Seitensprung als Existenzfrage

19.8.2014, 13:00 Uhr
Seitensprung als Existenzfrage

© Foto: Reiner Bernhardt

Wer so schön aussieht, muss nicht auch noch schön singen können. Mit einem hohen „dididididi“ saust der kleine Vogel den Bach entlang, inspiziert Teiche, Tümpel und Weiher, um sich irgendwann zu entscheiden, wo Futterangebot und Nistmöglichkeiten möglichst eng beieinander liegen. Das Singen liegt ihm nicht, eher ist er ein stiller Einzelgänger, der andere Artgenossen in seinem Revier nur duldet, wenn es für ihn Nahrung im Überfluss gibt.

Ausschließlich ans Wasser gebunden, ernährt er sich von kleinen Fischen, Kaulquappen, Larven, Insekten und kleinen Krebsen. Ein größeres Problem sind allerdings die Brutmöglichkeiten, denn da hat er gewisse Ansprüche. Direkt am Wasser hätte er gern eine steile, überhängende Erdwand, es kann auch der Baumteller eines entwurzelten Baumes sein. Mit viel Erde daran, dass er sich eine möglichst tiefe Bruthöhle bauen kann. Das nur wenige Zentimeter breite Flugloch wird rasant angeflogen, jedoch erst, wenn „die Luft rein ist“. Minutenlang verharrt er in der Nähe auf einem Ansitz und beobachtet die Umgebung, auch mit schnellem Blick nach oben, denn Sperber, Falke und Habicht sind potenzielle Feinde. Dann, kaum kann man ihm mit den Augen folgen, verschwindet er im Einflugloch.

Doch der Reihe nach: Im kühlen Februar und März haben sich Männchen und Weibchen gefunden, natürlich nicht ohne aufwendige Verfolgungsjagden über diverse Gewässer, immer begleitet von aufgeregtem Gesang. Sehr bewegend sind die rituellen Übergaben von kleinen Fischchen, die das Weibchen mit den Flügeln zitternd entgegennimmt, ein Einverständnis zur Paarung. Zwar leben die beiden in einer Einehe, doch passiert es immer wieder, dass er sich betören lässt und oft mit einigen Wochen Unterschied auch noch parallel eine zweite Brut zu versorgen hat. Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, dass die Natur ihn genetisch geradezu dazu zwingt, sich so häufig wie möglich zu vermehren. Aufgrund der hohen Sterblichkeit in harten Wintern und der kurzen Lebensdauer, in freier Natur maximal drei Jahre, sind drei „offizielle“ Bruten und eben auch eine oder mehrere daneben eine wirkliche Existenzfrage der Art.

„Jeden Tag ein Ei“ gilt auch bei Eisvogels, und zwar vormittags. Bebrütet werden sie erst, wenn sechs bis acht Eier komplett sind. Diese Aufgabe teilen sich Männchen und Weibchen, das Weibchen vorzugsweise nachts. Nach drei Wochen schlüpfen die Jungen meist am gleichen Tag, und das emsige Geschäft des Fütterns beginnt. Die anfangs noch sehr kleinen Fischchen werden immer mit dem Kopf voraus serviert, damit sie im Schlund der Kleinen nicht stecken bleiben. Nach einem fairen Rotationsprinzip rückt immer der Nächste nach vorne, bekommt sein Fischchen und macht Platz für das nächste seiner Geschwister. So haben alle die Chance, gleichmäßig genährt nach etwa 28 Tagen flügge zu sein. Länger als einige Tage werden die flüggen Jungen nicht toleriert von ihren Eltern. Dann geht es auf eine lange, manchmal hunderte von Kilometern lange Wanderschaft in neue Reviere.

Keine Kommentare