Senioren-Lobby beklagt Ignoranz

CADOLZBURG - Der Cadolzburger Seniorenbeirat fordert mehr Mitsprache. Die ehrenamtlichen Beiräte fühlten sich bei einigen Entscheidungen übergangen. In einem offenen Brief an Bürgermeister und Gemeinderat drohen die Senioren, ihr Engagement zurückzufahren.

„Wenn wir nicht einbezogen werden, warum sollten wir uns noch ehrenamtlich engagieren?“, fragt Werner Chowanetz, der für den Seniorenbeirat als Sprecher fungiert. Zwanzig Mitglieder des rührigen Gremiums haben den offenen Brief unterzeichnet, der sich vorrangig an die Fraktionen im Marktgemeinderat Cadolzburg richtet.

Zum wiederholten Male fühlte sich der Seniorenbeirat übergangen, nicht ausreichend informiert und nicht berücksichtigt. Das Fass zum Überlaufen brachte das „Nein“ des Gemeinderats zur Bewerbung Cadolzburgs als Modellstandort für die Eingliederung von Menschen mit Behinderung. Im April hatte der Gemeinderat mit 14 zu 6 Stimmen darauf verzichtet, sich um Fördergelder zu bewerben.

„Alle haben sich geärgert“, berichtet Marianne Bauer von der Stimmung im Seniorenbeirat nach der Entscheidung. Die Mitglieder vermissten eine Rücksprache mit ihnen zu dem für sie sehr wichtigen Thema der Beratung und Betreuung von pflegebedürftigen Menschen.

Nur kurzer Kontakt

Zwar hatte Bürgermeister Bernd Obst in der Sitzung im März angekündigt, den Seniorenbeirat einzubinden. Laut Obst hätte es einen kurzen Kontakt mit Hermann Köhler gegeben, der in der fünfköpfigen Vorstandsgruppe des Seniorenbeirats Mitglied ist.

„Der Seniorenbeirat würde die Eingliederungshilfen für Behinderte wohl gutheißen“, hatte Obst dem Gemeinderat anschließend berichtet. Dennoch fühlte sich der Seniorenbeirat nicht ordentlich einbezogen. Werner Chowanetz ärgert sich bis heute, wie schlecht sich der Gemeinderat informiert hatte. „Warum wurden keine statistischen Daten über Menschen mit Behinderung in Cadolzburg eingeholt?“, fragt er sich. In der Sitzung des Gemeinderats hatten mehrere Räte gezweifelt, ob eine kommunale Beratung für Behinderte notwendig sei. „Das ist purer Luxus“, sagte etwa Roland Egerer (SPD), der mittlerweile nicht mehr im Gemeinderat sitzt.

Der Seniorenbeirat droht nun mit Konsequenzen. In dem offenen Brief erinnert der Beirat an seine bisherige ehrenamtliche Arbeit, die einen Seniorentreff, regelmäßige Informationsveranstaltungen und Engagement im Rahmen des seniorenpolitischen Gesamtkonzepts im Landkreis Fürth umfasst.

Der Seniorenbeirat fordert eine bessere Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat, „ansonsten müssen wir uns überlegen, unsere Aufgaben gründlich zu hinterfragen und bestehende und zukünftige Aktivitäten wegfallen zu lassen“. Werner Chowanetz kann sich sogar vorstellen, dass sich einige Mitglieder bei den nächsten Vorstandswahlen nicht mehr zur Verfügung stellen.

Obst ist überrascht

In einer ersten Reaktion gegenüber unserer Zeitung zeigte sich Bürgermeister Obst überrascht ob der Schärfe des Briefs, der sich auch an ihn richtet. Er habe im Vorfeld angeboten, mit dem Seniorenbeirat zu sprechen. Eine Antwort auf dem Brief plane er zum aktuellen Zeitpunkt nicht.

Obst beteuert, er habe sich im Gemeinderat für die Behindertenberatung eingesetzt. Er hatte aber selbst die Fraktion seiner Partei CSU/FWG nicht überzeugen können. Deren absolute Mehrheit im Gremium hätte wohl für ein positives Votum ausgereicht.

Der Seniorenbeirat solle die Entscheidung des Gemeinderats akzeptieren, fordert Obst. Auch er als Bürgermeister und „als ordentlicher Demokrat“ stelle das Votum nicht mehr in Frage.

Den Vorwurf, sowohl Seniorenbeirat als auch Gemeinderäte seien vor der Entscheidung schlecht informiert gewesen, weist Obst zurück. In der März-Sitzung sei das Thema in Anwesenheit von Mitgliedern des Seniorenbeirats öffentlich diskutiert worden. Zwar habe die Zeit gedrängt, doch bis zur entscheidenden Sitzung im April sei für alle Beteiligten ausreichend Zeit gewesen. In den Unterlagen der Fraktionen seien Erläuterungen und ein Kompendium beigelegt gewesen.

Obst selbst wolle die „gedeihliche Zusammenarbeit“ mit dem Seniorenbeirat fortführen. Der Gemeinderat habe bisher stets Unterstützung und finanzielle Zuschüsse gewährt, sagte er. Wie die Fraktionen im Gemeinderat auf den offenen Brief reagieren, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht klar.