Wo Praxis und Theorie verschmelzen sollen

13.8.2015, 17:43 Uhr
Wo Praxis und Theorie verschmelzen sollen

© Limes-Luftbild Beringer

Worauf sich Stanislav Marzynkevitsch genau eingelassen hat, als er sich für den Studiengang „Angewandte Kunststofftechnik“ (AKT) entschied, wusste er damals selbst noch nicht. Inzwischen ist der 32-Jährige im 2. Semester und studiert am Kunststoffcampus Bayern in Weißenburg – neben seiner Arbeit als Meister bei der Firma Oechsler.

Ob er nach mindestens vier weiteren Semestern seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche haben wird, ist noch nicht sicher. Aber auch so ist sich der gelernte Verfahrensmechaniker sicher: „Für mich lohnt sich das auf jeden Fall.“

Schließlich habe er nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen, ist der zweifache Familienvater überzeugt. Selbst wenn er seinen Abschluss nicht schaffen sollte, hat er durch das berufsbegleitende Studium viel dazugelernt.

Den Entschluss, nach der Lehre und der Meisterschule noch einen Abschluss draufzusetzen, begründet der Weißenburger so: „Ich bin in meinem Beruf an einen Punkt gekommen, an dem ich gemerkt habe: Ich will noch mehr wissen.“

Erst hatte Marzynkevitsch an ein Fernstudium gedacht, den Gedanken dann aber schnell wieder verworfen. „Das wäre schlecht mit der Familie vereinbar gewesen“, glaubt der 32-Jährige noch heute. Als er dann vom Kunststoffcampus Bayern erfuhr, der damals noch nicht einmal fertig war, informierte er sich, besprach seine Pläne mit seiner Frau, die ihn in seinem Vorhaben unterstützte, und schrieb sich ein.

Gutes Zeitmanagement

„Anfangs hatte ich Angst, dass ich meine Familie und meine Hobbys vernachlässigen muss“, erinnert sich Marzynkevitsch. Inzwischen, zwei Semester später, hat er die Gewissheit, dass er alles ganz gut in den Griff bekommt und Beruf, Familie und Studium gut organisieren kann. „Man lernt, sich selbst gut zu managen, jeder Schritt ist getaktet“, umschreibt Marzynkevitsch sein neues Leben, das er mit Hilfe des Terminkalenders auf seinem Smartphone verwaltet.

An erster Stelle soll für ihn auch weiterhin die Familie stehen, hat sich der Verfahrensmechaniker vorgenommen. So gibt es durchaus manche Woche, in der er fast überhaupt nicht zum Studieren kommt. Wenn er nach einem Arbeitstag nach Hause kommt, fällt es manchmal schwer, die Augen beim Lesen der bis zu 200-seitigen Skripte noch offen zu halten. Mit Disziplin und Durchhaltewillen lasse sich aber auch das schaffen. Im 2. Semester sei ihm der Stoff bereits leichter gefallen.

Das freut auch Prof. Alexandru Sover, der am Kunststoffcampus das Fach Angewandte Kunststofftechnik lehrt: „Wir haben das Studium ja vor allem für Berufstätige ausgerichtet.“

In der Praxis bedeutet das, dass die Studierenden in Kleingruppen durch Projektarbeit und mit einer speziellen Didaktik lernen sollen. „Wir müssen das Studium immer mit der Praxis verknüpfen“, sagt Sover. So sind in dem Studium am Campus auch Unternehmensbesuche und Exkursionen integriert.

2400 Euro pro Semester

Das straffe Präsenzstudium, das sich Marzynkevitsch von seinem regulären Urlaub abzwacken muss, und das regelmäßige Büffeln am Abend hinterlassen durchaus Spuren: „Nach dem viertägigen Block bin ich erst mal platt und lege mich daheim aufs Sofa.“

Geschenkt wird den Studenten am Kunststoffcampus nichts: Zum einen zahlt Marzynkevitsch 2400 Euro pro Semester, zum anderen muss er durch ein intensives Selbststudium eigenständig Wissenslücken füllen.

Das gelingt am besten in Lerngruppen oder mit Hilfe von Fachlektüre, die er sich mit seinem Studentenausweis rund um die Uhr in der Hochschul-Bibliothek in Ansbach ausleihen kann. Hier darf er auch die Mensa besuchen, die sich in Weißenburg aufgrund der geringen Anzahl von derzeit 40 Studierenden nicht lohnt.

Natürlich hat aber auch das wieder seine Vorteile: Der Kontakt zwischen Studierenden, Professoren und Dozenten ist eng. Prof. Sover zum Beispiel kennt seine AKT-Studenten alle persönlich. Dass es in Weißenburg den speziellen und bayernweit einmaligen Studiengang AKT gibt, findet er toll: „Kunststoff erfordert wahnsinnig viel Knowhow.“

Verschiedene Partner

Der Kunststoffcampus Bayern ist ein Kooperationsprojekt der Technischen Hochschule (TH) Deggendorf und der Hochschule Ansbach. Außerdem sind Unternehmen aus der Region Altmühlfranken sowie weitere Partner aus der Wissenschaft und den Fachverbänden einbezogen.

Ziel der Zusammenarbeit ist der Ausbau des Kunststoffcampus Bayern zu einem international anerkannten Bildungs-, Forschungs- und Entwicklungszentrum. Dieses soll so mit der Industrie vernetzt werden, dass es maßgeschneiderte Lehre anbieten sowie Forschungs- und Entwicklungsaufträge bearbeiten kann.

Denn Kunststoff ist der wichtigste Industriezweig in Altmühlfranken: Im „Kunststoffcampus Bayern“ sollen angewandte Forschung und Lehre rund um diesen Werkstoff stattfinden. Die berufsbegleitenden Studiengänge sollen die Personalentwicklung in den Betrieben verbessern und den langfristigen Bedarf an qualifizierten Fachkräften in den Betrieben sichern.

Errichtet wurde der Campus vom Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen und der Großen Kreisstadt Weißenburg. Stadt und Landkreis haben das Projekt unter anderem durch einen Neubau gefördert, der im März offiziell eingeweiht wurde. Zudem stellt der Freistaat Bayern eine Anschubfinanzierung für Personal und die Sachausstattung zur Verfügung.

Für die beiden Weißenburger Bachelor-Studiengänge AKT (Angewandte Kunststofftechnik) und SKM (Strategisches Kundenorientiertes Management) läuft die Anmeldung noch bis zum 11. September. Weitere Infos stehen auf der Homepage www.altmuehlfranken.de/wirtschaft/kunststoffcampus

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