Talent im Land: „Das ist meine Zukunft“

2.9.2015, 08:00 Uhr
Talent im Land: „Das ist meine Zukunft“

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Wenn Anna von der Sommerakademie am Bodensee und einer Studienfahrt nach Rom erzählt, klingt das zunächst nach Urlaub. Durch die italienische Metropole streifen, Arabisch-Sprachkurs und Unterricht im Garde- oder Hip-Hop-Tanzen. „Wir hatten aber auch ein ziemlich straffes Programm“, berichtet Anna. Während sich in Rom alles um das Thema Bildung im Allgemeinen drehte, ging es nun bei der Sommerakademie konkret darum, berufliche Perspektiven der Teilnehmer auszuloten.

Arbeit und Freizeit wechseln ab

Diese Mischung aus Arbeit und Freizeit sei typisch für die Veranstaltungen des Stipendienprogramms „Talent im Land“, berichtet Anna, in das sie im Sommer 2014 aufgenommen wurde. Über eine Freundin ihrer Mutter hatte sie von dem Angebot gehört, das ursprünglich eingeführt wurde, um begabte Schüler mit Migrationshintergrund zu fördern. Seit vergangenem Jahr können sich aber auch Jugendliche ohne Zuwanderungsgeschichte um einen der jährlich 50 Plätze in Bayern bewerben. So wurde Anna zum „Tiler“, wie sich die Stipendiaten nennen. „Nachdem man sich kennengelernt hat, ist das wie eine große Familie“, schwärmt Anna.

Bereits die zirka sechsstündige Anreise mit dem Zug zur Sommerakademie in Überlingen sei ein Erlebnis gewesen. „Nach und nach stiegen an den Bahnhöfen immer weitere Tiler zu“, erinnert sich Anna. „Am Schluss waren bestimmt 20 von uns im Zug.“ Die einwöchige Veranstaltung im August habe sie bestärkt, zu ihrem Berufswunsch zu stehen und Betriebswirtschaftslehre (BWL) zu studieren.

„Es heißt ja immer: BWL studieren alle, die nicht wissen, was sie sonst machen sollen“, erklärt die 17-Jährige. „Das hat mich sehr verunsichert.“ In Gesprächen mit Professoren und Studenten sei bei ihr während der Akademie dann die Idee gereift, in Richtung Finanzen und Controlling zu gehen, schildert die angehende Zwölftklässlerin von der Städtischen Fachoberschule (Fos) Nürnberg.

Anderen der insgesamt 90 Teilnehmer aus Bayern und Baden-Württemberg sei es ähnlich gegangen: „Das Angebot hat vielen geholfen, die vorher unsicher waren, was sie beruflich machen sollen.“ In sechs Gruppen beschäftigten sich die Schüler mit so verschiedenen Themen wie Internationaler Politik, Journalismus, Psychologie, Medizin und Wirtschaft.

Abends kamen teilweise Gäste, etwa ein deutscher Arzt, ein Vertreter der Bundeswehr und ein Fotojournalist, die ihre Eindrücke aus dem Afghanistan-Krieg schilderten. Oder die Tiler gestalteten kurzerhand das Programm selbst und boten Kurse an, etwa in ihrer Muttersprache, im Hip-Hop-, Garde- und Volkstanz.

Tolerant und offen

Ob die Fahrten des Programms ein bisschen wie Klassenfahrten sind? Anna schüttelt den Kopf. „Bei den Klassenfahrten bilden sich immer Grüppchen. Hier sind alle sehr viel toleranter und offener. Man lernt eigentlich jeden kennen.“ Anna sagt, ihr sei die Schule schon immer wichtig gewesen. Denn: „Das ist meine Zukunft.“ Ihr Stipendium motiviere sie aber, sich noch mehr anzustrengen. „Ich habe so viel bekommen“, fasst die Nürnbergerin zusammen. „Da möchte ich auch Leistung zurückgeben.“

Tiler können nicht nur an diversen Veranstaltungen teilnehmen, sondern erhalten auch ein Stipendium von 100 Euro im Monat für Schulsachen und Bücher. „Für meine Familie ist das schon eine enorme Entlastung“, stellt Anna fest.

Das gilt umso mehr, da auch Klassenfahrten bezuschusst werden, und sich die Stipendiaten einmal einen Computer oder Laptop auf Staats- und Stiftungskosten kaufen dürfen. „Ansonsten geht es oft um kleine Dinge“, meint Anna. „Mein Taschenrechner für die Fos hat zum Beispiel fast 50 Euro gekostet. Dabei hatte ich erst kurz vorher einen neuen für die Realschule angeschafft, den ich jetzt aber nicht mehr benutzen darf.“

Das Stipendienprogramm „Talent im Land — Bayern“ gibt es seit sechs Jahren. Bewerben können sich Schüler einer weiterführenden Schule, die das Abitur oder Fachabitur anstreben und mindestens eine neunte Klasse besuchen. Ausgewählt werden die Stipendiaten dann nach ihrer Begabung, ihrer sozialen Lage und ihrem gesellschaftlichen Engagement.

Bei Aufnahme in das Programm müssen die Jugendlichen noch mindestens zwei Jahre bis zu ihrem Abschluss haben. Bewerber müssen unter anderem einen handgeschriebenen und einen tabellarischen Lebenslauf einreichen, Kopien ihrer Zeugnisse sowie ein schriftliches Gutachten eines Lehrers. Dieses dient dazu, die Begabung des Bewerbers besser einzuschätzen. Schließlich resultieren schlechte Noten womöglich lediglich aus fehlenden Deutschkenntnissen.

Das Stipendienprogramm wird vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie von der Robert Bosch Stiftung finanziert. Weitere Informationen unter www.til.bayern.de

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