"97er-Achse": Das ist die Zukunft beim Club

2.5.2017, 05:41 Uhr
Die meisten Ballkontakte und die meisten Vorlagen: Eduard Löwen zeigte gegen Stuttgart eine couragierte Leistung.

© Sportfoto Zink / DaMa Die meisten Ballkontakte und die meisten Vorlagen: Eduard Löwen zeigte gegen Stuttgart eine couragierte Leistung.

Der offizielle Statistikbogen wird bereits ein paar Minuten nach dem Schlusspfiff verteilt im Medienzentrum des Stadions. Michael Köllner hätte die vielen Namen und Zahlen gar nicht gebraucht für seine Analyse nach dem 2:3 gegen den VfB Stuttgart. Seine Eindrücke aus den 90 Minuten deckten sich nahezu mit der komprimierten Version vor sich.

Trotzdem schien der Trainer des 1. FC Nürnberg nicht ganz glauben zu können, was er da so alles nachlesen durfte. Patrick Kammberbauer, 20 Jahre alt, hatte die meisten Ballkontakte (67) und lieferte auch die meisten Vorlagen (4). "Und Eduard Löwen: 60 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen", referierte Köllner vor den Journalisten.

Das sind in der Tat beachtliche Werte für zwei der vielen Talente aus dem Nachwuchs-Club. Die beiden, Lukas Mühl und Cedric Teuchert sind fast gleich alt, allesamt geboren im Januar oder Februar 1997, Abdelhamid Sabiri hat im November 1996 das Licht der Welt erblickt. Wer noch so jung ist und überdurchschnittlich begabt, wird gerne als die Zukunft des Vereins bezeichnet. Beim 1. FC Nürnberg hat die Zukunft schon längst begonnen.

Am Samstagnachmittag, gegen den auf wirklich allen Positionen prominent besetzten VfB Stuttgart, wies auch die Gruppe U21 nach, es selbst mit dem Tabellenführer aufnehmen zu können. Sie zeigte aber auch, was ihr noch fehlt. Patrick Kammerbauer etwa hätte vor dem 2:2 auch theatralisch zu Boden gehen können. Daniel Ginczek stützte sich beim Kopfball eindeutig auf; Bilder zeigen, wie sich sein rechter Ellbogen in Kammerbauers Hals bohrt. Eine schmerzhafte Erfahrung für den deutlich kleineren Nürnberger, der gar nicht eingeteilt war beim Eckstoß in der 50. Minute. Aber möglicherweise eine lehrreiche.

Tolpatschig, aber vielversprechend

Erst Ende November hatte Kammerbauer debütiert in der Startelf seines Clubs, beim 1:3 in Stuttgart sah er meist nur die Hacken des japanischen Nationalspielers Takuma Asano. Am Samstag musste Asano zur Halbzeit in der Kabine bleiben, weil der VfB sein System änderte – und ihn der junge Kammerbauer 45 Minuten energisch bekämpft hatte. Zum großen Nürnberger Glück fehlten eigentlich bloß die Punkte. Dass Lukas Mühl nach seinem tolpatschigen Foul an Simon Terodde kurz nach der Pause eigentlich mit Gelb-Rot hätte vom Platz fliegen müssen, passt ins Bild dieser zwar vielversprechenden, aber eben noch unreifen Azubis.

Ihr Trainer weiß das natürlich und schien eine Leistung wie am Samstag wohl gerade deshalb für nicht möglich zu halten. Umso mehr ärgerte er sich über die nächste Niederlage gegen ein Spitzenteam; wie bereits in Hannover und Berlin hielt der Club mit, "der letzte Punch", wie es Köllner formulierte, also die Fähigkeit, auch eine Entscheidung zu erzwingen, fehlte allerdings am Samstag erneut.

Ein Spiel mit Schönheitsfehlern

Auch Cedric Teuchert verpasste das mögliche 3:2; ein anderer Stürmer hätte bei der einen oder anderen riskanter Grätsche im Strafraum möglicherweise den Kontakt gesucht, Teuchert lief weiter, nur in der 84. Minute fiel er hin. In dem "Gefühl, dass er mich getroffen hat", wie der 20-Jährige hinterher angab, der Schiedsrichter beurteilte die umstrittene Szene etwas anders.

Statt 3:2 also 2:3 – der Lernprozess beinhaltet eben auch enttäuschende Resultate. "Fußball ist ein Ergebnisüberwiegensport, übermorgen erinnert sich doch schon niemand mehr daran, dass wir ein gutes Spiel gemacht haben", glaubt Köllner, ein sehr gutes sogar, mit ein paar nachwirkenden Schönheitsfehlern. So in etwa wird es Köllner seinen Fußballern auch gesagt haben – hinterher, auf dem Rasen, im flugs gebildeten Kreis.

Einige hingen erkennbar durch, physisch und mental, darunter Teuchert, der es mit seinem erfolgreichen Solo über den halben Platz (33.) nicht nur in den vereinseigenen Jahresrückblicke geschafft haben dürfte. "Ich hatte Platz, es ist meine Stärke, wenn ich mit hohem Tempo auf den Verteidiger zulaufe", so versuchte Teuchert die Entstehung seines vierten Saisontreffers zu erklären. Viel schöner liest sich eine andere Statistik: Seit seinem Comeback gegen Erzgebirge Aue zwei Wochen zuvor hat Teuchert in jeder Partie getroffen.

Was der Coburger zu leisten imstande ist, wenn seine Beine wie am Samstag nicht nach 60 oder 65 Minuten schwer werden – man mag es sich kaum vorstellen. "Überall" hätten ihn Krämpfe geplagt, sagte Teuchert nach seinem tatsächlich ersten Zweitliga-Spiel von Beginn an, Verletzungen hatten ihn seit seinem Debüt im November 2014 (1:2 in Sandhausen) immer wieder zurückgeworfen.

Jetzt soll endlich seine Zeit kommen – als festes Element der "97er Achse" (Köllner) mit dem am Samstag überragenden Eduard Löwen im Zentrum. Noch ein paar gute Transfers drumherum – "dann haben wir schon eine Mannschaft, die nächste Saison im Top-Bereich der Liga mitspielen kann, absolut". Aktuell ist der Top-Bereich über 20 Punkte entfernt. Auch das stand auf dem offiziellen Statistikbogen.

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