Vom Feuerwerker bis zur Pailletten-Prinzessin

30.12.2017, 10:26 Uhr
Vom Feuerwerker bis zur Pailletten-Prinzessin

© Ralph Meidl

Die Mitternachtsküsser

Die Mitternachtsküsserin strebt stets nach Aufmerksamkeit und kann nie lange allein sein. Dennoch taucht sie vorwiegend ohne Begleitung auf der Silvesterfete auf. Zu Beginn der Party verschafft sie sich schon einen Überblick, wer mit Partner und wer ohne da ist. Die Single-Herren werden den Rest des Abends umworben. Wer eignet sich als perfekter Kandidat? Denn wie alle einsamen Ladys an Silvester hat sie nur ein Ziel: um Mitternacht nicht allein dastehen.

Wie der Name schon sagt, möchte die Mitternachtsküsserin um Mitternacht geküsst werden. Am besten noch von ihrem Traumprinzen, den sie schon immer gesucht hat. Sie kann ja nie lange allein sein. Vielleicht kann sie einfach auch nur den Traum von der großen Liebe noch nicht aufgeben.

Das männliche Pendant zur Mitternachtsküsserin hat ein paar Schönheitskomplexe, strebt ebenfalls nach Aufmerksamkeit und nimmt jedes Silvester mindestens ein Mädel mit nach Hause. Genau wie sein weibliches Gegenstück fokussiert er sich den ganzen Abend auf die Schönheiten ohne Begleitung. Jede hätte ja das Glück, ihn um Mitternacht zu küssen!

Die Entscheidung fällt dem Mitternachtsküsser gar nicht leicht. Die eine hat schöne Augen, die andere eine bessere Figur und die dritte hat tolle lange blonde Haare. Am besten er versucht es bei allen dreien.

Meist enden seine Anmachversuche ohne Erfolg: Aufgrund seines meist pfauenhaften Paarungsverhaltens verscheucht er die meisten geeigneten weiblichen Kandidatinnen. Die Tragik des Ganzen dafür wird ihm erst bewusst, wenn er merkt, dass er eigentlich doch nur ein bisschen Zuneigung für den kurzen einsamen Moment um Mitternacht sucht.

Der Gesellschaftsspieler

"Es wäre doch echt lustig, wenn wir alle zusammen mal wieder ein paar Gesellschaftsspiele spielen würden, so wie früher, als wir noch klein waren." Mit diesen Worten startet der Gesellschaftsspieler seinen Feldzug. Und wenn man ihm nicht mit einem klaren "Nein" sofort den Wind aus den Segeln nimmt, gibt es kein Entkommen mehr.

Denn der Gesellschaftsspieler ist vorbereitet und ehe man sich versieht, sitzt die ganze Partygesellschaft gequetscht um einen Tisch – und los geht es. Angefangen mit fünf bis sieben Runden Uno steigert man sich langsam. Mensch-ärger-dich-nicht, die Siedler von Catan und natürlich der Klassiker, Activity.

So geht das einige Zeit weiter, und auch wenn die Mehrheit der Anwesenden die Regeln kaum bis überhaupt nicht mehr kennt, wird der Gesellschaftsspieler nicht müde, sie immer wieder neu zu erklären.

Blöd wird es, wenn er dabei Konkurrenz von einem Mitspieler bekommt, der glaubt, genauso viel zu wissen. Denn eines mag der Gesellschaftsspieler überhaupt nicht: das Zepter aus der Hand geben. Wer jetzt aber glaubt, das sei das größte Konfliktpotenzial an diesem Abend, hat sich getäuscht. Denn zum Schluss gibt der Gesellschaftsspieler noch mal alles und zaubert Monopoly auf den Tisch.

Einige kluge Spieler ziehen sich an diesem Punkt aus Selbstschutzgründen zurück. Denn sind wir mal ehrlich: Wer von uns hat je in seinem Leben schon mal eine Runde Monopoly an einem Abend zu Ende gebracht? Entweder gibt man nach Stunden entnervt auf oder das Spiel endet schon vorher in lauten Diskussionen. Da kann man nur hoffen, dass bald Mitternacht ist, damit man irgendwie aus der Nummer wieder rauskommt.

Der Fondue-König

Eine Funktion hat der Fondue-König eigentlich nur einmal im Jahr. Deshalb freut er sich schon seit Jahresbeginn auf das Ende des Jahres. Dann packt er nämlich mit professioneller Miene wieder sein Wundergerät aus. Dabei ist eines ganz wichtig: Der Auspack-Vorgang findet nicht statt, bevor die Gäste anwesend sind.

Nein, das wäre viel zu unprofessionell. Der Fondue-König wartet natürlich bis jeder da ist, der sein Wundergerät sehen soll. Denn er hat nicht so ein Billiggerät aus dem Discounter. Nein, seines ist mit einem Stromanschluss versehen. Sitzen alle am Tisch, wird das Gerät dann aus seinem Ganzjahresschlaf in der Verpackung hervorgeholt.

Doch so ein Fondue ist nichts für Anfänger. Deshalb gibt es jetzt noch eine kurze Einführung in die höhere Fondue-Wissenschaft. Nachdem im Fernsehen dann schon fast der ganze Musikantenstadel rum ist, kann es auch losgehen mit dem Essen.

Jetzt noch den Stecker rein und – Zack! – die Gäste sitzen im Dunkeln. Der Fondue-König ist in heller Panik und es kommen dunkle Erinnerungen ans vergangene Jahr auf. War da nicht damals ein Kurzschluss im Wunderfondue? Und auch bei den geladenen Gästen werden Erinnerungen wach.

Mussten wir unser Fleisch nicht vergangenes Jahr schon in der Pfanne braten statt im Fondue-Topf? Dem Fondue-König ist das jetzt natürlich total peinlich. Ist ihm so etwas doch sonst noch nie passiert. Statt Fleisch oder Paprika stellt sich bei ihm jetzt vor allem eine Frage: Wo bekomme ich für die nächste Silvesterfeier ein neues Gerät her?

Der Feuerwerker

Silvester wäre nicht Silvester, wenn es nicht diesen extra Knall gäbe, dieses unverwechselbare Lichterspiel am abendlichen Himmel des 31. Dezembers: das stolze Werk des Feuerwerkspyromanen, der lauteste Silvesterstereotyp in dieser ersten Nacht des neuen Jahres.

Aber der Mann mit dem großen Knall macht sich nicht nur zu Silvester bemerkbar. Jeder kennt so eine Person, die schon Wochen vor Silvester anfängt, allen von ihren aberwitzigen Pyro-Plänen zu berichten. Man rollt eigentlich erst mal nur die Augen, doch dann staunt man nicht schlecht. Denn er hat bei der Party riesige Raketen, tonnenweise Böller und massenweise Knallfrösche dabei.

Nicht genug damit: Diese ganzen Knallkörper werden nun in Gullis geschmissen, zu schier endlosen Ketten verbunden oder tausende Stück auf einmal in den Briefkasten von nebenan gestopft. Und wenn man denkt, man sei endlich sicher, geht direkt hinter einem die Mülltonne der Nachbarn in die Luft. Dann heult der Hund und faucht die Katze. Aber unser Sprengstoffexperte freut sich trotzdem, wenn man ihm sagt, er hätte von allen Gästen den größten Knall.

Wenn man etwas später, so gegen zwei Uhr, aus seiner Deckung im sicheren Haus herauslugt, sieht man Meister Sprengfroh immer noch unentwegt Mülltonnen zersprengen. So endet die Nacht erst dann, wenn alles leer geknallert wurde. Aber mal ehrlich: Was wäre Silvester ohne den Feuerwerkspyromanen?

Der Fit-ins-Jahr-Starter

Jeder kennt diese Menschen, die den Traditionen der Silvesterfeier nicht sonderlich viel abgewinnen können: Sie schauen schon immer nervös auf die Uhr, während die dritte Runde Raclette-Pfännchen noch langsam gar wird – fast so, als könnten sie mit ihrem Blick die Zeiger schneller dazu bringen, auf zwölf Uhr zu rücken.

Raketen halten diese Leute für rausgeschmissenes Geld und beschweren sich lediglich über deren Gestank. Am Bleigießen nehmen sie erst gar nicht teil, da Blei zu viele Schadstoffe enthält. Und noch während die Kohlensäure des Mitternachtssekts auf der Zunge bitzelt, verschwinden sie nach Hause, um ihren Schönheitsschlaf zu halten.

Der Fit-ins-Jahr-Starter hält nicht so viel von den Silvesterbräuchen, legt aber dafür umso mehr Wert darauf, das neue Jahr gesund und voller Elan zu begrüßen. Am 1. Januar stürzt er sich dann voller Eifer in den Hausputz, übt eine gepflegte Runde Power-Yoga oder startet einen ausgedehnten Neujahrsspaziergang.

Das wäre alles gar nicht schlimm, hätte es sich der Fit-ins-Jahr-Starter nicht in den Kopf gesetzt, seine Mitmenschen an Neujahr auch zu aktiven und sportlichen Menschen zu bekehren. So werden auch jegliche Feuerwerkspyromanen, Fondue-Liebhaber und Partypeople im Umfeld zu unmenschlicher Uhrzeit aus dem Bett gescheucht.

Die Pailletten-Prinzessin

Sie schillert, funkelt und glänzt mit der Discokugel und dem Feuerwerk um die Wette: die Pailletten-Prinzessin. Auf jeder Silvesterparty gibt es mindestens eine, und man erkennt sie auch sofort. Sie trägt ein kurzes Kleid mit langen Armen, das über und über mit Pailletten bedeckt ist. In der Hand hält sie eine auf ihr Kleid perfekt abgestimmte, natürlich mit jeder Menge Pailletten besetzte Clutch.

Bei den Pailletten setzt sie auf edle Töne wie Gold, Silber oder Schwarz. Ihre schwindelerregend hohen High Heels glitzern ebenso wie ihr Lidschatten. Ihre Fingernägel hat sie noch am Vortag in einer zweieinhalbstündigen Sitzung bei ihrer Nageltherapeutin mit Glitzersteinen versehen lassen. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Silvester ist für die Pailletten-Prinzessin die Nacht der Nächte. Es ist ihre Chance, für ein paar Stunden ein Star zu sein und alle Blicke auf sich zu ziehen.

Doch das Tanzen fällt ihr etwas schwer, denn das Kleid ist zu eng und die Schuhe zu hoch. So wippt die Pailletten-Prinzessin mit einem Glas Champagner in der Hand zum Takt der Musik. Und am nächsten Morgen zieht sie ihre High Heels aus und klebt mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck ein Pflaster auf ihre Blasen an den Füßen.

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