Wie ticken Vietnamesen eigentlich so?

24.11.2014, 10:00 Uhr
Wie ticken Vietnamesen eigentlich so?

© Julia Leykauf

Ein kleiner Gedanke sei vorausgeschickt.

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erleben. Ein Sprichwort, das wohl in all seinen Facetten stimmen mag. Begibt sich einer auf unbekanntes Terrain, hat neuen Boden unter seinen Füßen, mischt sich unter fremde Leute, hört fremde Sprachen, isst anderes Essen, lernt Lebensweise und Kultur eines fernen Landes, besonders aber, lernt er seine Bewohner kennen - ja, so wird er was erleben. Es ist genau das, das ich gerade erlebe. Und es ist etwas Großartiges.

Vietnamesen sind laut.

Das laute Holpern, Rattern, Hupen des Nachtbusses von Hai Phong nach Dong Hoi überdecken sie mit einer Unterhaltung über die Sitzreihen hinweg. Sie diskutieren beim Abendessen temperamentvoll und lautstark an einem der Straßenstände Hues, begrüßen während der Fahrt auf ihrem Roller über eine der Hauptverkehrsstraßen Hanois ihren Gesprächspartner am Telefon mit einem lautstarken Á-lô. Ob ihnen wohl auch mal die Worte fehlen, den Vietnamesen?

Vietnamesen sind leise.

Wie ticken Vietnamesen eigentlich so?

© Julia Leykauf

Eine kleine Geschichte: Schon am Morgen ist das Thermometer über die 30-Grad-Marke geklettert, die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel. Es ist perfekt, das Wetter hier im idyllischen Phong Nha-Ke Bang-Nationalpark. Perfekt, um mit einem Fahrrad durch das an einem blau glitzernden Fluss gelegene Son Trach zu fahren. Wohin mich mein Weg führen wird? Zu Ayala und Uri, ein junges Paar aus Israel, das ihre Flitterwochen in Südostasien verbringt. Der Einladung in ihr Homestay folge ich sehr gerne - schließlich übernachten sie bei Ho Khanh: Entdecker der größten Höhle der Welt, die hier im Nationalpark liegt. Als ich mein Fahrrad auf einer betonierten Fläche im Vorgarten abstelle, folgen mir neugierige Blicke. Mit einem schüchternen Lächeln werde ich von den Mitarbeiterinnen des zugehörigen Cafés begrüßt. Ich sei auf der Suche nach Ayala und Uri, erzähle ich auf Englisch, sie hätten hier im Homestay übernachtet. "Sleep?", fragt eine der jungen Frauen verständnislos. Aha, mit Englisch komme ich hier nicht weiter.

Übrigens genauso wenig wie in so manchen Büros so mancher Busgesellschaften. Und genauso wenig wie in so manchen Restaurants und Cafés. Szene des Reisealltags: "...one big bottle of mineral water for me, please!" Fragender Blick. Mit einem "Water?", "Big?" in Kombination mit ausgefeilter Zeichensprache kommt man tatsächlich häufig deutlich weiter. Aber: Wer könnte schon eine Bestellung auf vietnamesisch entgegennehmen? Ich nicht!

Wie ticken Vietnamesen eigentlich so?

© Julia Leykauf

Vietnamesen sind hilfsbereit.

Mit fragenden Blicken stehen wir uns also noch immer im Vorgarten der kleinen Anlage des Homestays gegenüber. Lange dauert es aber nicht, schon halte ich ein in die Jahre gekommenes rotes Nokia-Handy in den Händen. Mindestens genauso schnell werde ich auf der anderen Seite der Leitung begrüßt: Ich spreche mit Ho Khanh, der kurzerhand als Dolmetscher fungiert.

Helfen zu wollen, scheinen sie einer - wie wir hier heißen - "Langnase" immer, die Vietnamesen. Auch als die junge Frau, die neben mir an einem der ATMs der Vietcombank in Dong Hoi Geld abhebt, kurzerhand zum Smartphone greift und eine der Servicenummern wählt: Sie hat nicht übersehen, dass der Geldautomat die Kreditkarte meiner "Mitstreiterin" Lea nicht mehr herausrücken will. Das Problem scheint schnell geschildert - genauso schnell sitzen wir auch schon auf einem kleinen Mauervorsprung und warten auf einen Mitarbeiter der Bank. Oder auf bessere Zeiten. Aufgetaucht ist nämlich niemand.

Vietnamesen haben Humor.

Stattdessen - hier wären wir wieder bei ausgefeilter Zeichensprache - versuchen wir all diejenigen, die auch ein paar Dong in der Brieftasche nötig haben, von der Nutzung des linken Automaten abzuhalten. Und die? Die machen sich darüber lustig, dass Lea barfuß unterwegs ist.

Auch die vier süßen Vietnamesinnen, die im Com Vietnam, einem schlichten Restaurant in Hai Phong, bedienen, scheinen ihren Spaß zu haben. Neugierig studieren sie unseren Reiseführer, tratschen, zeigen auf Bilder. Und lachen sich über Bun Cha, ein Straßensnack der Küche des Nordens, krumm. Auch unser Gepäck bleibt nicht unbemerkt. Es dauert nicht lange, schon hat eine der kleinen, zierlichen Damen meinen 11 Kilogramm-Rucksack auf dem Rücken. Und marschiert damit lachend durch den Innenhof des Restaurants.

Ach ja:  Die Kreditkarte hielt Lea dennoch wenige Minuten später wieder in ihren Händen. Denn:

Wie ticken Vietnamesen eigentlich so?

© Julia Leykauf

Vietnamesen haben Connections.

"He's a friend of mine!", antwortet die Rezeptionistin des Buffalo, das Hostel, das für die Nacht zuvor unser Zuhause war. Sie war unsere nächste Ansprechpartnerin für das Bankproblem. Und siehe da, es dauert keine drei Minuten, da schraubt ein netter Mitarbeiter der Vietcombank den Geldautomaten auf.

Weit verzweigt scheinen die Beziehungen hier des Öfteren zu sein. Auf der Tagesordnung steht nämlich auch folgendes Erlebnis des Reisealltags: Ganz unkonventionell möchte ich sie "Der-Neffe-meiner-Frau-arbeitet-hier"-Pause nennen. Richtig. Der Nacht-, Reise- oder auch Minibusfahrer hält schließlich regelmäßig an irgendwelchen Straßenrestaurants.  Saubere Toiletten und gutes Essen sind nur selten der Grund.  ;-)

 

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