayerischen Landtag?

24.9.2018, 14:17 Uhr
So jung und schon im Bayerischen Landtag?

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So jung und schon im Bayerischen Landtag?

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Die erste Zeit im Bayerischen Landtag war für mich natürlich sehr aufregend", erzählt Ilse Aigner, die heute stellvertretende Ministerpräsidentin ist. "Das lag aber nicht nur am Alter. Eine neue Aufgabe ist vielmehr immer etwas Spannendes."

Schon in der Schulzeit war sie häufig Klassensprecherin gewesen. Später setzte sie sich "gerne für die Belange der Gemeinschaft ein und sprach vor vielen Menschen".

Als sie 1994 in den Landtag gewählt wurde war sie 29 – und damit nach dem heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder (damals 27) die jüngste Abgeordnete der CSU. "Ich hatte vorher schon politische Erfahrungen auf kommunaler Ebene gesammelt", erinnert sich die heute 53-jährige Aigner. Daher wusste sie, "was es heißt, in einer Demokratie eine Lösung oder einen Kompromiss zu finden". 

Aigner appelliert: "Ich kann nur jeden ermutigen, sich auch schon in jungen Jahren zu engagieren, sei es politisch, sei es im Verein oder einfach in der Nachbarschaft und bei seinen Freunden und Bekannten. Jeder sollte sich für die Dinge einsetzen, die ihm am Herzen liegen."

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Katharina Schulze, die Spitzenkandidatin der Grünen im aktuellen Landtagswahlkampf, war 28, als sie in den Landtag gewählt wurde. Heute ist sie 33. "Ich bin schon mit 25 Münchner Grünen-Vorsitzende geworden", sagt sie, "darum war ich das ein bisschen gewöhnt, immer die Jüngste zu sein. Das kannte ich schon."

Aber natürlich sei es doch noch mal etwas anderes gewesen, Landtagsarbeit zu machen anstatt Parteiarbeit. "In der Partei kannst du relativ viel selber machen. Da packt man einfach an und gestaltet", erklärt Katharina Schulze.

Im Landtag dagegen sei alles formaler. "Wenn du da zum Beispiel einen Antrag einreichen willst, gibt es verschiedene Dinge zu beachten." Von der Arbeitsweise her war es also schon eine Umstellung. "Und klar, natürlich ist man aufgeregt, wenn man das erste Mal im Plenum reden darf. Sicherlich habe ich auch ein paar Stereotype bei anderen Leuten geweckt. Aber das ist okay." 

Bei Katharina Schulze diente  die Schule als Eintrittskarte in den Landtag. "Ich habe schon immer viel ehrenamtlich gemacht, also so Klassiker wie Klassen- und Schülersprecherin. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass mich immer mehr umtreibt, was man auf politischer Ebene ändern muss. Wie bekämpfen wir die Klimakrise und den Anstieg des Rechtsextremismus? Warum verdienen Frauen immer noch weniger als Männer für die gleiche Arbeit?" Katharina Schulze erkannte: "Nur wenn man sich politisch einbringt, dort, wo die Gesetze direkt gemacht werden, kann man die Gesellschaft verändern." Und dann trat sie in die Jugendorganisation der Grünen, die Grüne Jugend, ein.

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Wenn der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Karl Freller heute zurückdenkt und merkt, "dass die eigenen Kinder jetzt alle schon weit über 26 sind", dann sagt er sich: "Ich war damals noch verdammt jung!" Dennoch seien seine Kollegen "ausgesprochen freundlich" gewesen. "Es war von der ersten Stunde an ein schönes Arbeiten in München."

Freller, der heute 62 ist und erneut für den Landtag kandidiert, hatte damals "wirklich wenig Probleme, Anschluss zu finden. Die Kollegen waren sehr hilfreich und haben es bewundert, weil sie selbst zum Teil nur mit sehr großer Mühe in den Landtag gekommen sind." Kaum einer habe glauben wollen, dass es möglich gewesen war, vom letzten Platz der Liste hochgewählt zu werden.

Karl Freller hatte zunächst als Redakteur fürs Schwabacher Tagblatt gearbeitet, dann aber – "veranlasst durch die Jugendarbeit in der katholischen Kirche" – im Fernstudium Religionspädagogik studiert. Als Religionslehrer begann er, für die Schwabacher CSU Presseartikel zu machen. "Das hat sich dann alles sehr gut entwickelt, und dadurch habe ich auch erstmals 1978 für den Stadtrat kandidiert, da war ich gerade mal Anfang 20."

Dann stand die Landtagswahl 1982 bevor, und Frellers Kreisvorsitzender bedauerte sehr, "dass auf der Liste der CSU in Mittelfranken kaum junge Leute standen. Er hat mir damals vorgeschlagen, zu kandidieren, weil noch ein Platz frei war – der letzte."

"Nicht meckern, sondern machen"

Seine politische Motivation zog Freller aus der beruflichen Tätigkeit als Religionslehrer: "Dabei habe ich Folgendes gemerkt: Es ist zwar gut, darüber zu sprechen, wie etwas optimal auf der Welt sein könnte. Aber es ist auch notwendig, etwas dafür zu tun. Und das Tun ist halt immer in der Politik verankert." Daher rührt sein Grundsatz: "Nicht meckern, sondern machen!"

Als junger Politiker im Landtag zu sitzen, ist mehr als nur ein netter Gedanke. Es ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. "Wenn die Demokratie nicht gestützt wird, ist sie in Gefahr", warnt Freller. "Es war in der Geschichte der Deutschen letztlich das Scheitern einer Demokratie in den 1920er Jahren, in der sogenannten Weimarer Republik, das zur größten Katastrophe der Menschheit geführt hat."

Zur Erinnerung: Diese Epoche begann nach dem 1. Weltkrieg mit der Ausrufung der Republik am 9. November 1918. Sie endete, als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde und damit die Nationalsozialisten die Macht ergriffen.

Freller ist überzeugt, "dass die Weimarer Republik existenzfähig geblieben wäre, wenn es damals mehr überzeugte Demokraten gegeben hätte. Am Anfang gab es nicht zu viele Nazis, sondern zu wenige Demokraten." Daher sieht er es  "als bittere Notwendigkeit" an, eine Demokratie zu sichern, indem man sich in ihr engagiert: "Das Mindeste ist, dass man sich informiert, das Nächste ist, dass man wählt und dann, dass man sich politisch engagiert. Ich ermutige alle jungen Leute, dies zu tun!"

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