Sittenwächter trifft auf stadtbekannte Damen

7.4.2015, 06:00 Uhr
Sittenwächter trifft auf stadtbekannte Damen

© Foto: Sabine Rempe

Klaus Roscher dreht vorsichtig an der Kurbel. Es quietscht und dann – erklingt der alte Leierkasten. Möglich wurde das antiquierte Klangerlebnis dank der Reparatur bei einem Drehorgelbauer, der das Handwerk noch beherrscht. Roscher, Vorsitzender der Hans-Sachs-Spielgruppe, freut sich: „Damit werden wir unser neues Stück eröffnen.“

Eine wichtige Requisitenfrage wäre also geklärt. Auch über andere Details der neuen Inszenierung ist man sich längst im Klaren. Gabriele Küffner, die als Regisseurin diesmal wieder mit von der Partie ist, hat zunächst für jeden Darsteller „eine Art von Psychogramm“ ausgearbeitet.

Feine Typen kommen da zusammen. Da ist etwa Fritz Beermann. Von Beruf ist er Rentier, was kein Verweis auf Brehms Tierleben darstellt, sondern den Besitz eines beachtlichen Aktienpakets andeutet. Vor allem aber ist der Gute ein selbsternannter Sittenwächter, der nicht weniger im Sinn hat, als über die Moral der Bürger zu wachen. Dumm bloß, dass Beermann eine gewisse Ninon de Hauteville sehr gut kennt, die ein „sehr gastfreies Haus führt“ und samt ihrem verfänglichen Tagebuch ins Visier der Polizei geraten ist.

Rudolf Kelchner spielt den wackeren Beermann und muss damit rund zwei Drittel des gesamten Textes stemmen. Selbstverständlich, sagt er, hat er längst alles auswendig gelernt: „Auch beim Proben darf man nicht überlegen, die Zeilen müssen einfach da sein.“ Wie packt man sich so viel Stoff drauf? „Beim Training im Fitnessstudio lege ich zum Beispiel Karten mit dem Text vor mich und lerne oder ich memoriere alles beim Nordic Walking im Wald.“ Da, sagt der erprobte Darsteller, würden aber manchmal Spaziergänger merkwürdig schauen, wenn er laut deklamierend an ihnen vorbeikommt.

Text lernen klappt auch prima beim Forellen füttern, versichert Marion Ströbel, die als Frau Lund Beerman Paroli bieten und kernige Sätze entgegen halten darf. Besonders angetan hat es ihr dieser: „Kein Laster ist so widerwärtig, wie die Tugend, die sich vor der Öffentlichkeit entblößt.“ Sabine Welp tritt als Lina Beermann auf, eine rechtschaffene Ehefrau aus jenen Tagen, als weibliche Emanzipation meist noch unvorstellbar schien.

Die Rolle der anziehenden, stadtbekannten Dame Ninon de Hauteville hat Lena Roscher übernommen. Die 23-Jährige lacht: „Bei mir wird sie einen französisch-fränkischen Akzent bekommen.“ Für Lena steht ein Fachwechsel ins Haus: „Bisher habe ich immer die Töchter gespielt, die lieben Mädchen, jetzt kann ich andere Facetten zeigen.“

Im Team hat man sich dafür entschieden, das Stück zu seiner Entstehungszeit, also kurz vor dem Ersten Weltkrieg, spielen zu lassen. Für Christa Reimann, die für die Kostüme zuständig ist, eine Herausforderung, die sie perfekt meistert. Die Männer werden unter anderem Originalfräcke von einst tragen. Rudolf Kelchner verrät: „Ich musste heute zum Schneider, mein Frack war oben zu eng, die hatten damals schmalere Schultern.“

Regisseurin Gabriele Küffner ist begeistert von Ludwig Thomas „Moral“, obwohl das Stück, wie sie sagt, den Darstellern viel abverlangt: „Das ist eine virtuose Salonkomödie, die schwierig ist, weil sie sprachlastig, komisch und dicht gewebt ist – ein Teppich aus Worten und Anspielungen, die natürlich erst einmal sortiert werden müssen.“

Ludwig Thoma schrieb an dem satirischen Lustspiel, das zu einem seiner größten Erfolge werden sollte, im Knast von Stadelheim. Er musste – versorgt mit reichlich Papier – für sechs Wochen einsitzen. Bestraft wurde er ausgerechnet, weil man ihm die Beleidigung von Vertretern der Sittlichkeitsvereine vorwarf. Wenig erstaunlich also, dass er mit Vehemenz an sein Stück ging und gewitzt Doppelmoral, Spießigkeit und Vorurteil anprangerte. Das sind Themen, die bis heute absolut nichts von ihrer Aktualität verloren haben, bedauert nicht nur die Regisseurin.

Eines regelt sich während der Probenzeit ganz von allein, es betrifft aber nur die Darsteller der vier Honoratioren: „Wir müssen uns Schnauzer züchten, so wie es damals große Mode war,“ erklärt Roscher. Das passende Modell hat er vor Augen: „Ich habe ein altes Foto von meinem Großvater, der hatte einen beeindruckenden Schnurrbart – so soll’s werden.“

Aufführungen von „Moral“ mit der Hans-Sachs-Spielgruppe in Langenzenn ab 22. Mai bis 11. Juli, jeweils Freitag, Samstag oder Sonntag, ab 19.30 Uhr im Kulturhof, Hindenburgstraße 32. www.hans-sachs-spiele.de

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