Wie Bayern ein Erfolgsmodell "in die Fläche" exportierte

31.8.2017, 16:42 Uhr
Alt und Neu auf dem Campus in Ansbach

© Jim Albright Alt und Neu auf dem Campus in Ansbach

Fachhochschule – seit es den Begriff gibt, steht er vor allem für zwei Aspekte: zum einen für ein praxisnahes und anwendungsorientiertes Studium, zum anderen für eine Art Jobgarantie bei Unternehmen in der näheren Umgebung – zumindest für die Absolventen in technischen und betriebswirtschaftlichen Fächern.

Kein Wunder: Die Wurzeln der Fachhochschulen waren in der Regel traditionsreiche berufsspezifische Vorläuferschulen. Und die Fachhochschulen kamen stets den Anforderungen aus Industrie und Wirtschaft entgegen und versuchten sogar, sich gezielt danach zu richten.

Das vor allem unterscheidet Fachhochschulen von Universitäten, an denen der (zweck-)freie Erkenntnisgewinn, Grundlagenforschung genannt, im Mittelpunkt steht. Eng damit verknüpft ist ein weiterer entscheidender Unterschied: Fachhochschulen haben kein Promotionsrecht, ihren Nachwuchs an Dozenten beziehen sie daher ausschließlich von den Unis.

Trotz – oder vielleicht auch wegen – dieser Unterschiede wurden die Fachhochschulen überall in Bayern, wo sie ab 1971 gegründet wurden, zum Erfolgsmodell: in Augsburg, Coburg, München, Nürnberg, Regensburg, Rosenheim, Weihenstephan/Triesdorf, Würzburg/Schweinfurt sowie später in Kempten und Landshut.

Im Jahr 1991 beschloss die Bayerische Staatsregierung daher, dieses Erfolgsmodell aus den traditionellen Industrieräumen und Ballungszentren "in die Fläche" zu exportieren. Und so wurden zusätzlich zu den bestehenden FH-Standorten acht völlig neue beschlossen: in Ansbach, Amberg/Weiden, Aschaffenburg, Deggendorf, Hof, Ingolstadt und Neu-Ulm. Auf diese Weise sollten mehr als 10 000 neue FH-Studienplätze in Bayern geschaffen werden.

Zwar gab es an den genannten Standorten kaum entsprechende Vorläufer-Institutionen. Andererseits waren Neugründungen auf "der grünen Wiese" – wie bei den neuen Universitäten der 1970er Jahre – nicht überall nötig. Denn an vielen Standorten hatte der Abzug der US-Armee für einen unverhofften Glücksfall gesorgt: frei gewordene Flächen und Immobilien, die nur noch "transformiert" zu werden brauchten. So nannte man die Umwandlung von militärische in zivile Nutzung.

Beispiel Ansbach

Als 1992 die letzten US-Soldaten das Kasernengelände in der Ansbacher Residenzstraße verließen, hatte dieses eine fast 270-jährige militärische Geschichte hinter sich: Bereits 1723 fasste Markgraf Wilhelm Friedrich den Plan, sein Fürstentum "vor Gewalttätigkeiten bei itzo gefährlichen Zeitläuften" zu schützen.

Zu diesem Zweck ließ er seinen Hofbaumeister Karl Friedrich von Zocha ein Domizil für markgräfliche "Haus-Trouppen zu Fuss" bauen. Noch im gleichen Jahr starb der Markgraf.

Die Eröffnung des militärischen Geländes, das damals noch weit außerhalb der Stadt lag, übernahm daher seine Witwe am 3. August 1724. Diese Kaserne hielt bis 1901. Dann hatte sie moderneren Gebäuden im wilhelminischen Backsteinstil zu weichen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aus der damaligen Hindenburg-Kaserne ein US-Internierungslager für "Displaced Persons". Dann kam die Army. Und als die abrückte, lagen die Pläne für etwas Neues schon fertig in der Schublade.

Bereits 1990 hatte der Bayerische Ministerrat beschlossen, neue Studienplätze an Fachhochschulen einzurichten – unter anderem in Ansbach. Dort sollte eigentlich eine betriebsbwirtschaftliche Dependance der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg aufgebaut werden.

Dies führte an selbiger zu heftigen Protesten von Professoren und Mitarbeitern, die befürchteten, aus der Großstadt in die ungeliebte "Provinz" abgeschoben zu werden. Ein Professor lief sogar aus Protest mit blanken Füßen über glühende Kohle.

Dass die Pläne von einer Ohm-Außenstelle in Ansbach platzten, lag weniger an solchen Aktionen. Grund dafür war vielmehr ein ablehnendes Votum des deutschen Wissenschaftsrats. Er hielt eine komplett neue Hochschule am Standort Ansbach für sinnvoller.

1996 erwarb der Freistaat Bayern das etwa vier Hektar große Kasernen-gelände, das mittlerweile fast mitten in der Stadt lag. Zum 1. Mai jenen Jahres beschloss der Landtag per Gesetz die Gründung der Fachhochschule Ansbach mit den Studienrichtungen Technik und Wirtschaft. Die Vorgabe lautete, mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln und relativ geringem Umbauaufwand das alte Backstein-Ensemble in einen modernen Campus zu transformieren. Übertragen wurde diese Aufgabe dem Gründungspräsidenten Bernhard Krämer, einem Nürnberger FH-Professor, der schon als Leiter der Außenstelle vorgesehen gewesen war. Für sich persönlich hatte Krämer die vermeintliche Strafversetzung stets als eine "tolle Aufgabe" begriffen: "Aus den Ruinen der Kasernen eine Hochschule zu bauen, das muss jeden Betriebswirt reizen", schrieb er in der Festschrift zu deren 20-jährigem Jubiläum.

Der Haken an der Sache damals war nur: Der Aufbau der FH Ansbach war im bayerischen Haushalt überhaupt nicht vorgesehen. Krämers Credo dagegen lautete: "Was politisch gewollt ist, dafür muss auch Geld zu beschaffen sein." Es klappte.

Der Lehrbetrieb startete im Wintersemester 1996/97 mit 85 Studierenden im Studiengang Betriebswirtschaft, ein Jahr später im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen. Heute gibt es mehr als 3000 Studierende und 65 Professoren in 17 Bachelor- und fünf Master-Studiengängen.

Mit insgesamt etwa 50 Millionen Euro ist das ehemalige Kasernengelände in Ansbach in eine Bildungseinrichtung für die Region Westmittelfranken umgebaut worden. 2007 durfte die FH Ansbach sogar die mittlerweile ungeliebte Silbe "Fach" aus dem Namen streichen und sich fortan Hochschule Ansbach nennen.

Beispiel Amberg/Weiden

Einen Schritt weiter ist man bereits in Amberg und Weiden. Die dortige Hochschule darf sich seit 2015 mit der Bezeichnung Ostbayerische "Technische Hochschule", kurz OTH, schmücken. Der Unterschied zur Fachhochschule: Eine TH bekommt zusätzliches Geld, um sich einen akademischen Mittelbau, sprich Assistenten, für die Professoren aufbauen zu können.

Ansonsten verlief die Entwicklung ähnlich wie in Ansbach. Auf der Basis eines positiven Votums des Wissenschaftsrates verabschiedete der Landtag zum 1. Mai 1994 ein Gesetz zur Errichtung einer Fachhochschule in der Oberpfalz mit zwei Standorten: In Amberg wurde die frühere Kaiser-Wilhelm-Kaserne zum Campus umgebaut, in Weiden dagegen ein Neubau von einer Baufirma gesponsert.

Zum Gründungspräsidenten wurde Prof. August Behr von der FH München ernannt. Der Lehr- und Studienbetrieb begann zum Wintersemester 1995/96 – mit den Studiengängen Elektrotechnik in Amberg und Betriebswirtschaft in Weiden.

Heute hat die OTH Amberg 3500 Studierende und 85 Professoren in 20 Studiengängen. Die Bedeutung für die umgebende Region unterstreichen folgende Zahlen: Mehr als 5200 Absolventen der OTH haben inzwischen einen Platz im Berufsleben gefunden – 80 Prozent davon bei Arbeitgebern in der Oberpfalz.

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