Tragödie oder Leiden? Goethe und die Schüler

16.1.2017, 09:00 Uhr
Tragödie oder Leiden? Goethe und die Schüler

© Foto: PR

Spätestens in der 11. Klasse hat jeder Schüler sein erstes Mal mit Johann Wolfgang von Goethe beziehungsweise mit einem Werk von ihm. Bei den meisten ist es wie bei mir: „Faust. Eine Tragödie.“ Oder die Alternative: „Die Leiden des jungen Werther.“ Ob eine Tragödie oder ein Leiden, eins von beiden ist es für fast alle Schüler.

Das in dem leuchtend gelben Umschlag eingebundene Reclamheft ist bei den meisten Schülern schon beim ersten Anblick unten durch – Schullektüre halt. Und dann gibt’s da noch die Weimarfahrt, bei der die Weimarer Klassik mit ihren Helden Goethe und Schiller rauf und runter gebetet wird.

Eigentlich ist das ein unschätzbares Erbe der Dichter und Denker, das man da zu Gesicht bekommt. Doch mit den besten Freunden auf einer Mini-Klassenfahrt haben auch Deutschlands alte Multitalente kaum eine Chance.

Zwar machen Sätze wie „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“ schon Eindruck auf den jugendlichen Leser. Aber zwischen dem Klausurenstress nimmt man sich als Schüler selten Zeit zum Lesen. Schon gar nicht für eine Lektüre.

So konnten „Faust“ und ich anfangs keine innige Beziehung zueinander aufbauen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich dieses Beispielwerk deutscher Literaturkunst durchgekaut.

Ich muss sagen: Zwischendurch konnte „Faust“ mir hin und wieder imponieren, doch landen konnte er bei mir erst in einer der letzten Stunden zu diesem Thema. Was Goethes Drama trotzdem faszinierend machte, war die Komplexität sowie die Aktualität der Handlung.

Auch die einmalige Sprachgestaltung aus Prosa und unterschiedlichen Versformen, Metren und Rhythmen, die an den Sprecher angepasst sind, blieb im Gedächtnis. Ich wunderte mich nicht, dass Goethe an „Faust. Eine Tragödie.“ geschlagene 36 Jahre geschrieben hat!

Das Drama ist keine leichte Kost, aber das ist Weltliteratur eher selten. Doch wenn man mal ausblendet, dass es sich dabei um eine Pflichtlektüre in der Oberstufe handelt, die vor über 200 Jahren veröffentlicht wurde, trifft man auf Themen, die auch junge Menschen heute noch beschäftigen.

Zum Beispiel die Frage, wo die Grenze liegt. Wie weit sollte man für seine Ziele gehen und wo hört Moral auf?

Mein erstes Mal mit „Faust“ ist gründlich in die Hose gegangen. Aber auf den letzten Metern konnte auch ich sehen, was dieses Drama ist: das Lebenswerk eines der bedeutendsten Menschen, die die Welt zu bieten hat.

Verwandte Themen


Keine Kommentare