Scientologen mischen bei Nachhilfe in Zirndorf mit

1.2.2011, 16:00 Uhr
Scientologen mischen bei Nachhilfe in Zirndorf mit

© privat

In einem Interview mit der Nürnberger Zeitung bestätigte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, dass das Zirndorfer Institut zu einem von acht bayerischen Einrichtungen gehöre, die von Mitgliedern der Scientology-Kirche geführt werden.

In Zirndorf landeten unlängst Flugblätter der Nachhilfe- und Sprachenschule Grübl und Kroggel in den Briefkästen der Stadt. Auf ihnen: Ein Logo der „Applied Scholastics“. Diese Organisation vermittelt die Lerntechniken des Scientology-Begründers L. Ron Hubbard. Doch ein genauer Nachweis des missionarischen Charakters der Lernstudios ist auch in Zirndorf alles andere als einfach.

Seit 1997 steht die Scientology Organisation im Fadenkreuz des Verfassungsschutzes: Wegen Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Vier Jahre ist es her, dass die ersten Lerninstitute in Bayern mit Scientology in Verbindung gebracht wurden, darunter auch das Institut in Zirndorf.

Alle Kindergärten und Schulen wurden informiert

Seitdem rufen die Ministerien, der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband und die Stadt Zirndorf Eltern regelmäßig zur Wachsamkeit auf. In der Stadt gibt es einen Runden Tisch, der sich seit Bestehen des Lerninstituts mit seiner möglichen scientologischen Indoktrination beschäftigt. „Der Bürgermeister hat mir bestätigt, dass alle Kindergärten und Schulen informiert wurden“, sagt Toni Klug, Leiter der Offenen Jugendarbeit.

In der 26000-Einwohner-Stadt besteht eine rege Gefahrenunterrichtung für die Bürger, dennoch besuchen den Angaben des Instituts zufolge noch genügend Schüler das Lernstudio der Nachhilfelehrer Grübl und Kroggel. Ihm lägen, so Klug, Briefe von Eltern vor, die mit den Leistungen des Instituts zufrieden waren – diese kämen aber direkt über die Nachhilfelehrer. Auf den Flugblättern und ihrem Internetauftritt sprechen die beiden Zirndorfer Nachhilfelehrer offen aus, dass sie mit den Hubbard-Methoden arbeiten.

„Das Angebot, das in Zirndorf besteht, legt den Schluss nahe, dass eine gewisse Nähe zu Scientology besteht“, heißt es aus dem Landratsamt. Der bloße Bezug zu den Lehren von L. Ron Hubbard reiche für eine rechtliche Handhabe nicht aus, sagt Pressesprecher Bernd Kuch. Eine Untersagungsverfügung scheiterte.

Nachhilfeschule weist Vorwürfe zurück

Ein weiteres Problem: Der schulische Bereich fällt nicht in das Gebiet des Innenministeriums. Ludwig Unger, Sprecher des Kultusministeriums Bayern hingegen muss zugeben: „Es gibt keine staatliche Schulaufsicht über Nachhilfeeinrichtungen.“ Denn solche Organisationen sind privat und werden freiwillig besucht.

Die Nachhilfe- und Sprachenschule weist die Vorwürfe zurück. Sie seien haltlos. „Es werden keinerlei religiöse Inhalte von Scientology vermittelt“, sagt die Betreiberin Marita Grübl. Applied Scholastics arbeite separat von der Scientology Kirche und „in all den Jahren, die wir hier tätig sind, gab es noch nie eine Beschwerde diesbezüglich. Wir wüssten auch von niemandem, der sich später mit Scientology weiter befasst hätte.“ Die Bildungsorganisation Applied Scholastics sei laut Grübl eine „weltanschaulich neutrale und gemeinnützige Körperschaft, die nur der Förderung von Erziehung und Bildung dient“.

Toni Klug hält dagegen: „Ich unterstelle den Menschen, die so etwas betreiben, keine Naivität und auch keine hehren Gründe. Die sagen nicht einfach: Unsere Kinder brauchen besseres Englisch.“ Die Nachweisbarkeit indes sei aber schwer. Es müssten eindeutige Fakten wie religiöse Materialien aus den Nachhilfeeinheiten vorliegen. Dabei sei gerade die Nachhilfe ein passgerechtes Spielfeld für die Einflussnahme. „Unter dem Deckmäntelchen der Nachhilfe läuft die Indoktrination einfach ab, weil die Eltern glücklich und zufrieden sind, wenn das Kind nur noch Dreier hat. Und da liegt doch der Hase im Pfeffer: Auf diesem Wege kommt man sehr leicht an künftige Mitglieder heran.“

"Notsituation der Eltern könnte ausgenutzt werden"

Diese Gefahr sieht auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Die Notsituation der Eltern könne ausgenutzt werden. „Mit Sicherheit wäre das eine gezielte Propaganda-Maßnahme von Scientology – sollte sich eine Verbindung bewahrheiten. Sie planen ja nicht nur jetzt in der Gegenwart, sondern vor allem in die Zukunft. Und die Zukunft der Gesellschaft sind die Kinder“, erklärt Gerhard Gronauer vom BLLV Mittelfranken. Dass viele deutsche und bayerische Kinder „Dauernachhilfeschüler“ seien, käme solchen Instituten zusätzlich zugute.

„Die Nachhilfelehrer werden Vertrauenspersonen – und das öffnet natürlich Tür und Tor, auch bei Eltern“, bestätigt Ludwig Unger aus dem bayerischen Kultusministerium. „Da sehe ich die besondere Gefahr. Man kann Informationen bekommen, die Menschen in eine schwierige Situation bringen können, in Erklärungsnot über schlechte Noten oder familiäre Ursachen. Über Defizite wie solche kann man Menschen abhängig machen.“ Zum Beispiel, indem man ihnen Lösungen für die Notlagen anbietet, wie die einer Religion.

"Es ist unsere private Religionszugehörigkeit"

Dass sie und ihr Geschäftspartner „einfache Mitglieder der Scientology Kirche“ sind, aber „keinerlei Funktionen oder Aufgaben in der Scientology Kirche haben“, gibt Marita Grübl, die in die Schusslinie geratene Nachhilfelehrerin in Zirndorf, auf NZ-Anfrage zu. „Es ist unsere private Religionszugehörigkeit, die wir nicht mit unserer Arbeit vermischen“, betont sie. Die Angst der Eltern vor einer Unterwanderung ihrer Kinder sieht sie als „künstliche Kontroverse“ zum Thema Scientology in Deutschland.

Das würde so undifferenziert betrachtet – so sieht Jürg Stettler, Pressesprecher der „Scientology Kirche Deutschland e.V.“ die Aufregung. „Auf der einen Seite werden religiöse Lehren gelehrt, um sich geistig weiter zu verwirklichen, und dann gibt es eben noch diese säkularen Institutionen, die die Methoden von Hubbard, dem Scientology-Gründer, anwenden.“ Hubbard hätte auch vieles anderes gemacht, wie zum Beispiel Methoden in der Drogenrehabilitation oder im Management, die aber nichts mit der Religion zu tun hätten, so Stettler. „Ich versichere 100-prozentig, dass in der Nachhilfe keine religiösen Inhalte vermittelt werden.“ Es ginge darum Schülern und Erwachsenen zu helfen. Applied Scholastics bestehe völlig unabhängig von Scientology.

"Künstliche Hysterie"

Dennoch habe er die beiden Zirndorfer Nachhilfelehrer bereits besucht – seinen Angaben zufolge, „damit diese Differenzierung von Scientology klargestellt wird.“ Die Angst vor einer Unterwanderung sei „eine künstliche Hysterie, die geschürt wird“. Die Ministerien, die Stadt Zirndorf und auch die Bürger wachen über die Aktivitäten der Scientologen – nicht nur im Nachhilfesektor. Beim leisesten Neuverdacht auf eine Anbindung von Schülerhilfen an die vom Verfassungsschutz beobachtete Scientology-Organisation werden sie einschreiten.

Bis dahin können sie nur auf die Wachsamkeit der Eltern hoffen. Über eine Schutzklausel, die Eltern bei der Vertragsschließung mit einem Nachhilfeinstitut einfordern können, sollen Nachhilfelehrer eine Verbindung ihrer Person zu Sekten per Unterschrift ausschließen. Das sei mit hoher Sicherheit ein Ausschlusskriterium, sagt Unger vom Kultusministerium. „Diese Erklärung basiert auf der Erkenntnis, dass Anhänger von Scientology niemals ihren Herrn verleugnen würden.“

Zusätzlich können Eltern auf den Internetseiten des Ministeriums Checklisten abrufen, die Hinweise auf eine Sektenanhängigkeit von Nachhilfeschulen geben. Und auch über die Scientology-Krisenberatungsstelle des bayerischen Landesjugendamtes können sich Eltern unter 0180/1000042 informieren.