Songs mit den Händen hörbar machen

3.8.2018, 10:00 Uhr
Songs mit den Händen hörbar machen

© Kevin Linner

Wer hören kann, macht sich keine Gedanken darüber, dass es auch Menschen gibt, die mit dem Gehör Probleme haben. Aber auch diese Menschen sind von Musik umgeben und nehmen sie wahr: Alessia zum Beispiel. Sie ist gehörgeschädigt und trägt zwei Hörgeräte, die ihr helfen, Musik zu hören. Die 17-Jährige tanzt auch sehr gerne. Ohne die Hilfsmittel wäre Alessia auf den Bass angewiesen, den sie immerhin spüren kann.

Ihre Mitschülerin Samantha ist gehörlos. Sie hört zu Hause keine Musik und müsste diese sehr laut aufdrehen, um den Bass zu fühlen. Hören kann die 23-Jährige ihn nicht. Deshalb wählte Lehrer Uwe Silbermann von der Berufsschule des Bezirks Mittelfranken Hören und Sprache in Nürnberg für sein Vorhaben einen Song, der sehr basslastig ist.

"Ich hörte im Auto ,Cross the Line‘ der Münchner Reggae-Band Jamaram und wusste, dass es der Song ist für unser Projekt", erzählt der Lehrer, der in seiner BvB-Klasse (Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme) auf viel Interesse stieß, als er von seinem Plan berichtete: mit Schülern ein Gebärdenlied-Video erstellen.

Viele Diskussionen

In seine Klasse gehen zehn Schüler, zwei sind hörend, fünf gehörgeschädigt und drei gehörlos. Deshalb gebärdet der Lehrer, während er spricht. Die erste Aufgabe der Jugendlichen war, den englischen und deutschen Songtext in Gebärdensprache zu übersetzen.

Aber das brachte schon die ersten Schwierigkeiten mit sich. "Wir haben viel diskutiert, welche Gebärden wir verwenden, da alle unterschiedliche gelernt haben", sagt Alessia. Wie in der gesprochenen Sprache gibt es auch in der Gebärdensprache unterschiedliche Dialekte. Und in England hat man wiederum andere Gebärden als in Deutschland.

Songs mit den Händen hörbar machen

© Kevin Linner

"Wir haben beschlossen, dass wir nur auf Deutsch gebärden und die Mehrheit entscheidet, welche Gebärde wir verwenden", berichtet die 17-Jährige. Ein weiteres Problem waren schwierige Wörter wie Empathie oder Willkür. "Im Gebärdenlexikon stehen nicht alle Wörter, so mussten wir erst mal klären, was die Begriffe bedeuten", erzählt Uwe Silbermann.

Bei der Willkür reichte dann auch die Gebärde nicht. "Hier braucht man Mimik, man muss also dabei böse schauen", sagt der Lehrer. Als feststand, welche Gebärden verwendet werden, ging es an den Dreh. Drei Versuche hatten Samantha, Daniela und Joshua vor dem Blue Screen, bei denen sie mit der Zeit ihre Aufregung in Griff bekamen, lockerer wurden und zum Schluss eine fehlerfreie Aufnahme hatten.

Gleichzeitig lesen und gebärden

"Es ist nicht so einfach, gleichzeitig Text zu lesen und zu gebärden", erzählt die 19-jährige Daniela, die gerne zu deutschen Liedern gebärdet, um in Übung zu bleiben.

Um am Ende im Hintergrund das Originalvideo von Jamaram verwenden zu können, mussten zudem die Lizenzen geklärt werden. "Wir hatten einen tollen Kontakt zur Band, die unsere Idee gut fand und uns auch bei den Verwertungsrechten half", erzählt Uwe Silbermann. So war es am Ende möglich, das fertige Video auf YouTube (Suche: hands and sound + Jamaram + Cross the line) und das Projekt auf http://handsandsound.bplaced.net zu zeigen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare