Vips mit Grips: Konrad Zuse

3.3.2015, 09:21 Uhr
Vips mit Grips: Konrad Zuse

© Viktoria Feifer

„1,57 Promille“ ruft Klaus Stengel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Informatik-Sammlung Erlangen (Iser). Kann nicht sein, ich bin nicht betrunken, ich habe einfach nur einen Moment lang gepennt.

Stengel hatte einen Lochstreifen in den Lochstreifenleser direkt neben der Zuse Z23 eingelegt. Die Löcher beschreiben ein Programm aus Rechenoperationen.

Vips mit Grips: Konrad Zuse

© Foto: Edgar Pfrogner

Anschließend gab Stengel eine Tastenkombination am Bedienpult ein, und nach wenigen Sekunden ertönte ein schriller Piepton. Das Programm, das über den Lochstreifenleser eingelesen wurde, ist ein simples Computerspiel, bei dem die Reaktionsgeschwindigkeit des Bedieners getestet wird.

„Schnell, drück’ eine beliebige Taste“, fordert Stengel, als sich der Ton verändert. Dann wird meine Reaktionszeit berechnet und das Ergebnis ausgedruckt. Als Gag wird aufgrund der Reaktionszeit auch jeweils ein Promille-Wert mit angegeben.

Das Computerspiel haben Erlanger Studenten in den 1960er Jahren entwickelt. Es läuft nicht auf einem Gameboy oder auf einer Playstation, sondern braucht ein mittelgroßes Zimmer. Denn so groß ist die Zuse Z23.

Kreativer Kopf

Gebaut hat sie Konrad Zuse. Der deutsche Bauingenieur, Erfinder und Unternehmer wurde 1910 in Deutsch-Wilmersdorf bei Berlin geboren. 1935 schloss er sein Studium ab. Seine erste Erfinderwerkstatt richtete er sich wenig später in der Wohnung seiner Eltern ein.

Dort entstand auch seine erste programmierbare Rechenmaschine, die Z1. Aber die funktionierte nicht richtig. Ihre Nachfolgerin, Zuses Z3, gilt als erster funktionstüchtiger Computer der Welt. Sie arbeitete noch mit Relais, ab der Zuse Z22 im Jahre 1958 waren Röhren im Einsatz.

Die Weiterentwicklung Z23 ein Jahr später hatte schon Transistoren. Seit Jahren ist dieser Rechner ein fester Bestandteil der Iser. Und vor allem ist er jetzt – nach erfolgreicher Restaurierung – eine der wenigen noch voll funktionstüchtigen Zuse-Rechenanlagen weltweit.

Insgesamt zweieinhalb Jahre hat ein Team aus Experten, zu denen auch Volkmar Sieh vom Lehrstuhl Informatik 4 und Edwin Aures vom Lehrstuhl Informatik 3 der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg gehörten, an der Z23 gemessen, gelötet und getüftelt.

Viel Geduld

Platinen wurden wieder richtig eingesetzt und defekte Bauteile wie Transistoren ausgetauscht. Mit viel Fingerspitzengefühl und Geduld haben die Experten die elektronische Rechenanlage wieder zum Laufen gebracht. „Ohne die tatkräftige Unterstützung des ehemaligen Zuse-Technikers Günter Hartmann, der sogar extra mit seinem Wohnwagen nach Erlangen gekommen ist, hätten wir das nie hinbekommen“, berichtet Aures.

Vips mit Grips: Konrad Zuse

© Foto: privat

„Eine der schwersten Aufgaben war die Reparatur und Neujustierung des Magnettrommelspeichers – die dauerte nämlich ein ganzes Jahr“, erklärt Aures. Die Magnettrommel der Z23 ist sozusagen ihre Festplatte.

„Die Fehlersuche hört nie auf“, sagt Aures, denn es treten immer wieder neue Probleme auf, um die sich das Team kümmert. Und wenn die Zuse Z23 neun Stunden lang gerechnet hat, braucht sie eine Stunde Reparaturpause.

Der lange Weg der Zuse

Als die Zuse Z23 in die Informatik-Sammlung Erlangen (Iser) kam, hatte sie einige Stationen hinter sich. Die erste davon war das Mathematische Institut der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen. Dort wurde die Maschine 1962 erstmals in Betrieb genommen — Kaufpreis damals: 340 000 DM.

Die Investition lohnte sich, weil die Mathe-Studenten so das Programmieren lernen konnten. Außerdem wurde die Z23 auch von Studenten anderer Institute genutzt, um Forschungsaufgaben zu bearbeiten. Erst 1976 wurde sie ausrangiert und durch eine Lochkarteneingabe- und Druckerausgabe-Station ersetzt.

Vips mit Grips: Konrad Zuse

© Foto: gms

Davon konnten die Schüler des Erlanger Christian-Ernst-Gymnasiums (CEG) profitieren, denn die Z23 wurde von der Uni an das Gymnasium weitergegeben. Bis zu einer Netzstörung im Jahr 1983 war die Zuse ein fester Bestandteil des Informatik-Unterrichts an der Schule. „Im Keller des CEG ist die Zuse nach der Abschaltung nie mehr in Betrieb gesetzt worden“, erklärt der Iser-Mitarbeiter Edwin Aures, „und das war unser Glück.“ Denn so blieb nicht nur die Z23 selbst erhalten. Auch nahezu alle Unterlagen wurden aufbewahrt. Für die Restaurierung wurde sie im Jahr 2009 zurück an die FAU gebracht.

Umfangreiche Sammlung

Die Zuse Z23 ist nicht das einzige Ausstellungsstück der Informatik-Sammlung Erlangen. Diese beherbergt auch mathematisch-geometrische Instrumente, sogenannte Analogrechner wie harmonische Analysatoren und Tischrechenmaschinen, die von Besuchern bei Vorführungen bestaunt werden können.

„Leider haben wir nicht genug Platz“, sagt Guido Nockemann, wissenschaftlicher Leiter der Iser. Er möchte besonders die jüngeren Studenten von den alten Geräten begeistern, „damit das Wissen über Instandhaltung und Umgang noch lange erhalten bleibt“.

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