Was soll ich mit mir anfangen?

17.4.2015, 17:50 Uhr
Was soll ich mit mir anfangen?

© Symbolfoto: colourbox.de

 Sie wissen nichts mit ihrem Leben anzufangen und geraten immer mehr in einen Teufelskreis. So erging es auch Rebecca und Lukas. Weil sie ihre richtigen Namen nicht hier lesen wollten, haben wir sie geändert. Die beiden 18-Jährigen haben uns ihre Geschichte erzählt – und wie sie mit Hilfe der Fürther Jugendberatungsstelle „Kompetenzen im Quartier“ (KIQ) aus dem Teufelskreis rauskamen.

Ich dachte, dass ich auch ohne Schulabschluss arbeiten gehen könnte“, sagt Rebecca verlegen. Also schwänzt die 18-Jährige ab der 9. Klasse regelmäßig den Unterricht an der Mittelschule. Stattdessen treibt sie sich mit Freunden herum – und steht schließlich ohne Quali da: „Mir war das damals egal.“

Ihre Mutter ermuntert Rebecca dazu, eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin anzufangen. Die Schulabbrecherin beginnt also ein Berufsgrundschuljahr (BGJ). Doch erneut verlässt sie der Wille: „Die Lehrer waren unfreundlich, und ich hatte Probleme mit Mitschülern“, erzählt sie. Also beginnt sie zu rebellieren, sucht Streit und wird rausgeworfen.

Von nun an sitzt Rebecca nur noch zu Hause, schläft bis Mittag und tut nichts. „Mir war der Ernst der Lage gar nicht bewusst“, sagt sie heute. Abermals ist es ihre Mutter, die schließlich eingreift: „Mama hat mich gedrängt, Hilfe zu holen.“ Also wendet sich die 18-Jährige an die Jugendberatungsstelle KiQ.

Etwa 600 junge Leute von zwölf bis 26 Jahren werden hier jährlich betreut. Die meisten haben weder einen Abschluss noch eine berufliche Perspektive. Einige Jugendliche kommen nur zu einem kurzen Beratungsgespräch, andere nehmen das Angebot der Beratungsstelle über Monate hinweg wahr.

Auch Rebecca: In der folgenden Zeit verfasst sie viele Praktikums-Bewerbungen und redet mit Sozialpädagogen. „Ich brauchte jemanden, der mir in den Hintern tritt“, erzählt Rebecca lachend. Trotzdem dauert es noch ein halbes Jahr, bis sie die Initiative ergreift und ein Praktikum in einer Bäckerei beginnt. Da machte es „klick“ bei ihr: „Ich wollte die Sache durchziehen.“ Deshalb bewirbt sie sich dort um eine Ausbildungsstelle.

Ihr Vorgesetzter ist kritisch. Trotzdem gibt er ihr eine Chance: „Ich bekam eine Stelle für einen fünfmonatigen Nebenjob“, sagt Rebecca. Bewiesen hat sie sich. Die einstige Schulverweigerin befindet sich jetzt im ersten Ausbildungsjahr zur „Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk Bäckerei“. Einmal in der Woche lernt sie in der Berufsschule. „Ich habe sehr gute Noten“, erzählt sie strahlend.

Das frühe Aufstehen fällt ihr jedoch schwer. Der Arbeitstag in der Bäckerei beginnt um 4.20 Uhr. An Motivation mangelt es der Bäckereifachverkäuferin aber inzwischen nicht mehr: „Nach meiner Ausbildung will ich mich weiterbilden“, sagt Rebecca. Inzwischen hat die 18-Jährige auch einen Freund. „Meine Kinder sollen später einmal stolz auf mich sein.“

Unterschiedliche Probleme

Und was rät die 18-Jährige anderen, die sich in einem ähnlichen Teufelskreis befinden? „Mach eine Ausbildung, such dir einen Nebenjob“, sagt sie, „es ist wichtig, etwas Festes im Leben zu haben.“ Trotz ihres steinigen Wegs würde Rebecca heute aber nichts anders machen: „Ich hab letztendlich mein Bestes gegeben – und das zählt.“

Seit über zwölf Jahren betreuen die Sozialpädagogen der Jugendberatungsstelle KIQ perspektivlose junge Leute. Die Probleme sind vielschichtig: Nicht immer mangelt es an einem Abschluss. Das zeigt die Geschichte von Lukas: „Ich ging auf eine Sportschule“, erzählt der 18-Jährige, „und war richtig gut in Basketball.“ Doch dann hat er einen schweren Unfall und darf eineinhalb Jahre keinen Sport mehr machen.

Seinen Schulabschluss macht er zwar, doch Basketball kann er erst mal nicht mehr spielen. Lukas ist frustriert, weiß nichts mit sich anzufangen. Freunde bieten ihm schließlich Rauschmittel an: „Ich wollte mich einfach wieder besser fühlen“, erzählt Lukas. Also beginnt er, Drogen zu nehmen. „Es dreht sich irgendwann alles nur noch um die Sucht.“

Lukas Familie leidet unter seiner Abhängigkeit: Seine Mutter schläft nicht mehr, alle machen sich große Sorgen. „Ich kam manchmal Wochen nicht heim“, erzählt er. Als seine Mutter krank wird, beschließt Lukas, etwas zu unternehmen. Er erinnert sich an die Beratungsstelle KIQ, die bis vor kurzem noch Kompetenzagentur hieß: „Die haben ihr Angebot mal bei uns in der Schule vorgestellt.“

Dort bekommt er Hilfe. „Ich habe viele Bewerbungen geschrieben und hatte wieder einen geregelten Alltag.“ Nach einigen Fehlversuchen schafft es Lukas, von seiner Drogensucht loszukommen. An einer Tankstelle qualifiziert er sich jetzt für eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Lukas ist zufrieden und möchte sich mal selbstständig machen.

Eines jedoch freut den 18-Jährigen besonders: „Ich spiele wieder Basketball.“ Auch seiner Familie ist er dankbar: „Wir haben einen starken Zusammenhalt“, sagt Lukas, „ohne ihre Unterstützung wäre ich heute nicht hier.“ Für Jugendliche, die Ähnliches durchmachen, hat der Basketballer einen Tipp: „Überlegt genau, bevor ihr etwas tut – und vertraut euch so früh wie möglich jemandem an.“

Hier gibt’ s Hilfe:

Fürth: Jugendberatungsstelle Kompetenzen im Quartier, Mathildenstraße 13, Tel. 09 11 / 23 99 35 40. http://tinyurl.com/k99hhrb

Nürnberg: Kompetenzagentur bei der Noris-Arbeit (NOA), Kreutzerstraße 5, Tel. 09 11 / 99 93 48 78. http://tinyurl.com/lqbbck9

Erlangen: Kompetenzagentur Erlangen, Alfred-Wegener-Straße 11, Tel. 0 91 31 / 92 00 47 77.
www.kompetenzagentur-erlangen.de

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