Zugangsvoraussetzung: Disziplin

23.2.2017, 10:07 Uhr
Zugangsvoraussetzung: Disziplin

Es ist Freitagnachmittag – und der Campus brummt. In der Mensa stehen die Studierenden Schlange, und vor den Seminarräumen sorgen Grüppchen für ein lautes Stimmengewirr. Und mittendrin ist Studentin Birgit.

Freitagnachmittag an einer Hochschule? Ziemlich ungewöhnlich! Aber Birgit ist auch keine normale Studentin. Sie ist nur selten hier – an der Fernuniversität in Hagen, wo sich das studentische Leben überwiegend am Wochenende abspielt.

"An die Uni kommen wir nur zu bestimmten Seminaren", erzählt Birgit. Heute zum Beispiel steht ein Seminar rund um die Masterarbeit auf dem Programm. Das Seminar hat jeder Student abzulegen, um zur Masterarbeit zugelassen zu werden. Und dafür ist Birgit extra nach Hagen gefahren, von Nürnberg sind das gut 500 Kilometer.

Die Fahrten nach Nordrhein-Westfalen halten sich während des Studiums allerdings in Grenzen. Denn gelernt wird am heimischen Schreibtisch.

80 Prozent der Immatrikulierten sind berufstätig und machen ihren akademischen Abschluss neben dem Job. So wie Birgit (34). "Es ist nicht immer leicht", sagt sie, "sich nach einem anstrengenden Arbeitstag hinzusetzen und den Stoff zu pauken." Birgit hat an einer normalen Hochschule (im Fachjargon: Präsenz-Uni) Betriebswirtschaft (BWL) studiert und macht nun ihren Master über die Fernuni. "Den Job wollte ich dafür nicht aufgeben", sagt sie, "aber mich auf dem Diplom auszuruhen, kam für mich auch nicht in Frage."

Zugangsvoraussetzung: Disziplin

Sich weiterbilden und trotzdem die Arbeitsstelle nicht aufgeben — für Tausende ist die Lösung für dieses Problem die Fernuni. Auch wenn das selbstständige Arbeiten nicht für jeden geeignet ist.

"Man sollte diszipliniert sein. Und man darf keine Scheu haben, sich auch komplexere Zusammenhänge selbst beizubringen. Wer sofort den Kopf in den Sand steckt, nachdem er das Lernmaterial gesichtet hat, ist Fehl am Platz", meint Birgit.

Die Unterlagen mit dem Lernstoff bekommt sie – wie alle anderen Studierenden – per Post. Beispiel BWL: Wer seinen Master machen möchte, wählt acht Fächer aus — insgesamt stehen 50 zur Verfügung. Jeder sucht die Kombination aus, die ihm besonders liegt oder die ihn beruflich weiterbringt.

Die Wahlmöglichkeit ist für Birgit ein wichtiger Vorteil. In einer Übersicht, die von der Fernuni jedes Semester verschickt wird, sind alle Fächer aufgelistet; beispielsweise bietet die Uni das Modul "Recht". Dazu gehören die Fächer Arbeitsvertragsrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht und Kapitalgesellschaftsrecht. "Ich hatte mich für Arbeitsvertragsrecht entschieden", erzählt Birgit, "weil ich in einer Personalabteilung arbeite und das Wissen im Alltag gut gebrauchen kann."

Welches Fach wann abgelegt wird, ist frei wählbar. Ebenso die Anzahl der Klausuren pro Semester. "Es gab ein Semester, in dem ich gut vorangekommen bin und drei Prüfungen innerhalb von zwei Wochen geschrieben habe", sagt Birgit. Die meisten ihrer Kommilitonen entscheiden sich für ein bis zwei Fächer pro Semester — und liegen damit im Durchschnitt, wie Susanne Bossemeyer, Pressesprecherin der Fernuni, erklärt.

"Die Fernuniversität Hagen ist eine staatliche Uni", sagt sie. Daher seien die Kosten im Vergleich zu anderen, privaten Anbietern von Fernstudien niedrig. Ein Masterstudium kostet etwa 2000 Euro.

Während des Semesters gibt es eine Lernkontrolle in Form von sogenannten Einsendeaufgaben. Die werden über die Uni-Homepage heruntergeladen und sollen von den Studierenden in einem bestimmten Zeitrahmen gelöst werden. "Die Ergebnisse habe ich an die Uni geschickt und wenige Wochen später die korrigierte Version zurückbekommen", sagt Birgit.

Wer die Einsendeaufgaben besteht, wird am Ende des Semesters zur Klausur zugelassen. Als bestanden gilt die Klausur, wenn man mindestens eine Vier bekommen hat – ganz wie an einer normalen Uni.

Die Klausuren werden natürlich nicht daheim geschrieben. Nachdem sich die Studierenden, ebenfalls via Internet, für die Klausur angemeldet haben, bekommen sie Ort und Datum dafür mitgeteilt. Wer in Bayern wohnt, fährt in der Regel nach München zur Prüfung.

Weil die meisten Studierenden einen Job haben, gibt es an der Fernuni keine Regelstudienzeit. Auch für die Klausur kann man sich bis zu einem Tag vor dem Termin wieder abmelden – ohne Konsequenzen. "Wer arbeitet, der weiß, dass man sich zwar gut auf eine Klausur vorbereiten kann, aber es kann doch immer wieder etwas dazwischenkommen, und man hat den Kopf nicht frei", sagt Susanne Bossemeyer.

Die meisten Studierenden der Fernuni Hagen sind im Studiengang Psychologie eingeschrieben. Weil die Nachfrage so hoch ist, gilt für dieses Fach ein Numerus clausus. Für andere Studiengänge wie BWL, Wirtschaftsinformatik oder Mathematik gibt es keine Zugangs-Einschränkungen. Voraussetzung ist lediglich Abitur.

Bunt gemischt ist nicht nur das Studienangebot. Die Altersspanne der Studierenden liegt zwischen 22 und 60. "Bei uns ist ein älterer Herr eingeschrieben, der mittlerweile seinen sechsten Studiengang absolviert", sagt Susanne Bossemeyer. "Das Lernen macht ihm so viel Spaß, dass er seit den 70er Jahren ununterbrochen studiert", meint die Pressesprecherin: "Man ist nie zu alt, um etwas Neues zu lernen."

Um den Lernstoff zu vertiefen, trifft sich Birgit regelmäßig mit Kommilitonen in München oder Nürnberg. "Allein die Online-Tutorien wären für mich nicht ausreichend", sagt sie. Außerdem schätzen viele, trotz Fernuni, den persönlichen Wissensaustausch — vor allem vor den Klausuren.

Birgit hat alle Klausuren erfolgreich abgelegt. Sie muss nur noch die Hürde Masterarbeit nehmen. "Ich bin erleichtert, wenn alles vorüber ist. Und stolz, meinen Abschluss neben dem Job geschafft zu haben."

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© Fotos: Fernuni Hagen

Infos:

Hagen liegt im Ruhrgebiet und hat 250 000 Einwohner. Die Gebäude der Fernuni befinden sich direkt an der Autobahn, und die Hochschule ist nach der Stadtverwaltung der größte Arbeitgeber. 1975 hat sie den Betrieb aufgenommen. Damals schrieben sich 1300 Studierende ein. Heute studieren dort 77 000. Das macht sie zur größten Uni in Deutschland, mit 81 Professoren.

Die meisten Studierenden stehen im Arbeitsleben. Dazu kommen Frauen und Männer, die zu Hause sind und Kinder erziehen. Aber auch Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen nutzen die Vorteile eines Studiums von zu Hause aus. Das Studium kann zum Winter- oder Sommersemester begonnen und jederzeit unterbrochen und wieder aufgenommen werden.

Die meisten Studenten der Fernuni leben in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. In den vergangenen Jahren wurden 13 Regionalzentren eingerichtet, damit die Studierenden zu klausurvorbereitenden Veranstaltungen keine allzu weite Anreise haben. Die Anlaufstelle in Nürnberg ist in der Pirckheimerstraße 68, dort können auch Tutorien und Seminare besucht werden.

 www.fernuni-hagen.de/nuernberg

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