Auf Achse für den FCN: Günther Koch gibt keine Ruhe

31.12.2016, 11:00 Uhr
Nürnberg grüßt Europa: Als "Stimme Frankens" ist Koch den Radiohörern in ganz Deutschland vertraut.

© Fotos: Hagen Gerullis, Sportfoto Zink Nürnberg grüßt Europa: Als "Stimme Frankens" ist Koch den Radiohörern in ganz Deutschland vertraut.

Vor ein paar Jahren hat sich Günther Koch dieses Spielchen ausgedacht, mittlerweile pflegt er es als kleines Ritual. Immer an seinem Geburtstag. Diesmal ging es - wie immer mit seiner Frau Insa - erst mit der Straßenbahnlinie 9 vom Dutzendteich zum Hauptbahnhof, dann mit der U1 zum U-Bahnhof Frankenstraße und schließlich mit dem 65er-Bus nach Mögeldorf auf einen Kaffee. "Neun plus eins plus 65 ergibt 75", rechnet der Kultreporter und Club-Aufsichtsrat vor, wie alt er vor ein paar Wochen geworden ist. 75 – und kein bisschen leise!

Der Nachteil an der ganzen Sache – oder vielleicht auch der besondere Reiz daran – ist, dass der Mann, der als die "Stimme Frankens" im ganzen Land berühmt geworden ist, Jahr für Jahr neue Wege beschreiten und immer wieder andere Ziele anpeilen muss, damit am Ende die richtige Zahl herauskommt bei der mathematisch angehauchten Geburtstagstour. Doch irgendwie passt das wunderbar zu "GüKo", der sein ganzes Leben lang auf der Suche war und ist nach neuen Herausforderungen.

2283 Reportagen schlummern im Keller

Im gemütlichen Plausch mit der NZ lässt Koch seine vielschichtige berufliche Laufbahn und die Anforderungen im Ehrenamt, das er seit 2011 beim Club begleitet, Revue passieren. 31 Jahre lang hat er für den Bayerischen Rundfunk und auch für das Fernsehen gearbeitet. Aufnahmen von 2283 Reportagen und Features aus dem Sport, 1090 davon aus dem Fußball, hat er akribisch geordnet und zusammen mit vielen weiteren Exponaten in seinem Haus in Nürnberg-Langwasser fast wie in einem Museum archiviert. Keineswegs nur aus Eitelkeit: "Es kommen immer mal Anfragen, und dann weiß ich halt, wo ich hinlangen muss, damit ich helfen kann."

Der hohe Bekanntheitsgrad hat Günther Koch aber auch zur "Anlaufstation für rein persönliche Sachen" werden lassen, verrät er. In zahllosen Anrufen und E-Mails wird er um Rat gefragt oder um Hilfe gebeten – "nicht nur von Fußballfans", wie er betont: "Manche haben Probleme oder sind verzweifelt, manche meinen es aber einfach nur gut mit mir." Wie jener ältere Club-Fan, der ihm jedes Jahr am Telefon ein Weihnachtslied mit der Mundharmonika vorspielt.

Nicht selten wird Koch auch auf der Straße angesprochen, weil ihn die Leute vor allem an seiner Stimme erkennen. Sogar im Urlaub wird er hin und wieder mit der Vergangenheit konfrontiert wie diesen Sommer in Italien, als bei einem deutschen Fahrradverleiher Kindheitserinnerungen an Kochs Radioreportagen wach wurden.

Das kann ich besser

Es war alles andere als ein Bewerbungsschreiben im herkömmlichen Sinn, das Günther Koch einst die Türe zur Medienbranche geöffnet hat. Aus Unmut über so manchen Radiobeitrag schrieb der damals 35-Jährige einen "ziemlich frechen Brief" an den damaligen BR-Sportchef Fritz Hausmann. Frei nach dem Motto: Das kann ich besser. Der Sender gelangte schnell auch zu dieser Überzeugung und gab dem Seiteneinsteiger aus Nürnberg eine Chance. "Als freier Mitarbeiter musste ich alles machen, von Rudern über Motorsegeln bis zum Kraftdreikampf der Frauen. Am Ende habe ich über 41 Sportarten berichtet. Nein zu sagen kam nicht in Frage, schließlich wollte ich am Wochenende danach ja wieder Fußball übertragen", erzählt er.

Heute bemüht sich der bekennende Club-Fan im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg um dessen Wohlergehen.

Heute bemüht sich der bekennende Club-Fan im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg um dessen Wohlergehen.

Fußball war anfangs die Kür für Koch, irgendwann aber Alltag. Mehrfach wurde der Sportfreund mit dem Herbert-Zimmermann-Preis" ausgezeichnet. Mit dem Club ging er schon als Reporter jahrzehntelang durch dick und dünn, beim Wiederaufstieg 1985 mit einer jungen, hungrigen Mannschaft etwa und beim Last-Minute-Abstieg 1999. Den FC Bayern München hat der in Traunstein aufgewachsene gebürtige Posener bei vielen Meisterschaften begleitet, auch zum Champions-League-Sieg 2001 und zur legendären Finalniederlage gegen Manchester United in Barcelona 1999.

"Einmal haben mich die Bayern sogar angefordert, obwohl ich eigentlich gesperrt gewesen wäre“, plaudert er eine bislang unbekannte Schote aus: "Ich hatte bei der Meisterfeier 2005 in Kaiserslautern vor Premiere und der Sportschau Interviews mit Mehmet Scholl, Felix Magath und Uli Hoeneß geführt. Das war gegen die Richtlinien. Doch die Bayern bestanden darauf, dass ich das letzte Spiel aus dem Olympiastadion übertrage, und pochten auf ihr Hausrecht." Der Gegner war übrigens der Club, Endergebnis 6:3.

Unterwegs auf zwei Gleisen

Auch seinen eigentlichen Beruf, der ihn 1964, nach dem Lehramtsstudium in München, nach Franken geführt hat, übte Koch parallel zum Sportjournalismus bis zu seiner Pensionierung aus. Als Lehrer und Seminarrektor an einer Realschule – nach dem Einstieg als Sportreporter allerdings auf einer halben Stelle: "Diese Zweigleisigkeit war schon eine unglaubliche Belastung, gab mir aber auch Freiheit und Unabhängigkeit."

Kämpferisch, aktiv und unbequem

Das Mikrofon des BR hat Koch vor geraumer Zeit zur Seite gelegt, umso intensiver betreibt er sein Engagement als Mitglied des Club-Aufsichtsrats. Auch hier gibt er sich kämpferisch, gilt als sehr aktiv und unbequem. Er tut eben nach wie vor das, was auch als Reporter stets sein Auftrag war: kritische Fragen stellen.

Die Leistungen und das Abschneiden der Profis verfolgt er natürlich mit Argusaugen, und mindestens genauso intensiv bringt sich Koch in die seit Monaten laufende Diskussion über eine mögliche Strukturreform des FCN ein. Kurz nach der letzten Jahreshauptversammlung hat man eine Arbeitsgruppe unter dem Namen "e.V.olution" gegründet, die Vor- und Nachteile einer eventuellen Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft zu prüfen hat.

"...wir werden ja schon in Bayern überrant"

Koch tendiert "deutlich zu diesem Schritt, denn wir werden ja schon in Bayern überholt und überrannt. Wenn die Entwicklung so weitergeht, sind wir hier bald nur noch die Nummer sechs oder sieben". Der Ex-Reporter hat aber auch ein offenes Ohr für Verfechter der bisherigen Rechtsform: "Man kann auch als eingetragener Verein ohne Investor existieren. Notfalls spielt man dann eben gegen Coburg. Aber ob man damit glücklich ist?!" Zu welcher Empfehlung auch immer die Arbeitsgruppe - der Club hat auch Fanvertreter mit ins Boot genommen - kommen wird: Koch wünscht sich "ein ganz klares Votum von mindestens 80 oder 85 Prozent – und dann muss wieder Ruhe einkehren, und alle müssen an einem Strang ziehen".

Kraftraubende Club-Liebe

Inwieweit Günther Koch auf die weiteren Geschicke beim 1. FC Nürnberg über das neue Jahr hinaus Einfluss nehmen wird, ist offen. Im Herbst 2017 endet seine zweite Amtsperiode als Aufsichtsrat. "Im Augenblick halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass ich dann noch einmal antreten werde. Man muss es nicht übertreiben, das Amt kostet schon viel Kraft", sinniert der 75-Jährige. Unter seinen diversen Aktivitäten blieb zum Leidwesen seiner Frau Insa, der beiden Töchter und zweier Enkelkinder sehr viel Freizeit auf der Strecke.

Wohin der Weg am 22. November beim nächsten Geburtstag führt, ist ebenfalls noch nicht raus. Eine Linie 76 gibt es hier jedenfalls nicht, da wird wieder rechnerisches Kalkül gefragt sein bei Günther Koch.

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