Als es Richters Club den Löwen zu leicht machte

10.9.2016, 05:58 Uhr
Gebrauchter Tag: Thomas Richter ist geknickt, die Löwen-Stürmer feiern. Der Ex-Cluberer-und-Ex-Münchner drückt die Daumen, dass es am Montag anders läuft.

© Reuters Gebrauchter Tag: Thomas Richter ist geknickt, die Löwen-Stürmer feiern. Der Ex-Cluberer-und-Ex-Münchner drückt die Daumen, dass es am Montag anders läuft.

"Wir waren natürlich enttäuscht, hatten uns das vor vollem Haus ganz anders vorgestellt", erinnert sich Thomas Richter an die saftige Heimschlappe. Schließlich sei ein Derby, wenn man das Kräftemessen mit einer Münchner Mannschaft so nennen will, "immer etwas Besonderes". Erfahrung mit Lokal- und Regionalvergleichen dieser Art hat der heute 45-Jährige reichlich gesammelt. Vom VfB-Nachwuchs war der Defensivspezialist einst zu den Stuttgarter Kickers gewechselt, später zum Fürther Missfallen vom Kleeblatt zum FCN - und danach zu eben jenen Löwen.

Reimann behält Recht

Am siebten Spieltag der Bundesliga-Saison 1998/99 verteidigte Richter noch gegen die Münchner. Eine Aufgabe, die er wie der gesamte Club gegen den Tabellenzweiten nicht sonderlich gut löste. Dabei hatte Willi Reimann noch eindringlich gewarnt: Vor den Blauen generell, vor der Konsequenz des Sechzger-Sturms und vor Harald Cerny, dem pfeilschnellen Flügelflitzer, im Besonderen.

Doch der FCN schien seinem Coach nicht zugehört haben. Schon in der sechsten Minute ließ Cerny Baumann stehen und fand mit seiner Hereingabe Markus Schroth. Dieser bestrafte - von Richter nur flankiert - ein erstes Mal Nürnbergs nachlässige Abwehrarbeit. Ihre Fortsetzung fand diese beim zweiten Gegentor: Schlechte Raumaufteilung und laffes Eingreifen ermöglichten es Miroslav Stevic, das Spielgerät an Bernhard Winkler zu senden. Von Richter unfreiwillig unterstützt, ließ der Sechzger-Shooter die Rot-Schwarzen erneut in Röhre blicken.

Sicherlich, man habe es den Löwen zu leicht gemacht, erkennt Richter Jahre später. Allein auf der Defensive will der gebürtige Waiblinger das, was vor Pause geschah aber nicht abgeladen sehen. "Das war unglaublich schwierig, weil die so schnell durchs Mittelfeld gekommen sind", beklagt der Remstal-Recke, dass der FCN auch in vorderer Front zu schwach verteidigt hatte.

Links, rechts, drin!

Es brauchte also jemanden, der den Club wachrüttelt, Hoffnung auf eine Wende macht. Im Vorwärtsgang oder nach einem ruhenden Ball. Sieben Minuten nach Wiederbeginn war dies Thomas Richter selbst - aus 22 Metern. "Ich habe den Ball bei einem Freistoß zunächst mit links in die Mauer und dann mit rechts reingehauen", erzählt der Mann, der beim Club bereits davor - besonders in Nürnbergs zweiter Aufstiegssaison in Serie - als lauf-, kampf- und schussstarker Antreiber aufgefallen war.

Nur selten obenauf: Gegen starke Sechzger hatte auch Thomas Richter, einer der zuverlässigsten Nürnberger Defensivkräfte, in den entscheidenden Momenten meist das Nachsehen.

Nur selten obenauf: Gegen starke Sechzger hatte auch Thomas Richter, einer der zuverlässigsten Nürnberger Defensivkräfte, in den entscheidenden Momenten meist das Nachsehen. © Roland Fengler

Logisch, dass sein Anschlusstreffer gegen Sechzig noch heute Richters "schönste Erinnerung" an eine ansonsten wenig erbauliche Partie darstellt. Zuvor hatte er im Oberhaus letztmals im September 1991 getroffen. Als junger Bursche gegen Rostock. Im Dress der Stuttgarter Kickers, die sich - angeführt von einem gewissen Alois Schwartz - am Saisonende dennoch wieder in die Zweitklassigkeit verabschieden sollten.

Rund sieben Jahre später hatte Richters Torerfolg nach der Pause energische Hausherren schnell belohnt. Im Defensivverbund verfiel der Club jedoch ebenso rasch zurück in alte Untugenden. Von einigen Nürnbergern nur begleitet, stellte der überragende Cerny zwei Minuten später mit seinem schwächeren linken Fuß auf 3:1 für die Löwen - "der Knackpunkt", wie Richter konstatiert. Der nach dem Anschlusstreffer spürbare Kampfgeist wich völliger Depression. Der Rest der Partie geriet zum Schlachtfest für die Löwen, welche die weiterhin bestehende Abwehrschwäche des FCN durch die eingewechselten Michel Dinzey und Hristo Yovov zur vierten und fünften Bude nutzten.

Dass deren Coach, Werner Lorant, den Club nach der Partie dennoch als "sehr guten Gegner" lobte, war vielleicht ernst, vielleicht auch witzig gemeint - den Protagonisten des späteren Absteigers aber wohl sowieso egal. Thomas Richter, beim FCN meist "Mister Zuverlässig", gehörte jedenfalls bald nicht mehr dazu. Er wechselte, da man in Nürnberg nicht mehr auf ihn setzte, wenig später zu den Sechzgern. Deren ihm gegenüber nicht mehr so wohlwollender Trainer sortierte ihn nach der Winterpause jedoch aus. "Ich weiß heute noch nicht, was ich verbrochen habe", berichtet Richter ratlos. Von Lorant selbst seien nur "Alibi-Argumente" gekommen. So war Münchens Poltergeist offenbar der Meinung, dass Richter abseits des Platzes mit den falschen Spielern unterwegs gewesen sei.

"Ein Herz für Nürnberg"

Nach der Ausbootung in Giesing ging's mit Richters Karriere - wie er selber sagt - "rasch bergab". Zwar finden sich - einschließlich einer Rückkehr zum Kleeblatt - noch zahlreiche Stationen im Lebenslauf des Schwaben. Auf hohem Niveau sollte er fortan aber kaum noch in Erscheinung treten. Zuletzt trat Richter, der in Ingolstadt in einer Salatbar arbeitet und das Golfspielen für sich entdeckt hat, noch in der A-Klasse gegen den Ball. Das Gleiche macht er auch noch für den Club. Für die Traditionsmannschaft des FCN, die  organisiert von Thomas Ziemer regelmäßig mit vorzeigbarem Ertrag auf Reisen geht. "Ich habe immer noch ein Herz für Nürnberg", erklärt der Blondschopf, der dort - verbunden mit dem Aufstieg ins Oberhaus - eine "schönere Zeit" hatte als in Fürth oder München.

So überrascht auch nicht, dass Richter hofft, "dass der Club in einer kampfbetonten Partie gegen die Löwen, in die beide Teams alles reinlegen werden, drei Punkte in Nürnberg behält“. Schließlich sollen es am Montag nicht die Hausherren sein, die ihrer Enttäuschung Ausdruck verleihen.

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