"Wir kümmern uns um Jobs für Behinderte"

15.12.2016, 16:55 Uhr

© Patrick Schroll

Bachelor und Sozialwirtschaft: "Bei meinen ersten Bewerbungsgesprächen musste ich die beiden Begriffe erstmal erklären", erinnert sich Tobias Braun. "Kaum ein Personalchef konnte damals etwas damit anfangen."

Tobias Braun gehört zu den Pionieren, die sich im Wintersemester 2006/07 für den damals soeben aus der Taufe gehobenen Studiengang Sozialwirtschaft an der EVHN entschieden. Der Bachelor war damals noch weit davon entfernt, Standardabschluss zu sein. Das Fach selbst, eine Kombination aus Sozialer Arbeit, Betriebswirtschaft (BWL) und Jura, war eine Innovation der Hochschule.

"Gerade das Neue hat mich gereizt", sagt Tobias Braun. Als frisch gebackener FOS-Absolvent – mit dem Schwerpunkt Soziales und einem "großen Interesse an Organisation und Zahlen" – bewarb er sich, wurde genommen und bildete mit 24 Kommilitonen den ersten Jahrgang in dem neuen Studienangebot.

Worauf habe ich mich da eingelassen? Und: Was bin ich wert mit diesem Studium? Natürlich trieben ihn solche Fragen um. "Der Studiengang war anfangs noch nicht akkreditiert, und das Lehrangebot in BWL ziemlich dünn", erinnert sich Braun. Das bewog ihn dazu, noch einen Master in BWL an der Technischen Hochschule Nürnberg dranzuhängen.

Seinen Job, da ist er sicher, hat er allerdings wegen des Studiums in Sozialwirtschaft bekommen: Tobias Braun ist jetzt Assistent der Geschäftsleitung bei "noris inklusion". Die gemeinnützige Gesellschaft in Nürnberg bietet unter anderem Arbeitsplätze und Wohnungen für Menschen mit Behinderung an.

Brauns Aufgabe ist es vor allem, "die Fäden zu unseren verschiedenen Betriebsstätten zusammenzuhalten". Was ihn dabei von einem üblichen BWLer unterscheidet, "ist die völlig andere Sichtweise", sagt er: "Klar, wir produzieren zum Beispiel Schalter. Aber die sind nur Mittel zum Zweck. Unser eigentliches Produkt ist Teilhabe. Wir ermöglichen Menschen mit Behinderung eine berufliche Tätigkeit." Natürlich, meint Tobias Braun, gehe es auch darum, möglichst kostengünstig zu produzieren. "Aber noch wichtiger ist es bei uns, dass sich möglichst viele Menschen mit Behinderung sinnvoll in die Gesellschaft einbringen können."

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Auf der anderen Seite

Quasi am anderen Pol dieses Systems sitzt Eva Thomann. Auch sie hat Sozialwirtschaft an der EVHN studiert – jetzt arbeitet sie beim Sozialreferat des Bezirks Mittelfranken in Ansbach. Zu ihren Aufgaben dort gehört es unter anderem zu entscheiden, ob ein Behinderter einen Job bei einer Einrichtung wie "noris inklusion" bekommt.

"Eingliederungshilfe für Leistungsberechtigte" heißt das im Amtsdeutsch und bedeutet: "Wir prüfen, ob eine Person mit Einschränkung oder Behinderung einen Anspruch auf einen Platz in einer Werkstätte beziehungsweise in einem Wohnheim hat", erklärt Eva Thomann. Falls ja, übernimmt der Bezirk dafür die Kosten: Er finanziert den Wohnheimplatz und/oder bezahlt – indirekt über einen Zuschuss an die Werkstätte – den Arbeitslohn des Behinderten.

Klar, für diese Aufgabe "muss man sich in der Sozialgesetzgebung sehr gut auskennen", sagt Eva Thomann – weshalb viele ihrer Arbeitskollegen gelernte Juristen oder Absolventen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Hof sind.

Die rechtlichen Grundlagen für ihren Job hat Eva Thomann im Studium an der EVHN gelernt. Aber eben nicht nur: "Wir hatten auch viel Soziale Arbeit", sagt sie und deshalb kann sie die Lebenssituation ihrer "Kunden" ganz gut einschätzen. In ihrem Büro hängen die Akten von fast 400 behinderten Menschen, die sie zu betreuen hat.

Eva Thomann hat 2010 mit dem Studium begonnen; nach dem Abschluss, sagt sie, "waren sowohl der Bachelor allgemein als auch das Fach Sozialwirtschaft schon einigermaßen bekannt". Die Stelle in Ansbach bekam sie, obwohl sie "nicht genau zu meinem Studium ausgeschrieben war. Da tun sich Absolventen aus anderen Studiengängen manchmal leichter".

Den maßgeschneiderten Job für Sozialwirte der EFHN "gibt es kaum", glaubt Eva Thomann, "aber das ist auch unser großer Vorteil. Wir sind sehr vielfältig einsetzbar".

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