Spielen statt schrauben

25.4.2012, 10:00 Uhr
Spielen statt schrauben

© Eduard Weigert

Mit Kolben, Kurbelwelle und Zylinder kennt Peter Schottman sich aus. Der 26-Jährige ist gelernter Kfz-Mechatroniker. Seit vier Jahren dreht sich seine Arbeitswelt jedoch vielmehr um Spielzeugautos, Hausaufgaben oder die Seelenlage pubertierender Jugendlicher. Peter hat umgesattelt: vom Autospezialisten zum Fachmann in Sachen Kindererziehung.

Eigentlich hatte er sich den Weg in einen Sozialberuf selbst vorgegeben mit dem sozialen Zweig auf der Realschule und der anschließenden FOS. „Irgendwie hat mich der soziale Kram dann genervt und ich wollte etwas ganz anderes machen.“ Nach dreieinhalb Jahren Kontrastprogramm in der Autowerkstatt hat Peter sich doch noch umentschieden. „Der Kontakt und Umgang mit Menschen hat mir gefehlt.“

Inzwischen absolviert er sein viertes Ausbildungsjahr zum staatlich anerkannten Erzieher an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Altdorf. Bis ein Erzieher in einem Kindergarten oder Hort, einem Jugendclub oder einer Jugendhilfe-Einrichtung arbeiten kann, muss er insgesamt fünf Jahre schulische und praktische Ausbildung durchlaufen.

Am Anfang stehen zwei Jahre Lehrzeit zum Kinderpfleger. Zugangsvoraussetzung ist ein mittlerer Schulabschluss. Dank seiner abgeschlossenen Berufsausbildung musste Peter nur eines der zwei Vorpraktikumsjahre im Kindergarten leisten.

95 Prozent der Kinderpfleger packen aufgrund besserer Job- und Aufstiegsmöglichkeiten die Erzieherausbildung oben drauf, weiß Gabriele Reiser, Leiterin der Altdorfer Fachakademie. 200 bis 300 Anmeldungen für 70 Plätze pro Jahr verzeichnet Reiser. „Und man könnte noch mehr junge Leute in diesen Beruf bringen, wenn die Bezahlung stimmen würde.“

Magere Bezahlung

Die Vorpraktikanten werden mit mageren 300 Euro im Monat entlohnt, das dritte und vierte Jahr an der Schule ist unbezahlt. Peter hält sich mit einem Nebenjob, 600 Euro Meister-BaföG und einem Zuschuss der Eltern über Wasser.

„Im dritten und vierten Jahr hat man fast nur Schule“, erzählt Peter. Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Psychologie und Heilpädagogik, Erziehung zum Umweltschutz und Wahlfächer wie Theater oder Kunst. Dazu kommen Praktikumsphasen: In einer Grundschule zu hospitieren gehört genauso dazu wie mit behinderten Kindern zu arbeiten oder eine Jugendfreizeit zu begleiten.

Das fünfte Ausbildungsjahr ist ein Praxisjahr. „Das Berufsanerkennungsjahr ist die Feuertaufe für uns Erzieher“, weiß Peter. Er ist einer der wenigen jungen Männer, die sich für den Beruf Erzieher entscheiden. In seiner Klasse ist er einer von vier Jungs, an der ganzen Fachakademie mit ihren 240 Studierenden machen die Jungen höchstens 15 Prozent aus. „Wir Männer sollten professionelle Erziehungsarbeit nicht allein den Frauen überlassen“, wirbt Peter um männliche Mitstreiter.

Ein Mädels-Beruf?

„Jungs, die mit 16 oder 17 Jahren direkt nach der Schule zu uns kommen, sind selten. Aber die älteren, oft schon mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, entscheiden sich bewusst für den Beruf und werden dann sehr gute Kräfte“, weiß Studiendirektorin Reiser.

Wie die meisten männlichen Absolventen will auch Peter nach dem Abschluss in die Jugendarbeit gehen: „Männer werden aber in allen sozialpädagogischen Bereichen dringend benötigt.“ Peter strebt eine Stelle in einer heilpädagogischen Tagesstätte an, in der schwierige Jugendliche besonders gefördert werden. „Ich habe einen guten Draht zu jungen Menschen, kann gut mit ihnen reden. Das ist wichtig“, sagt Peter. „Man muss aber auch streng sein können, nicht nur der Kumpel.“

Einfühlungsvermögen und Flexibilität nennt er als wichtige Charakterzüge, die ein Interessent für den Erzieherberuf mitbringen muss. Und eine gute Portion Idealismus, denn mit knapp 2000 Euro brutto ist der Beruf alles andere als üppig bezahlt.

Einige nehmen nach der Ausbildung deshalb noch ein Studium auf. Die Evangelische Hochschule in Nürnberg hat darauf reagiert: Sie bietet ab dem Wintersemester 2012/2013 einen Bachelor-Studiengang „Erziehung, Bildung und Gesundheit im Kindesalter“ an, bei dem angehende Erzieher neben dem Studium ihre Ausbildung absolvieren. Damit soll das Berufsfeld auch für Abiturienten attraktiver werden.

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