Werbung oder Wissenschaft?

24.2.2015, 19:44 Uhr
Werbung oder Wissenschaft?

© Foto: Universität Erlangen-Nürnberg

Dunkelbraune Stuhlreihen, dreckig-grauer Teppichboden und eine in 70er-Jahre-Grün gestrichene Zimmerdecke – so sah der Hörsaal H9 am Südgelände der Uni Erlangen bis 2013 aus. In den Sommerferien rückten die Handwerker an. Sie brachten ergonomisch geformte, helle Stühle, neuen Teppich, weiße Farbe und moderne Technik mit. Der muffige Raum wurde hell und freundlich. Außerdem schraubten sie Buchstaben an die Wand: Werner-von-Siemens-Hörsaal steht dort seitdem. Denn Siemens hat die Renovierung bezahlt.

Das Unternehmen und die Universität verbinden mehr als 100 vertraglich vereinbarte Kooperationen in Lehre und Forschung. Das sogenannte Hörsaal-Sponsoring ist eine davon. Dabei zahlt eine Firma Geld, damit ein Raum der Hochschule nach ihr benannt wird. „Imagebildung mit gesellschaftlichem Engagement“ heißt das in der Marketingsprache. Die Sponsoren dürfen „ihre“ Hörsäle auch für Firmenveranstaltungen nutzen. Die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) stellt ihren Partnern zudem Vorteile in Aussicht, wie die „Profilierung bei Studierenden und Gästen durch das Logo direkt vor dem Hörsaal“ und den „Multiplikatoreffekt durch die Erwähnung im Vorlesungsverzeichnis“. 130 000 Euro war das der Nürnberger Teambank wert. Sie veröffentlichte die Summe, mit der sie 2007 dafür sorgte, dass aus dem Hörsaal 5 am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der „Easy-Credit-Hörsaal“ wurde.

„Wir arbeiten in vielen Bereichen mit der Wirtschaft zusammen und das ist eine Möglichkeit, Dinge zu finanzieren, die wir sonst nicht finanzieren könnten“, sagt Markus Leber. Als Vize-Kanzler der FAU fertigt er die Verträge mit den Unternehmen. Eigentlich müsste der Freistaat Bayern als Träger der Universität für die Gebäude aufkommen, aber in Zeiten knapper Kassen werden bröckelnde Wände vor 40 Jahre alten Stühlen erneuert. „Wenn wir dank Sponsoren solche sinnvollen Maßnahmen trotzdem durchführen können, dann nutzen wir das“, sagt Leber. „Daran ist nichts verwerflich.“

Freiheit der Lehre?

An der Philosophischen Fakultät gibt es keine gesponserten Hörsäle. Die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften haben bessere Kontakte zu den Unternehmen. Die Zusammenarbeit entsteht vor allem durch persönliche Gespräche der Professoren mit Kooperationspartnern. Die Studenten profitieren nicht nur von bequemeren Sitzmöbeln, sondern auch durch Praktika und Abschlussarbeiten in den Firmen, die die Hochschule gut kennen. „Natürlich dürfen die Unternehmen keinen Einfluss auf die Lehre haben, das ist völlig klar“, sagt Leber. „Aber wir bereiten unsere Studierenden besser auf den Beruf vor, wenn wir sie mit praxisrelevanten Fragestellungen konfrontieren – der Ideenaustausch ist gewollt.“

Ziel des Hörsaal-Sponsorings an der Technischen Hochschule sei es, die Studenten auf interessante, mittelständische Arbeitgeber in der Region aufmerksam zu machen, sagt Präsident Michael Braun. Die Unternehmen werben um die Fachkräfte von morgen. Bei der Produktwerbung liegt für ihn die Grenze zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Zwar war der „Staedtler-Saal“ an der TH 2006 der erste gesponserte Hörsaal in Bayern. „Aber er ist nach einem regionalen Unternehmen benannt, nicht nach einem Produkt“, sagt Braun. Ein Schild gibt es nur außen an der Tür. „Im Hörsaal soll die Studenten nichts ablenken.“ Das Geld fließt in einen allgemeinen Topf und nicht zwingend in die Raumausstattung.

Das neueste gemeinsame Projekt von Universität und Siemens ist das „Center of Knowledge Interchange (CKI)“, ein Zentrum zum Wissensaustausch. In der Ankündigung steht: „Durch die Kooperation will Siemens seine Innovationskraft stärken und Einblicke in topaktuelle Forschungsprojekte bekommen. Die FAU erhält durch das CKI vorgezogenen Zugang zu Forschungsgeldern sowie Zugang zu einem breiten Netzwerk von Industrieforschern.“ Siemens stellt jedes Jahr rund 100 FAU-Absolventen ein.

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