Sonntags geht's in Roßtals Vergangenheit

31.5.2016, 06:00 Uhr
Sonntags geht's in Roßtals Vergangenheit

© Foto: Fiedler

Was, der war in Roßtal? Diese staunende Frage werde immer wieder gestellt, wenn Besucher erfahren, dass kein Geringerer als Otto I. schon vor den Toren gestanden hat, berichtet Inge Beck. Und auch bei Becks erster Führung durch „urbs horsadal“ geht ungläubiges Raunen durch die Besuchergruppe. Gehört Otto I. doch auf eine Stufe mit Kaiser Karl dem Großen, hat eine Dynastie begründet und liegt als einer der bedeutendsten abendländischen Herrscher im Magdeburger Dom begraben.

Otto I. wollte seinerzeit sein Erbe ordnen und hatte dazu anno 954 einen Reichstag in Langenzenn ausgerichtet. Sein Sohn Liudolf allerdings hatte sich in „urbs horsadal“ verschanzt. Der Kampf, von dem Chroniken schreiben, „. . . dass es nie einen größeren gegeben hat“, konnte Otto nicht gewinnen. Er musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Am Laurentius-Tag

Der Herrscher hatte sowieso drängendere Aufgaben. Aus dem Osten bedrohten die Hunnen oder Ungarn, so werden die räuberischen Eindringlinge in den zeitgenössischen Quellen wechselweise benannt, den Frieden des Reiches. Wenig später nach dem Roßtaler Intermezzo schlug Otto die Räuber und Brandschatzer, was ihm das Attribut „der Große“ einbrachte. Das war am 10. August 954, am Tag des Heiligen Laurentius.

Inge Beck an ihre Zuhörer gewandt: „Nun wissen Sie, warum in Franken so viele Kirchen – auch unsere in Roßtal – diesem Schutzpatron anvertraut wurden“.

Doch zurück zu „urbs horsadal“, das im Frühmittelalter um 800 gegründet wurde und seine bedeutendste Ausprägung um 950 erreichte. „Damals“, so erzählt Inge Beck, „schrieb man über unseren Ort, dass er zu den bedeutendsten des Reiches gehört hat.“ Tatsächlich war die ursprüngliche Siedlung eine Befestigungsanlage mit einer Ausdehnung von rund 5,2 Hektar Fläche, die von drei Seiten uneinnehmbar auf dem Felssporn thronte. Lediglich von der heutigen Wegbrückenstraße wäre die mit Wassergräben, Wällen und Mauern gesicherte Anlage verwundbar gewesen, berichtet Inge Beck. Kann aber beruhigen: „Das ist nicht passiert“.

Auf alter Mauer errichtet

Die Ortsführerin verweist darauf, dass am Pfarrgarten noch Reste der alten Mauer stehen, und dass das Pfarrhaus aus dem Jahr 1410 gleich auf dieser Mauer errichtet wurde.

Noch vor nicht allzu langer Zeit bescherte der geplante Wohnhausbau auf dem Grundstück einer ehemaligen Bäckerei Roßtal eine archäologische Sensation. Vis à vis der Kulturscheune Spitzweed wurde eine Grabanlage aus der ottonischen Zeit mit 17 Skeletten gefunden (wir berichteten).

„Die Menschen waren 1,80 bis 1,90 Meter groß“, berichtet Ingrid Beck, was darauf schließen lasse, dass es sich um Angehörige der Oberschicht gehandelt haben muss. „Denn“, so Beck, „wer so groß war, hatte genug zu essen.“ Außerdem würden die Funde von Pferde- und Pfauenknochen beweisen, dass hier deutlich besser Gestellte gelebt haben.

Nach so vielen historischen Fakten zeichnet Inge Beck mit ihren Worten Bilder, die den harten Alltag im frühen Mittelalter vor Augen führen. Dazu ist eine Rast am Brunnenhäuschen geeignet: „Ohne Pump- oder Zuganlagen wurde mit Eimern das Wasser an die Oberfläche geholt.“ Das Wasser brauchten nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere mussten versorgt werden. „Welch strapaziöses Leben“, Inge Beck und ihre Zuhörer schätzen sich glücklich, in eine andere Zeit geboren zu sein.

Doch nicht nur die Sicherung der Existenzgrundlage war hart. Grausam war auch die Rechtsprechung. Beck berichtet von den beiden letzten Hinrichtungen. Die Aufzeichnungen des Amtsrichters beschreiben die Vergehen. Mehrfacher Diebstahl und Einbruch kostete einem Delinquenten das Leben, der andere hatte wegen Misshandlung und Missbrauch der Stieftochter sein Leben verwirkt.

Vor Roßtals größter „Wunde“ angekommen, wird es in der Gruppe richtig lebendig. Da, wo heute das Rathaus steht, existierte einst das Kaufhaus Haas. Inge Beck zeigt Fotografien, die das schmucke Fachwerkhaus abbilden. Die Empörung, dass 1972 ein damals moderner Betonkasten anstelle des Kleinods errichtet wurde, macht sich bei den Roßtalern immer noch Luft. „Was wäre das ehemalige Kaufhaus Haas heute für eine Besuchermagnet“, dieser Ausführung Inge Becks stimmt die Gruppe einhellig zu.

Nach Bad Windsheim?

Und vom ehemaligen Kaufhaus schließt sich der Bogen zu der Diskussion um das sogenannte zweite Pfarrhaus. 1698, Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg als Wohnhaus des Kaplans errichtet, widerfuhr ihm ebenfalls der Fluch des 20. Jahrhunderts. Verseucht mit dem Insektizid Lindan, ist das schmucke Fachwerkgebäude bis heute unbewohnbar. Inge Beck spricht von Gerüchten, es könne ins Bad Windsheimer Freilandmuseum übersiedeln. Für das Roßtaler Ortsbild wäre es dann verloren.

Führungen am 5. Juni und 3. Juli, jeweils um 14 Uhr, Treffpunkt Heimatmuseum, Schulstraße 13.

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