Abwärtsstrudel: Legt der HC Erlangen personell nach?

4.12.2017, 14:35 Uhr
Gegen eine der weltbesten Mannschaften hielt die Kraft von Andreas Schröder (rotes Trikot) und seinen Kollegen nur kurz.

© Eibner Gegen eine der weltbesten Mannschaften hielt die Kraft von Andreas Schröder (rotes Trikot) und seinen Kollegen nur kurz.

Die 8069 Zuschauer schraubten den Lautstärkepegel noch einmal gewaltig nach oben. Dort, wo sie nach 15 Minuten noch "kämpfen, Löwen, kämpfen" gefordert hatten, lagen sie sich jetzt in den Armen. Unten, im Scheinwerferlicht, kniete Nikolas Katsigiannis dazu im eigenen Tor und versuchte sehr angestrengt, den im Netz ein wenig verhedderten Ball irgendwie nicht herauszunesteln. Eben hatte der Erlanger Torwart das 33. Gegentor hinnehmen müssen, wirklich alles war recht, um dieses gewaltige Torfestival des Deutschen Meisters, das wie eine riesengroße Welle über die im zweiten Durchgang überforderten Erlanger geschwappt war, auszubremsen.

Immerhin, es gab dann kein 34. Gegentor mehr: 33:22 stand es nach der Schlusssirene, eine schmerzhafte Niederlage, die nicht nur über eine starke Erlanger Anfangsphase hinwegtäuschte, sondern auch "deutlich zu hoch" ausfiel, wie Geschäftsführer René Selke fand. 9:5 hatte Erlangen völlig überraschend nach 17 Minuten geführt, immer wieder schlugen die Würfe von Christoph Steinert aus dem Rückraum ein. "Man merkte, die Löwen hatten Druck, mussten was zeigen, das hat uns in die Karten gespielt", fand Nikolai Link.

Dann stellte Nicolaj Jacobsen, der Meistertrainer, seine Deckung um. Ja, es war gar kein genialer Schachzug, vielmehr ein Griff in die Tasche mit dem Standardrepertoire: Er stellte Hendrik Pekeler vor der Deckung in den Weg, der Nationalspieler musste gar nicht viel machen, um die Querpässe herauszufangen. Erlangen verlor schlagartig den Mut und jeden Offensivdruck. "Wir sind leider feig geworden", sagte Nikolai Link geknickt.

War 20 Minuten wirklich alles nach Plan gelaufen, lief nun schief, was schieflaufen kann: "Wir geraten in einen Abwärtsstrudel", sagte Adalsteinn Eyjolfsson, der Trainer, "wir fallen in ein Loch." Schon zur Pause war das mit 12:16 so tief, dass ein Herausklettern bei einer der besten Mannschaften der Welt nicht mehr unter normalen Umständen möglich war.

Doch was sind schon normale Umstände? Erst vor der Partie hatte sich mit Uros Bundalo mit Bänderriss in der Hand schon wieder ein wichtiger Spieler abgemeldet. Drei Mann aus der zweiten Mannschaft, dazu ein Nico Büdel sehr weit von Bestform entfernt, brachten viel zu wenig Entlastung für die ersten sechs, die anfangs über sich hinausgewachsen waren.

Weder die Halbzeitansprache noch die beiden verbleibenden Auszeiten halfen, um diese 5:1-Deckung der Rhein-Neckar Löwen zu knacken, im Gegenteil: Gegenstoß um Gegenstoß rannte der Meister nun, lief mühelos davon, immer weiter, bis über den Erlanger Horizont hinaus. Der HCE hatte nichts mehr entgegenzusetzen, taumelte kraftlos durch die Arena. Auch die erst starke Torwartleistung ging hinter einer kaum mehr vorhandenen Deckung gänzlich verloren.

Christoph Steinert wirkte nach 20 Minuten bereits ausgebrannt. "Er ist permanent auf sich allein gestellt auf der Linkshänderposition", erklärte Eyjolfsson. "Ich vermisse Theile sehr", sagte Steinert selbst über den weiter auf unbestimmte Zeit verletzten Nicolai Theilinger. Der schmächtige Sellin-Ersatz Maximilian Lux bekam, egal mit wem als Nebenmann, die Lücke rechts hinten nie geschlossen. Für Jonas Thümmler am Kreis gab es keine adäquate Alternative.

Nun doch Verstärkung?

Entgegen vergangener Woche schließt Selke daher eine Nachverpflichtung nun nicht mehr aus: "Wir müssen sehen, welche Aktionen der Mannschaft helfen, was vorstellbar ist, was die effektivste Lösung", so der Geschäftsführer. Der Trainer gab zu Bedenken: "Man muss nur auf die Bank gucken, was beim Meister saß. Ich hatte nicht viele Möglichkeiten."

Gerade im Hinblick auf die nächsten Wochen, mit enorm wichtigen Spielen in Göppingen und zu Hause gegen Aufsteiger Ludwigshafen, wäre eine weitere, gute Option Gold wert. "Wir stehen im Abstiegskampf", erinnerte Nikolai Link, bevor er in der Kabine verschwand. Irgendwie schienen sie alle nur noch froh, endlich nach Hause fahren zu dürfen.

Rhein-Neckar Löwen: Sigurdsson 11/6, Pekeler 5, Schmid 4, Baena Gonzalez 2, Groetzki 2, Larsen 2, Petersson 2, Radivojevic 2, Reinkind 2, Trost 1.

Erlangen: N. Link 5, Büdel 3, Stranovsky 3/2, Lux 2, Schröder 2, Steinert 2, Thümmler 2, Haaß 1, J. Link 1, Schletterer 1.

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