Sonne und Wind für sauberen Strom in Nürnberg

19.12.2017, 19:06 Uhr
Sonne und Wind für sauberen Strom in Nürnberg

© Foto: Roland Fengler

Sie sind ein bisschen nervös. "Schließlich werden gleich auch Personen anwesend sein, die sich mit dem Thema noch besser auskennen als wir", sagt Samuel Leiblein. 80 Teilnehmer sind angemeldet, Firmenvertreter, Professoren, Stadträte und Energieexperten von Südbayern bis Sachsen. "Wir können unsere Ideen bei einer richtigen Konferenz präsentieren – das ist schon ein gutes Training", erklärt der Student.

Leiblein studiert im sechsten Semester an der Fakultät Maschinenbau und Versorgungstechnik. Im Studienschwerpunkt Energietechnik haben er und zwölf Kommilitonen untersucht, wie Nürnberg die Energiewende umsetzen könnte. Ihr Ziel ist es, rund 530 000 Einwohner zu möglichst niedrigen Kosten und zuverlässig mit erneuerbaren Energien selbst zu versorgen.

"Wir haben wissenschaftlich gearbeitet, Forschungsfragen entwickelt und eigene Konzepte umgesetzt", sagt Leiblein. "Das ist schon ein großer Unterschied zu den Vorlesungen, die sich hauptsächlich auf das Prüfungswissen konzentrieren." Matthias Popp, Professor für Energietechnik an der Technischen Hochschule, betreut das Projekt. "Wir überlegen uns jedes Semester ein Oberthema und dann erforschen die Studierenden Dinge, die noch niemand erforscht hat", erklärt er. Anfang Oktober ging es los. Praxispartner war in diesem Jahr der städtische Energieversorger N-Ergie. "Es ist wichtig, dass wir mit realen Daten arbeiten", sagt der Professor. Die Mitarbeiter standen als Ansprechpartner für die Studenten zur Verfügung. "Das bringt auch dem Unternehmen völlig neue Sichtweisen." Schließlich hat die Bundesregierung beschlossen, dass Deutschland bis zum Jahr 2050 seinen Strom zu 80 Prozent aus regenerativen Quellen gewinnen soll.

Sonne und Wind für sauberen Strom in Nürnberg

© Foto: Horst Linke

Louisa Meyer hat analysiert, wie groß eine solarthermische Anlage sein müsste, um Nürnbergs Wohnungen mit Wärme zu versorgen. "Die Kollektoren müssten im Umland, aber nahe an der Stadt stehen, damit der Wärmeverlust durch den Transport möglichst gering ist", erklärt die Studentin. 16,8 Quadratkilometer wären dafür nötig, das entspricht dreimal dem Gebiet innerhalb der Stadtmauer. "Diese Fläche müsste man erst mal haben", sagt Meyer. "Unsere Untersuchung ist erst mal rein technisch, wirtschaftliche Aspekte würden natürlich auch eine große Rolle spielen."

Reale Daten der Stadt und der Nasa

Die beste Mischung zur Stromversorgung bestünde aus 70 Prozent Wind- und 30 Prozent Sonnenenergie, hat Dennis Bannert herausgefunden. Dabei hat er berücksichtigt, was eine Kilowattstunde von der Herstellung bis zur zuverlässigen Ankunft beim Verbraucher kostet, auch in Zeiten, in denen es windstill ist und die Sonne nicht scheint. "Wir haben verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Anteilen durchgespielt", erklärt er. Mit den Wetterdaten von 2016 kann er ermitteln, wie viel Energie im Verlauf des Jahres ins Netz eingespeist werden kann.

Stefan Remeli hat sogar Daten der Nasa für seine Forschung benutzt. Die amerikanische Raumfahrtbehörde misst stündlich weltweit die Windgeschwindigkeit. Damit konnte der Student berechnen, dass 225 Windkraftanlagen mit einer Turmhöhe von 165 Metern und dem neuesten Stand der Technik gebraucht werden würden, um ganz Nürnberg zu versorgen. "In der Stadt gibt es dafür aber so gut wie keine Standorte", sagt der Student. "Deshalb würden wir sie im Umland bauen und 18 Gemeinden mit versorgen."

Sicherer Strom, auch wenn die Sonne nicht scheint

Im Sommer könnten Photovoltaikanlagen auf Nürnbergs Dächern ein Viertel des Strombedarfs bereitstellen. Im Winter wären es allerdings nur fünf Prozent, hat Daniel Kuhse ausgerechnet. "Allerdings konnten wir nur die Wohnhäuser berücksichtigen, zu öffentliche Gebäuden fehlen uns die Daten." Er hat die Bebauungsdichte und den Stand der Dächer zur Sonne erfasst: "4,6 Quadratkilometer Dachfläche wären dafür geeignet."

Weil die Sonne nicht immer scheint, steht und fällt die Energiewende mit dem Stromspeichern. Ievgen Duzhyi erforscht die Wirtschaftlichkeit der Methoden, Wirkungsgrad, Kosten und mögliche Speicherdauer. "Aber das würde das Projekt sprengen", erklärt sein Professor. Deshalb schreibt
Duzhyi seine Bachelorarbeit darüber. Bis Februar will er fertig sein.

Die anderen Studenten veröffentlichen nach der Konferenz ihre Abschlussberichte, die ihr Professor auch benotet. "Durch diese Erfahrung – Projektskizzen, Lösungsstrategien, vor Leuten sprechen, die Aufregung – lernen die Studenten viel für ihren Beruf", sagt Popp. Und auch die Stadt lernt für die Zukunft: "Das Ziel muss es sein, erneuerbare Energie genauso komfortabel zur Verfügung zu stellen wie wir das von fossilen Brennstoffen gewohnt sind."

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