Scheidungen: Landkreis Fürth auf Rekordniveau

28.11.2015, 11:00 Uhr
Scheidungen: Landkreis Fürth auf Rekordniveau

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Angesichts der Statistiken ist das nicht verwunderlich. Der Landkreis Fürth gehört zu den fünf bayerischen Landkreisen mit den höchsten Scheidungsquoten: Auf 500 Eheschließungen kommen pro Jahr zwischen 300 und 400 Scheidungen. Nicht eingerechnet sind Paare, die ohne Trauschein zusammengelebt haben und sich trennten. 2012, erläuterte die Jugendhilfeplanerin des Landkreises, Tabea Höppner, waren von den Scheidungen 256 Kinder und Jugendliche betroffen. Da Trennungen nicht erfasst werden, liegt die Zahl jedoch höher.

Über die Meldedaten wurde versucht zu klären, wie viele alleinerziehende Elternteile es im Landkreis gibt. In Seukendorf ist fast ein Viertel der Haushalte eine Familie mit nur einem Elternteil, in Veitsbronn nahezu 23 Prozent, in Wilhermsdorf ein Fünftel. Der landkreisweite Durchschnitt liegt bei 15,45 Prozent der Haushalte. Oberasbach, Zirndorf, Cadolzburg oder Langenzenn bewegen sich in etwa in diesem Mittel. Absoluter Ausreißer ist Tuchenbach, dort gibt es nur 4,2 Prozent Haushalte von Alleinerziehenden. Insgesamt leben 2670 Minderjährige nur bei einem Elternteil. Höppner betonte, dass es nicht immer die Folge einer Scheidung ist, wenn Kinder allein mit Mutter oder Vater wohnen, aber in den überwiegenden Fällen sei dies so. Nicht erfasst sind Kinder, die mit Erwachsenen in neuen Patchwork-Konstellationen leben.

Die Reaktionen auf eine Trennung der Eltern fallen je nach Alter und Persönlichkeit des Kindes höchst unterschiedlich aus, aber für die Kinder bedeutet dieser Einschnitt in ihr Leben immer ein erhöhtes Risiko für ihre psychische Entwicklung. 757 Klienten meldeten sich 2014 bei der evangelischen Erziehungsberatungsstelle der Diakonie Fürth, 60 Prozent davon suchten Hilfe im Zusammenhang mit einer Scheidung oder Trennung. Wenn Jugendamt und Allgemeiner Sozialdienst Familien unterstützen, dann spielt in 44 Prozent aller Fälle das Ende von Beziehungen eine Rolle.

Besonders drastisch ist es, wenn Kinder nicht mehr bei Vater oder Mutter leben können, sondern in ein Heim oder zu einer Pflegefamilie müssen, also stationäre Hilfe brauchen. Hier gibt es keine Zahlen für den Landkreis. Höppner legte dazu eine Auswertung aus dem Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg vor, die sie in der Tendenz für übertragbar hält. Auf 1000 unter 18-Jährige, die bei ihren leiblichen Eltern leben, kommen 1,45, die stationäre Hilfe benötigen. Bei alleinerziehenden Familien sind es 27,58 pro 1000 und in Patchworkfamilien 77,88.

Individuell sind Trennungen und Scheidungen eine dramatische Lebenskrise für eine komplette Familie, doch auch die Gesellschaft zahlt dafür einen hohen Preis, darauf wies Landrat Matthias Dießl in seinem Statement hin. Es müssen mehr Beratungsangebote vorgehalten werden, es braucht vermehrt erzieherischen Beistand von Profis für Kinder und Jugendliche, das Gesundheitswesen muss sich mit den psychischen Folgen befassen. Und in nüchternen Euro und Cent heißt das auch: Im Kreishaushalt sind für die Jugendhilfe rund 15 Millionen Euro eingeplant. Ein „gewaltiger Bestandteil unseres Haushaltes“, wie Dießl betonte.

Nicht mehr geschafft zur Familienkonferenz hatte es der Hauptreferent: Psychologe Achim Haid-Loh sollte darüber sprechen, wie Kindern und Jugendlichen bei Trennungen geholfen werden kann. Er war auf dem Weg von Berlin nach Veitsbronn in einem kilometerlangen Stau bei Leipzig stecken geblieben.

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